urologen-infoportal-logobar
       
Vibegron: Eine neue Behandlungsoption bei überaktiver Blase

Eine überaktive Blase kann insbesondere bei älteren Menschen die Morbidität und sogar die Mortalität deutlich erhöhen: Mögliche Folgen sind Stürze mit Frakturen, Depression und Suizid [1]. Eine neue Therapieoption für erwachsene Patienten steht seit Oktober 2024 ein hochselektiver ß3-Agonist zur symptomatischen Behandlung der überaktiven Blase (OAB-Syndrom) zur Verfügung [2]. Im Rahmen des diesjährigen Kontinenzkongresses diskutierten Prof. Dr. Martin C. Michel, Mainz, und Prof. Dr. Matthias Oelke, Spital Thurgau, den Wirkmechanismus von Vibegron (Obgemsa™) sowie Ergebnisse der Phase-III-Studie EMPOWUR [3,4]. So wurde zu Woche 52 unter Vibegron bei 41% der Patienten eine komplette Abwesenheit von Dranginkontinenz-Episoden beobachtet, eine Reduktion um mindestens 75% wurde bei 61% der Teilnehmenden erreicht [3].

Eine Studie aus dem Jahr 2003 zeigte über alle Altersgruppen bei Frauen eine Inzidenz der überaktiven Blase von 16,9%, bei Männern betrug sie 16,0% [5]. „Das zeigt, dass beide Geschlechter etwa gleich häufig betroffen sind, bei Frauen geht die überaktive Blase jedoch häufiger mit Inkontinenz einher als bei Männern [5]“, betonte Prof. Oelke. „Im Alter von 65 Jahren sind etwa 25% der Menschen betroffen [5], die überaktive Blase ist demnach eine sehr häufige Erkrankung“, so der Experte. Leitsymptome sind plötzlich eintretender, nicht unterdrückbarer Drang zur Blasenentleerung unabhängig vom Füllungszustand der Harnblase, Pollakisurie mit mindestens 8 Miktionen pro Tag, Nykturie mit mindestens 2 Miktionen in der Nacht sowie eventuell Harninkontinenz mit Harndrang [6]. Darüber hinaus leiden vor allem ältere Betroffene unter einer erhöhten Morbidität und Mortalität. Demnach geht eine überaktive Blase häufig mit sozialer Isolation, Reduktion von Schlaf und Schlafqualität, Stürzen und Frakturen, einer Zunahme der Gebrechlichkeit, Einweisungen ins Pflegeheim, Depression und Suizid und schließlich Tod einher [1].

Vibegron ist ein hochselektiver ß3-Agonist zur symptomatischen Behandlung der überaktiven Blase (OAB-Syndrom) bei Erwachsenen [2]. ß3-Agonisten relaxieren den glatten Detrusormuskel im Gegensatz zu Antimuskarinika gegen alle kontraktilen Stimuli. Die Wirksamkeit ist jedoch gegen pathophysiologische Stimuli stärker ausgeprägt als gegen physiologische Stimuli [7]. „Das bedeutet, dass dieser Wirkmechanismus gleichzeitig vor Harnverhalt schützt [7]“, erklärte Prof. Michel.

Phase-III-Studie EMPOWUR: Überlegenes Sicherheitsprofil und gute Therapietreue

Grundlage für die Zulassung von Obgemsa™ waren u.a. Ergebnisse der doppelblinden Phase-III-Studie EMPOWUR [4]. Dabei wurden insgesamt 1.518 Erwachsene mit einer überaktiven Blase und 8 oder mehr Miktionen pro Tag eingeschlossen. 77,9% der Teilnehmer litten unter einer nassen überaktiven Blase, 22,1% wiesen eine trockene überaktive Blase auf [4,a]. Die Randomisierung erfolgte 5:5:4 auf Vibegron 75 mg, Placebo bzw. Tolterodin 4 mg mit verzögerter Freisetzung (aktive Kontrolle). Die Ergebnisse zeigten zu Woche 12 eine Wirksamkeit von Vibegron auf die Kernsymptome der überaktiven Blase: So wurde eine Abnahme der Miktionen um durchschnittlich 1,8 unter Vibegron beobachtet (p <0,001 vs. Placebo, co-primärer Endpunkt), um 1,3 unter Placebo und um 1,6 unter Tolterodin (p=0,0988 vs. Placebo). Dranginkontinenz-Episoden sanken unter Vibegron um durchschnittlich 2,0 (p <0,0001 vs. Placebo, co-primärer Endpunkt), um 1,4 unter Placebo und 1,8 unter Tolterodin (p=0,0123 vs. Placebo) [4]. Darüber hinaus wurde bei 41% der Patienten unter Vibegron zu Woche 52 eine komplette Abwesenheit von Dranginkontinenz-Episoden erreicht, eine Reduktion um mindestens 75% bei wurde bei 61% der Teilnehmenden beobachtet [3].

Das kardiovaskuläre Risiko erwies sich dabei als günstig: Kardiovaskulär-assoziierte unerwünschte Ereignisse betrafen zu Woche 12 <2% der Teilnehmer und wurden damit vergleichbar häufig beobachtet wie unter Placebo. Das Gesamtsicherheitsprofil von Vibegron entsprach ebenfalls Placebo-Niveau. Schwerwiegende unerwünschte Nebenwirkungen wurden bei 1,5% der Patienten unter Vibegron beobachtet vs. 1,1% unter Placebo. Gleichzeitig war die Therapietreue hoch: Die Therapieabbruchrate aufgrund von unerwünschten Arzneimittelwirkungen unter Vibegron lag bei < 2 % [4].

