„So existieren für die Operationen der gutartigen, wie auch der bösartigen
Prostataveränderung jeweils sehr verschiedene Operationstechniken. Die von
der AOK publizierte Qualitätsauswertung unterscheidet jedoch nicht nach
minimal-invasiven oder offenen OP-Techniken und dabei auch nicht zwischen
den jeweils völlig verschiedenen Verfahren“, stellt DGU-Generalsekretär
Prof. Dr. Oliver Hakenberg fest. „Die verschiedenen Operationsmethoden
gehen aber mit unterschiedlichen Folgen einher, die nicht notwendigerweise
als Komplikationen gewertet werden müssen.“
Ein Beispiel hierfür ist die Transfusionsrate: Diese ist bei der radikalen
Prostatektomie abhängig vom Operationsverfahren durchaus unterschiedlich,
ohne dass hiervon das onkologische oder funktionelle Ergebnis beeinflusst
wird. Ebenso ist bekannt, dass ein nerverhaltendes operatives Verfahren,
welches dem Erhalt der Erektionsfähigkeit dient, mit einem höheren Blutverlust
einhergeht als ein nicht nerverhaltendes Operationsverfahren. „Die wissenschaftlich
anerkannten Ergebnisqualitätsparameter Kontinenz- und Potenzerhalt werden
in dem hier publizierten Verfahren nicht berücksichtigt, da sie mit der
Methodik nicht erfassbar sind“, so der Generalsekretär.
Als weitere Komplikationsart nennt der AOK-Klinikvergleich die Reintervention.
„Die hier berichteten Unterschiede in den Prozentzahlen lassen nur sehr eingeschränkt
den Schluss zu, dass dies auch mit Qualitätsunterschieden einhergeht, denn eine
Reintervention kann durchaus auch zur Verhinderung einer größeren Komplikation
notwendig werden und würde in einem solchen Fall zu Unrecht als stattgehabte
Komplikation gerechnet“, führt DGU-Pressesprecher Prof. Dr. Christian Wülfing an.
Auch bestehen bei den analysierten Kliniken erhebliche Unterschiede in der Fallzahl.
Prof. Wülfing: „Ob eine erhöhte Fallzahl auch mit einer erniedrigten Komplikationsrate
und damit mit einer höheren Qualität einhergeht, bleibt dabei aber spekulativ.
Die Unterschiede in den strukturellen Gegebenheiten, den Patientenkollektiven und
ihren Komorbiditäten und nicht zuletzt auch in der Kodierqualität der verschlüsselten
Daten sind ein systemimmanentes und ungelöstes Problem. All diese Faktoren können
zur erheblichen Verfälschungen der Qualitätsdaten und damit zu fehlerhaften
Schlussfolgerungen führen.“
Außerdem gibt die DGU ein grundsätzliches Problem des AOK-Klinikvergleichs zu
bedenken. „Hier werden aus dem Instrument ‚Abrechnungsdatenerhebung‘ Informationen
über Komplikationen extrahiert. Das Instrument der Kodierung von DRGs und OPS-Codes
(Operationen- und Prozedurenschlüssel) wurde aber ausschließlich zur
Abrechnungserhebung entworfen. Es ist methodisch deshalb eigentlich völlig
unzulässig, daraus qualitätssichernde Komplikationsdaten ableiten zu wollen“,
sagt Prof. Dr. Kurt Miller, Präsident der DGU. Dafür gebe es andere und wesentlich
bessere Instrumente, die aber für die Zwecke der Abrechnung mit den Kostenträgern
nicht angewendet werden. „Bei der Abrechnungserhebung kann nur sehr unvollständig
und indirekt ein Teilaspekt von komplikativen Verläufen eingesehen werden. Es fehlt
zum Beispiel jegliche Gradierung von Komplikationen nach Schweregrad. Auch können
Komplikationen ohne Betrachtung der Komorbidität überhaupt nicht sinnvoll interpretiert
werden“, so Prof. Miller weiter. Die von der AOK publizierten QSR-Daten können daher
nur ein falsches Bild ergeben, wenn eine qualitätsorientierte Komplikationsanalyse
angestrebt wird.
Die Deutsche Gesellschaft für Urologie e.V. plädiert deshalb für
eine Weiterentwicklung der zur Verfügung stehenden Qualitätsinstrumente und eine
differenzierte Betrachtung der für den Patienten relevanten Ergebnisqualitätsparameter.
Quelle: DGU
November 2015 |
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