Mit dem Altern kommt es zu Funktionseinbußen in allen Organsystemen. Die sich hierdurch ergebenden endokrinen
Veränderungen beim alternden Mann können sich sehr komplex gestalten [1]. Diesbezügliche Untersuchungsschwerpunkte waren die
Entwicklung der Spiegel an Gesamt- sowie freiem und bioverfügbarem Testosteron im Serum bei der alternden
männlichen Bevölkerung. Hierbei stellt sich die Frage, ob bzw. inwieweit Altern per se zu erniedrigten
Serum-Testosteronspiegeln beiträgt. Es spricht einiges dafür, dass der vielfach ermittelte Abfall der
Serum-Testosteronspiegel bei älteren Männern, der zu einem symptomatischen Testosteronmangel führen
kann, seine Ursache oft in einer Reihe gesundheitlicher Probleme wie Adipositas, Glukosestoffwechselstörungen,
dem metabolischen Syndrom und kardiovaskulären Krankheiten hat.
Ist Altern die eigentliche Ursache erniedrigter Testosteronspiegel?
Heute gilt es als weitgehend gesichert, dass der Spiegel an Gesamttestosteron im Serum beim männlichen
Bevölkerungsquerschnitt mit dem Altern allmählich abnimmt. Longitudinale Untersuchungen kamen zu dem Ergebnis,
dass sich die Gesamttestosteronkonzentration pro Jahr um 1–2% verringert [1]. Das freie Testosteron nimmt
stärker ab, da die Bildung des Sexualhormon-bindenden Globulins (SHBG) im Alter zunimmt. Diese Querschnittsbefunde
können interindividuell allerdings stark variieren.
In der Baltimore Longitudinal Study of Aging (BLSA) waren die Effekte des normalen Alterns auf die
hormonelle Funktion der Hoden prospektiv untersucht worden [2]. Der Befund war ein konstantes altersabhängiges
Absinken der Spiegel an Gesamt- und bioverfügbarem Testosteron unabhängig von Adipositas, Krankheiten und
Medikationen sowie vom Zigarettenrauchen und dem Alkoholkonsum. Ferner wurden in der BLSA Inzidenzen für
Hypogonadismus von ca. 20% bei Männern in den 60er, von ca. 30% in den 70er und von ca. 50% in den 80er Jahren
ermittelt.
Ein differentes Ergebnis lieferten jüngere Untersuchungen mit 325 Männern über 40 Jahre alt, die ihren
Gesundheitszustand selbst als exzellent, sehr gut oder gut einschätzten. Bei ihnen wurden innerhalb von drei
Monaten Sexualhormone in jeweils neun Blutproben mit Flüssigkeitschromatographie-Massenspektrometrie bestimmt.
Es wurde ermittelt, dass das Alter praktisch keinen Einfluss auf das zirkulierende Testosteron hatte. Die Autoren
führen das im Wesentlichen auf den überdurchschnittlich guten Gesundheitszustand der Männer in ihrem Studienkollektiv zurück [3].
Androgenspiegel können in den hypogonadalen Bereich absinken
Inwieweit es durch die im Bevölkerungsquerschnitt verringerten Spiegel an Gesamt- wie auch freiem bzw. bioverfügbarem
Testosteron zu einem Testosteronmangel oder zum Late-onset-Hypogonadismus kommt, wurde in Europa und den USA an
verschiedenen Studienkohorten teilweise unterschiedlich beurteilt. Das lässt sich sicherlich zum Teil auf die
uneinheitliche Definition des Testosteronmangels, die abweichende Wahl der Symptome für Hypogonadismus und nicht
zuletzt auch auf die heterogene Zusammensetzung der untersuchten Populationen mit speziellen Einschluss- bzw.
Ausschlusskriterien zurückführen.
Die Ergebnisse der European Male Aging Study (EMAS) mit 3.219 Teilnehmern aus acht Ländern ergaben eine Prävalenz
des Hypogonadismus von 2,1%. Diese reichte von 0,1% bei den 40- bis 49-jährigen Männern bis zu 5,1% bei den
70- bis 79-jährigen Männern. Als Testosteronmangel galt ein Spiegel an Gesamttestosteron <3,2 ng/ml (11 nmol/l)
und ein Spiegel an freiem Testosteron <64 pg/ml (220 pmol/l). Ferner wurde Hypogonadismus in der EMAS anhand des
Vorliegens von drei sexuellen Symptomen definiert (Verlust der morgendlichen Erektionen, geringes sexuelles
Verlangen und erektile Dysfunktion) [4].
In der Massachusetts Male Aging Study (MMAS) mit 1.667 Teilnehmern lag die Prävalenz des symptomatischen
Testosteronmangels mit insgesamt 5,6% höher als in der europäischen Studie. Bei den 70-jährigen Männern
wurden 18,4% registriert [5].
Die Prävalenz an symptomatischem Androgenmangel in der Boston Area Community Health Survey (BACHS) mit
1.475 Männern im Alter von 30 bis 79 Jahren betrug insgesamt 5,6%. Von den Männern 70+ litten 18,4% unter
Symptomen eines Androgenmangels [6].
