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Verordnung von testosteronhaltigen Arzneimitteln in Deutschland
Testosteronhaltige Arzneimittel sind zur Behandlung des männlichen Hypogonadismus
mit klinischen Symptomen und labortechnisch mehrfach bestätigtem Testosteronmangel
zugelassen. Einige Präparate sind zudem zur Behandlung der chronischen Form der
aplastischen Anämie, eines übermäßigen Längenwachstums und der Pubertas tarda zugelassen.
Das Verordnungsvolumen von testosteronhaltigen Arzneimitteln ist in Deutschland zwischen 2005 und 2023 um 415 Prozent
angestiegen. Da es nicht plausibel erscheint, dass sich die Prävalenz der zugrunde
liegenden Indikationen in diesem Ausmaß geändert hat, liegt der Verdacht nahe, dass der
starke Anstieg in Teilen auf einen nicht bestimmungsgemäßen Gebrauch zurückzuführen
sein könnte. In diesen Kontext war das hier vorgestellte Projekt eingebettet: Übergeordnetes Ziel war es,
die Verordnung von testosteronhaltigen Arzneimitteln in Deutschland
insgesamt und im Zeitverlauf näher zu charakterisieren. Als Datenbasis dienten Abrechnungsdaten gesetzlicher
Krankenkassen.
Als Grundlage dienten Daten der sog. pharmakoepidemiologischen Forschungsdatenbank GePaRD
(German Pharmacoepidemiological Research Database). GePaRD enthält Abrechnungsdaten von vier
gesetzlichen Krankenkassen in Deutschland und umfasst Informationen von derzeit ca. 25 Millionen
Personen, die seit 2004 oder danach bei einer der teilnehmenden Krankenkassen versichert waren.
VERORDNUNGSPRÄVALENZ VON TESTOSTERONHALTIGEN ARZNEIMITTELN
Zwischen 2009 und 2021 stieg die Prävalenz
der Verordnungen testosteronhaltiger Arzneimittel für Jungen/Männer in allen Altersgruppen an:
Bei den 30- bis 39-Jährigen war der Anstieg mit 38 Prozent am geringsten und bei den 20- bis 29-Jährigen
mit 118 Prozent am höchsten. Die altersstandardisierte Prävalenz pro 1.000 Jungen/Männer
stieg zwischen 2009 und 2021 um 50 Prozent.
Die Prävalenz für intramuskuläre Präparate war im Jahr 2009 höher als
für transdermale Präparate; bis zum Jahr 2021 stiegen die Verordnungen für transdermale Präparate an und
erreichten ein ähnliches Niveau wie intramuskuläre Präparate.
REGIONALE VERTEILUNG DER VERORDNUNG TESTOSTERONHALTIGER ARZNEIMITTEL
Die regionale Analyse für 2021 ergab erhebliche Unterschiede:
In dem Kreis mit dem höchsten Verordnungsvolumen
lag die altersstandardisierte tägliche Dosis bei 5,537 pro 1.000, im Kreis mit der niedrigsten nur bei 0,642.
Die höchste Rate war damit neunmal höher als die niedrigste. Hohe Werte zeigten sich unter anderem in
Halle (Saale), Rosenheim, Nordfriesland, Soest und Wolfsburg.
Insgesamt wurden im Beobachtungszeitraum 54.567 Neunutzer identifiziert. Am häufigsten stellten Urologen
die Erstverordnungen aus, ihr Anteil stieg von 55 % im Jahr 2009 auf 67 % im Jahr 2021.
Über alle Altersgruppen hinweg hatten Hausärzte den zweitgrößten Anteil der Erstverordnungen testosteronhaltiger Arzneimittel.
FAZIT
Die Studie bietet erstmalig einen umfassenden Einblick in die Verordnung von testosteronhaltigen
Arzneimitteln zulasten gesetzlicher Krankenkassen in Deutschland. Zwischen 2009 und
2021 ist die altersstandardisierte Verordnungsprävalenz pro
1.000 Jungen/Männer in Deutschland um 50 Prozent gestiegen. Ähnliche Anstiege wurden
in einigen anderen Ländern beobachtet und führten zu Diskussionen, dass es sich zum
Teil um einen nicht bestimmungsgemäßen Gebrauch handeln könnte, beispielsweise für den
Muskelaufbau im (Leistungs-) Sport oder bei altersbedingtem Libidoverlust. Ob sich dieser
Verdacht für Deutschland bestätigt, lässt sich aus dieser Studie zwar nicht direkt beantworten,
aber es zeigten sich – neben dem starken Anstieg der Verordnungsprävalenz insgesamt – weitere
Auffälligkeiten, die in diese Richtung deuten könnten.
So war der Anstieg bei den 20- bis
29-Jährigen am höchsten und gleichzeitig stieg in dieser Altersgruppe der Anteil der Hausärzte
und -ärztinnen als Erstverordner an. Über alle Altersgruppen hinweg fand sich bei etwa einem
Drittel der Jungen/Männer mit einer Erstverordnung keine Diagnose in den Abrechnungsdaten, die
auf eine zugelassene Indikation hinweisen könnte. Bei denjenigen mit einem Code
für Hypogonadismus erfolgten gemäß den Abrechnungsdaten nur bei etwa 60 Prozent die
erforderlichen zwei Messungen des Serum-Testosteronspiegels.
Die
verschiedenen Facetten der Studienergebnisse können dazu dienen, die Relevanz von Maßnahmen zur
Eindämmung eines möglicherweise nicht bestimmungsgemäßen Gebrauchs besser einschätzen
zu können. In manchen Ländern wurde durch eine Verschärfung der Verschreibungskriterien der
ansteigende Trend zumindest teilweise aufgehalten oder sogar umgekehrt.
Quelle: SCHÄFER W, SCHOLLE O, VIEBROCK J, HAUG U. 2025. Verordnung von testosteronhaltigen Arzneimitteln in
Deutschland. BULLETIN ZUR ARZNEIMITTELSICHERHEIT, Ausgabe 3, Setember 2025.
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