Verbesserung der Lebensqualität und höchste Therapie-Persistenz mit Vibegron

In einer weiteren Auswertung der Studie EMPOWUR zeigte sich darüber hinaus unter Obgemsa™ einen Anstieg der gesundheitsbezogenen Lebensqualität sowie eine Abnahme der Symptombelastung [8]. Zu Woche 12 wurde unter Vibegron eine Verbesserung der gesundheitsbezogenen Lebensqualität um 14,6 Punkte vs. Baseline (p <0,001 vs. Placebo) beobachtet, während sie unter Placebo 10,8 Punkten und unter Tolterodin 13,7 Punkte (p >0,05 vs. Placebo) betrug [8]. Obgemsa™ erwies sich auch bei der Abnahme der Symptombelastung als überlegen: Während sie unter Obgemsa™ um 19,6 Punkte vs. Baseline sank (p <0,001 vs. Placebo), wurde unter Placebo eine Reduktion um 12,8 Punkte und unter Tolterodin um 17,4 Punkte (p <0,001 vs. Placebo) erfasst [8]. In Real-World-Studien zeigte Obgemsa™ zudem im Vergleich zu Anticholinergika bzw. Mirabegron eine signifikant überlegene mediane Therapie-Persistenz: Während sie unter Obgemsa™ bei 172 Tagen lag, betrug sie unter Anticholinergika 91 Tagen (p <0,001) bzw. 171 Tage vs. 128 Tage unter Mirabegron (p <0,001) [9].

Keine Dosisanpassung bei Vorbelastungen und einfache Einnahme

Ergebnisse der Studie AMBULATORY zeigten überdies keinen klinisch relevanten oder statistisch signifikanten Einfluss auf Blutdruck oder Herzfrequenz [10]. Bei kardiovaskulären Vorerkrankungen wie Hypertonie, erhöhter Herzfrequenz, leichter, mittlerer oder schwerer Nierenfunktionsstörung (15 ml/min < GFR < 90 ml/min und nicht dialysepflichtig) sowie leichter bis mittelschwerer Leberfunktionsstörung (Child-Pugh A und B) ist bei ObgemsaTM als erstem und einzigem ß3-Agonist keine Dosisanpassung nötig [2,10]. Eine Co-Medikation mit starken und moderaten CYP3A-Inhibitoren / -Induktoren sowie P-gp-Inhibitoren / -Induktoren ist überdies möglich. CYP2D6-Interaktionen bestehen ebenfalls nicht. Obgemsa™ wird als Einheitsdosis eingenommen. Die Tablette ist zudem mörserbar und sollte danach unverzüglich mit etwas Nahrung und einem Glas Wasser eingenommen werden [2].

Quelle: Pierre Fabre



Referenzen:
[a] Die Kriterien einer trockenen ÜAB waren u.a. ≥8 Miktionen, ≥3 Drangepisoden und <1 UUI-Episoden pro Tag; die Kriterien der nassen ÜAB waren u.a. durchschnittlich ≥8 Miktionen und ≥1,0 UUI-Episoden pro Tag. ÜAB = überaktive Blase; SE = Standardfehler; UUI = Dranginkontinenz

[1] Symposium „neue Behandlungsoptionen bei überaktiver Blase“, 35. Kontinenzkongress, Essen 2024.
[2] Fachinformation Obgemsa, 06/24.
[3] Staskin D et al. Once-Daily Vibegron 75 mg for Overactive Bladder: Long-Term Safety and Efficacy from a Double-Blind Extension Study of the International Phase 3 Trial (EMPOWUR). J Urol. 2021 May;205(5):1421-1429.
[4] Staskin D et al. International Phase III, Randomized, Double-Blind, Placebo and Active Controlled Study to Evaluate the Safety and Efficacy of Vibegron in Patients with Symptoms of Overactive Bladder: EMPOWUR. J Urol. 2020 Aug;204(2):316-324.
[5] Stewart WF et al. Prevalence and burden of overactive bladder in the United States. World J Urol. 2003 May;20(6):327-36.[6] Abrams P et al. The standardisation of terminology of lower urinary tract function: report from the Standardisation Sub-committee of the International Continence Society. Neurourol Urodyn. 2002;21(2):167-78.
[7] Cernecka H et al. The odd sibling: features of ß3-adrenoceptor pharmacology. Mol Pharmacol. 2014 Nov;86(5):479-84.
[8] Frankel J et al. Vibegron improves quality-of-life measures in patients with overactive bladder: Patient-reported outcomes from the EMPOWUR study. Int J Clin Pract.2021 May;75(5):e13937.
[9] Chastek B et al. Comparative analysis of real-world adherence and persistence patterns with vibegron, mirabegron, and anticholinergics in patients with overactive bladder: A retrospective claims study. Neurourol Urodyn. 2024 May 8.
[10] Weber MA et al. Effects of vibegron on ambulatory blood pressure in patients with overactive bladder: results from a double-blind, placebo controlled trial. Blood Pressure Monitoring 2022;27(2):128-134.

Januar 2025

Aktuelle Ausgabe            Vorschau Archiv
 

 

 

 

 
fusszeile

 
       © 2003-2025 pro-anima medizin medien   –   impressum   –   mediadaten   –   konzeption
  –   datenschutz