Estrogenspiegel im Alter oft durch vermehrtes Fettgewebe erhöht
Berichte zu Estradiolspiegeln bei älteren Männern weisen zum Teil diskrepante Ergebnisse auf.

Estrogenspiegel wurden bei Männern zudem weniger eingehend untersucht wie Androgenspiegel. In einer der größten Studienkohorten
mit 2.623 Männern im Alter von mindestens 65 Jahren wurden in der Osteoporotic Fractures in Men Study (MrOS)
mit zunehmendem Alter abnehmende Estradiolspiegel registriert [7]. Die Konzentration an freiem Estradiol war
bei Männern mit geringerem Body Mass Index (BMI) und höherem SHBG-Spiegel geringer als bei Männern mit höherem
BMI und niedrigerem SHBG-Spiegel.
Wie bei Frauen werden auch beim Mann in verschiedenen peripheren Geweben Androgene zu Estrogenen aromatisiert.
Besondere Bedeutung für den Serum-Estradiolspiegel kommt hierbei dem Fettgewebe zu. Das führt dazu, dass bei zahlreichen
Männern mit zunehmendem Alter die Umwandlung von Androgenen in Estrogene ansteigt. Hierdurch resultiert eine Verschiebung
des Androgen-Estrogen-Gleichgewichts. Aufgrund dieser Verschiebung findet sich bei älteren Männern oft
eine Lipomastie oder Gynäkomastie.
Feedback auf der gonadotropen Achse durch Testosteron und Estradiol
Gonadotropin-releasing-Hormon (GnRH) aus dem GnRH-Pulsgenerator im Hypothalamus stimuliert via portales
Gefäßsystem die gonadotropen Zellen der Adenohypophyse zur Bildung von Luteinisierungshormon (LH). Die episodischen
LH-Impulse regen in den Leydig-Zellen die Synthese von Testosteron an.
Die Regulierung der gonadalen Steroidhormonproduktion über die hypothalamisch-hypophysär-testikulären (HHT)-Achse
erfolgt über die negativen Feedback-Signalkaskade. Sexualsteroide wirken dabei am
GnRH-Pulsgenerator dämpfend auf die Frequenz und Amplitude der GnRH-Pulse. Demzufolge wird davon ausgegangen, dass
bei erniedrigtem Serum-Testosteronspiegel das antegrade Signal verstärkt wird.
Damit übereinstimmend wurde in der europäischen Aging-Male-Studie wie zuvor in der MMAS
ein Anstieg der basalen LH-Konzentration mit zunehmendem Alter bei erniedrigten Testosteronspiegeln beobachtet
[8].
Die differente Regulierung der LH-Sekretion auf der HHT-Achse durch Testosteron und Estradiol wurde anhand von
Hormonbestimmungen unter Verwendung eines Ablations- und Substitutionsmodells an gesunden Männern und Patienten mit
einem idiopathischen hypogonadotropen Hypogonadismus untersucht [9]. Testosteron hat direkte hypothalamische Effekte
und muss zur Wirkung an der Hypophyse in Estradiol umgewandelt werden (Abb). Zugleich wurde bestätigt, dass die
Estradiol-Effekte am Hypothalamus im Wesentlichen über peripher und nicht zentral gebildetes Estradiol
zustande kommen.
Literatur:
[1] Araujo AB, Wittert GA, 2011. Endocrinology of the aging male. Best Pract Res Clin Endocrinol Metab 25:303-319.
[2] Harman SM, Metter EJ, Tobin JD, et al. 2001.
Longitudinal effects of aging on serum total and free testosterone levels in healthy men. Baltimore Longitudinal Study of Aging.
J Clin Endocrinol Metab 86:724-731.
[3] Sartorius G, Spasevska S, Idan A, et al. 2012.
Serum testosterone, dihydrotestosterone and estradiol concentrations in older men self-reporting very good health.
Clin Endocrinol 77:755-763.
[4] Wu FCW, Tajar A, Beynon JM, et al. 2010.
Identification of late-onset hypogonadism in middle-aged and elderly men. N Engl J Med 363:123-135.
[5] Araujo AB, O´Donnell AB, Brambilla DJ, et al. 2004. Prevalence and incidence of androgen deficiency in
middle-aged and elderly men: estimates from the Massachusetts Male Aging Study. J Clin Endocrinol Metab 89:5920-5926.
[6] Araujo AB, Esche GR, Kupelian V, et al. 2007.
Prevalence of symptomatic androgen deficiency in men. J Clin Endocrinol Metab 92:4241-4247.
[7] Orwoll E, Lambert LC, Marshall LM, et al. 2006. Testosterone and estradiol among older men.
J Clin Endocrinol Metab 91:1336-1344.
[8] Wu FC, Tajar A, Pye SR, et al. 2008.
Hypothalamic-pitutary-testicular axis disruptions in older men are differently linked to age and modifiable risk factors:
the European Male Aging Study. J Clin Endocrinol Metab 93:2737-2745.
[9] Pitteloud N, Dwyer A, DeCruz S, et al. 2008.
Inhibition of luteinizing hormone secretion by testosterone in men requires aromatization for its pitutary but not its
hypothalamic effects: evidence from the tandem study of normal and gonadotropin-releasing hormone-deficient men.
J Clin Endocrinol Metab 93:784-791.