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Selektive Testosteron-Tests anstatt Testosteron-Screening bei Männern mit ED-Diagnose

Hintergrund

Sollten Patienten, die sich aufgrund erektiler Dysfunktion (ED) in ärztliche Behandlung begeben, ausnahmslos auf Testosteronmangel getestet werden? Diese Vorgehensweise wird in der Praxis individuell unterschiedlich beurteilt und nach Ermessen des behandelnden Arztes gehandhabt. Von der International Society for Sexual Medicine wird das routinemäßige Screening bei Männern mit sexuellen Funktionsstörungen jedweder Art befürwortet. Dagegen wird in den Guidelines der American Urological Association eher ein selektives Testen favorisiert – allerdings ohne Angabe spezifischer Kriterien.

Zielsetzung
Diesbezüglich wurde bei Männern mit ED aktuell nach klinischen Prädiktoren eines Testosteronmangels gefahndet, um Subgruppen zu identifizieren, die am ehesten von gezielten Testosteronbestimmungen profitieren könnten.

Teilnehmer und Methoden
Die retrospektive Analyse wurde mit Daten von 225 Patienten eines New Yorker urologischen Instituts durchgeführt, die sich aufgrund beeinträchtigter erektiler Funktion in ärztliche Behandlung begeben hatten. Sie unterzogen sich einem Testosteron-Screening anhand früh morgendlich abgenommener Blutproben.

Ergebnisse
In der univariaten Analyse bestand eine inverse Korrelation zwischen dem Gesamttestosteron (TT)-Spiegel und Alter, Body Mass Index (BMI), Bluthochdruck, Hyperlipidämie, Herzkreislaufkrankheit sowie Diabestes mellitus. Darüber hinaus bestand ein direkter Zusammenhang mit Depressionen und der anhand des Male Sexual Health Questionnaire (MSHQ) in Frage 19 berichteten Häufigkeit sexueller Aktivität. Andererseits ergab sich keine Assoziation zwischen dem Gesamttestosteronspiegel und der Selbsteischätzung der erektilen Funktion, der ejakulatorischen Funktion sowie des Sexualverlangens.

Ein Testosterondefizit (TT <3,0 ng/ml bzw. freies T <6,5 ng/dl) war positiv mit Alter, BMI, Hypertonie, Hyperlipidämie, Herzkreislaufkrankheit und Induratio penis plastica korreliert. Keine Assoziation bestand hingegen mit der selbst eingeschätzten erektilen Funktion, der sexuellen Zufriedenheit und dem Sexualverlangen. In der multiplen Regressionsanalyse waren höheres Alter, hoher BMI und geringe Häufigkeit sexueller Aktivität die einzigen unabhängigen Prädiktoren für expliziten Testosteronmangel.

Die relative Häufigkeit eines Testosteronmangels in Abhängigkeit vom Alter reichte von 7,1% bei den unter 40-Jährigen bis zu 45,8% bei den ≥70-Jährigen. Ein drastischer Anstieg des Anteils der Männer mit Testosteronmangel wurde auch für ansteigende BMI-Kategorien registriert, während zunehmende sexuelle Aktivität vor Testosteronmangel schützt (Abb.).

Für Männer unter 60 Jahren mit einem BMI <25 kg/m2 resultierte das minimalste Risiko eines Testosteronmangels. Nur 2,6% von ihnen waren positiv getestet worden. Andererseits bestand bei Männern, die älter als 60 Jahre alt waren und einen BMI ≥25 kg/m2 hatten, das erheblich höhere Risiko eines Testosteronmangels (54%). Der MSHQ-Score für sexuelle Aktivität hatte auf den Anteil übergewichtiger Männer mit Testosteronmangel erhebliche Auswirkung: Bei denen, die monatlich mehr als sechsmal sexuell aktiv waren, betrug sie 17%, gegenüber 40,2% bei ≤6 Malen pro Monat.

Die Daten zeigen, dass Symptome wie selbst eingeschätzte erektile Probleme und mangelnde Libido, die vielfach als Anstoß für das Testen auf Testosteronmangel dienen, eher zu falsch negativen Ergebnissen führen als die Berücksichtigung von Alter, BMI und die Häufigkeit sexueller Aktivität.

Schlussfolgerungen
Männer mit ED-Diagnose anhand Personen-bezogener Faktoren (Alter, BMI, Häufigkeit sexueller Aktivität) selektiv auf Testosteronmangel zu testen ist eine praktikable Alternative zum allgemeinen Testosteron-Screening bei ED-Patienten. Bei normalgewichtigen Männern unter 60 Jahren, die von täglicher sexueller Aktivität berichten, besteht ein vernachlässigbares Risiko für Testosteronmangel. Dagegen sind höheres Alter, erhöhter BMI und seltene sexuelle Aktivität dringliche Hinweise auf die Zweckmäßigkeit der Testosteronbestimmung.
   
Literatur:
Pagano MJ, De Fazio A, Levy A, et al. 2016. Age, body mass index, and frequency of sexual activity are independent predictors of testosterone deficiency in men with erectile dysfunction. Urology 90:112-118.


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