Diabetes mellitus – insbesondere als Typ 2 und in Verbindung mit dem metabolischen Syndrom – stellt in zunehmendem Maße auch
für den Urologen ein Problem dar. Die Zahl der Patienten mit Störungen des Glukose- und Insulinstoffwechsels, bei denen zugleich
eine erektile Dysfunktion besteht, die unter den Symptomen eines Hypogonadismus leiden, oder bei denen weitere urologische
Komplikationen auftreten, steigt ständig. Insulinresistenz ist ein wesentliches Merkmal des Diabetes mellitus Typ 2. Sie geht
dem manifesten Diabetes vielfach um Jahre voraus und hat ihre Ursachen vor allem in Übergewicht und Bewegungsmangel. Andererseits
steht Adipositas – insbesondere viszerale Adipositas – bei Männern signifikant in Verbindung mit einem niedrigen Serum-Testosteronspiegel
und Insulinresistenz. Die damit verbundene inverse Beziehung zwischen Testosteron und Insulinresistenz wird höchstwahrscheinlich
durch das Körperfett vermittelt. Bei einer Veränderung der Körperzusammensetzung in Verbindung mit einer Gewichtsreduktion können
die Insulinresistenz und die Blutzuckerkontrolle positiv beeinflusst werden. Bei hypogonadalen Patienten ist der Testosteronausgleich
hierfür unabdingbare Voraussetzung.
Tchernof et al. (1995) fanden Indizien dafür, dass bei Männern die Beziehung zwischen Androgenspiegeln und plasmatischen Indices der
Glukose-
Im Gegensatz zur Insulinresistenz scheint beim Diabetes ein direkter Zusammenhang mit niedrigen Spiegeln an Testosteron zu bestehen.
Svartberg et al. (2004) bestimmten im Rahmen der Tromsø-Studie bei 1 419 Männern die Spiegel an Gesamttestosteron und SHBG im Serum sowie
die Konzentration an glykosyliertem Hämoglobin (HbA1C). Hierbei ergab sich zwar eine signifikante Korrelation zwischen einer erhöhten
Konzentration an HbA1C wie auch dem Vorliegen eines Diabetes und niedrigen Spiegeln sowohl an Testosteron als auch an SHBG, doch dieser
Zusammenhang war unabhängig von den Kovariaten Adipositas und Körperfettverteilung [5].
In einer aktuellen australischen Studie hatten 43% der Männer mit einem Diabetes mellitus Typ 2 einen Spiegel an Gesamttestosteron unter 10 nmol/l und 57% einen Spiegel an berechnetem freien Testosteron unter 0,23 nmol/l. Bei Männern mit einem Diabetes mellitus Typ 1 waren 20% anhand ihrer Spiegel an freiem Testosteron als hypogonadal einzustufen. Alterskorrigiert entspricht das etwa der Rate bei Typ-2-Diabetikern. Bei beiden Formen von Diabetes mellitus waren die Spiegel an freiem Testosteron unabhängig mit der Insulinresistenz – berechnet nach der Formel für das Homeostatic Model Assessment for Insulin Resistance (HOMA-IR) – korreliert. Bei Typ-2-Diabetikern traf das auch für Gesamttestosteron zu [7].
In derselben Studie wurde bei einer Untergruppe der Typ-2-Diabetiker auch gezeigt, dass sich der Testosteronspiegel innerhalb
eines halben Jahres erhöht, wenn sich durch therapeutische Intervention und/oder einen veränderten Lebensstil die Insulinresistenz
bessert.
In einer Querschnittsstudie mit 355 Typ-2-Diabetikern wiesen 17 % der Männer einen Spiegel an Gesamttestosteron <8 nmol/l auf und litten an
typischen Symptomen eines Testosteronmangels. Als grenzwertig hypogonadal wurden Patienten eingestuft, wenn Symptome bei einem Spiegel an
Gesamttestosteron zwischen 8 und 12 nmol/l auftraten. Der Anteil der Typ-2-Diabetiker mit niedrigen Testosteronspiegeln in verschiedenen
Altersdekaden war zwar ziemlich konstant (Abb. 1), doch mit zunehmendem Alter stellte sich vermehrt ein manifester Hypogonadismus ein (Abb. 2) [8]
.
![]() |
![]() |
Abb. 1: Anteil der Typ-2-Diabetiker mit niedrigem(<8 nmol/l) und grenzwertig niedrigem (8 – 12 nmol/l) Gesamttestosteronspiegel (TT) nach Altersdekaden (Kapoor D, et al. 2007). | Abb. 1: Anteil der Typ-2-Diabetiker mit niedrigem (< 8 nmol/l) und grenzwertig niedrigem (8 – 12 nmol/l) Gesamttestosteronspiegel (TT) bei denen Symptome eines Testosteronmangels auftraten nach Altersdekaden (Kapoor D, et al. 2007). |
Trotz der erstaunlichen Behandlungserfolge bei ED mit modernen Phosphodiesterase-5 (PDE5)-Inhibitoren gelten Diabetiker mit ED nach wie vor als Problempatienten. Bei Männern mit ungeklärter, schwer therapierbarer ED ergibt sich unter Umständen der Verdacht auf einen bislang nicht diagnostizierten Diabetes mellitus.
Die Untersuchungsergebnisse bei Diabetikern deuten überwiegend darauf hin, dass durch die Degeneration nitrerger Nerven im Penis die NO-vermittelte
Relaxation der kavernösen glatten Muskelzellen verhindert wird. Noch nicht geklärt ist, ob Mikroangiopathien die erektile Funktion direkt oder über
die Verursachung von Neuropathien beeinträchtigen.
In einer Placebo-kontrollierten Crossover-Studie ermittelten Kapoor D, et al. (2006), dass es durch Testosteronausgleich bei
hypogonadalen Typ-2-Diabetikern zu verminderter Insulinresistenz (gemessen anhand des Surrogat-Parameters HOMA) und niedrigeren
Blutzuckerwerten kommt. Zugleich wurden verringerte Spiegel an Gesamtcholesterin gemessen und die Abnahme viszeralen Fettgewebes
anhand der Abnahme des Bauchumfanges registriert. Insgesamt kann somit von einer Reduktion des kardiovaskulären Risikos ausgeganden
werden [12].
Basu et al. (2007) behandelten ältere Männer mit relativem Testosteronmangel zwei Jahre lang mit einem Testosteronpflaster (5 mg/d)
und fanden trotz Anhebung des Testosteronspiegels in den physiologischen Bereich keine Verbesserung der Glukosetoleranz oder
Veränderungen der Insulinsekretion, der Insulinwirkung, der Glukoseeffektivität, der hepatischen Insulinclearance und des postprandialen
Glukosemetabolismus [13].
In einer Praxisstudie registrierte Heufelder A (2009) bei Typ-2-Diabetikern mit niedrigem freiem Testosteron Verbesserungen der
Blutzucker- und Cholesterinwerte sowie eine niedrigere Konzentration an glykosyliertem Hämoglobin aufgrund von verhaltenstherapeutischen
Maßnahmen allein, die aber deutlich stärker ausgeprägt waren, wenn die Lebensstiländerung durch einen Testosteronausgleich begleitet wurde.
Der Münchener Endokrinologe kommt zu dem Schluss, dass die Kombination einer adäquaten Ernährungsweise, körperlicher Betätigung und
Widerstands-
© 2003-2023 pro-anima medizin medien
–
impressum
–
mediadaten
–
konzeption
–
datenschutz