Prof. Dr. Michael Zitzmann, Münster, erinnerte zu Beginn der Veranstaltung zunächst an die diagnostischen Kriterien eines
symptomatischen Testosteronmangels (männlicher Hypogonadismus): Der Testosteronspiegel des Patienten sollte
konstant erniedrigt sein (gemäß der aktuellen Leitlinie der European Association of Urology (EAU) [2]:
Gesamttestosteron <12 nmol/l oder freies Testosteron <220 pmol/l). Zudem müssen zur Indikationsstellung einer TTh persistierende
Symptome bzw. Anzeichen eines Testosteronmangels bestehen, z.B. Libidoverlust, sexuelle Funktionsstörungen,
Abnahme der Muskelmasse, viszerales Übergewicht, Antriebslosigkeit oder depressive Verstimmung.
Außerdem kann aufgrund der reduzierten Blutbildung auch eine Anämie Folge eines Testosteronmangels sein.
Transdermale TTh erhöht nicht das Risiko für schwere kardiovaskuläre Ereignisse
Dass ein erniedrigter Testosteronspiegel darüber hinaus aber auch mit „harten“ negativen
Endpunkten assoziiert ist, demonstrierte Zitzmann anhand der Ergebnisse einer kürzlich
publizierten Metaanalyse [3]: Eingeschlossen in die Untersuchung wurden über 24.000 Männer
(insgesamt über 255.000 Patientenjahre), und es zeigte sich, dass sowohl ein erhöhter
als auch ein erniedrigter Testosteronspiegel die Gesamtmortalität und kardiovaskuläre
Mortalität erhöhte. Ziel einer Testosterontherapie sollte daher sein, so Zitzmann, den Testosteronspiegel
in den Normbereich anzuheben, so wie es z.B. auch in der aktuellen EAU-Leitlinie
formuliert ist [2]. Dass eine transdermale Testosterontherapie (TTh) die Inzidenz
kardiovaskulärer Ereignisse innerhalb eines Jahres nicht erhöht, konnten bereits 2018 die
sogenannten „T-Trials“ (Testosterone Trials) zeigen. In diese waren 788 Männer ≥65 Jahre
mit funktionellem Hypogonadismus eingeschlossen [4]. Bestätigt wurde dieses Ergebnis durch
die in 2023 publizierte TRAVERSE-Studie [5]: Bei hypogonadalen Männern zwischen 45 und
80 Jahren mit einem vorbestehenden bzw. hohen Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen
war das Risiko für schwere kardiovaskuläre Ereignisse (Tod durch kardiovaskuläres Ereignis,
nicht-tödlicher Myokardinfarkt oder nicht-tödlicher Apoplex = MACE*) unter einer
transdermalen TTh (Testogel® Dosiergel 16,2 mg/g+) vergleichbar mit Placebo [5]. Darüber
hinaus wurde in einer Substudie von TRAVERSE gezeigt, dass eine vorbestehende Anämie,
die bei hypogonadalen Patienten häufiger vorkommt, durch eine TTh korrigiert bzw. das
Neuauftreten einer Anämie verhindert werden kann [6].
Testosteron birgt in Bezug auf die Prostata kein erhöhtes Risiko
Mit der Prostatasicherheit der TTh beschäftigte sich Dr. med. Christian Leiber-Caspers,
Krefeld, designierter DGA-Tagungspräsident 2026. Die Annahme bzw. der immer noch verbreitete
Glaube, dass Testosteron generell ein Risiko für das Entstehen eines Prostatakarzinoms
(PCa) darstellt, verwies Leiber-Caspers ins Reich der Mythen. Heute geht man vom
sogenannten „Sättigungs-Konzept“ (Saturation Model) [7] aus, das besagt, dass nur Testosteronspiegel-
Veränderungen nahe der Kastrationsschwelle einen signifikanten Effekt auf
ein mögliches PCa-Wachstum haben, und dass normale endogene Testosteronspiegel für
eine nahezu maximale Stimulation eines PCa ausreichend sind. Dieses Sättigungs-Konzept
wurde in zahlreichen Studien bestätigt.
Die bereits erwähnte TRAVERSE-Studie [5] beschäftigte sich in einer Subgruppenauswertung
ebenfalls mit der Prostatasicherheit der TTh [8].
5.203 hypogonadale Männer zwischen 45
und 80 Jahre erhielten für durchschnittlich 21,7 Monate ein Testosteron- oder Placebo-Gel
und wurden für insgesamt 33,0 Monate nachuntersucht. Dabei zeigte sich weder für den
primären Endpunkt (diagnostiziertes hochgradiges PCa) noch für die sekundären Endpunkte
(alle Arten von PCa, akuter Harnverhalt, invasive Eingriffe an der Prostata wegen
BPH, Prostata-Biopsien, neu begonnene LUTS-Medikation) signifikante Unterschiede zwischen
der TTh- und Placebo-Gruppe. Anders gesagt: Die TTh erhöhte nicht das Risiko für
negative Prostata-Ereignisse. Hinsichtlich der Notwendigkeit neuer LUTS-Medikamente
waren die Gruppen ebenfalls vergleichbar (LUTS: Lower Urinary Tract Symptoms) [8]. Diese
Ergebnisse schlagen sich auch in der aktuellen S3-Leitlinie zum PCa nieder: „Bei hypogonadalen
Patienten ohne klinisch erkennbares Prostatakarzinom kann Testosteron substituiert
werden. Bisher wurde ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung eines Prostatakarzinoms
nicht nachgewiesen [9].“ In der aktuellen Leitlinie zum PCa der European Association of Urology
(EAU) findet sich die Klarstellung: „Hypogonadale Männer, die eine TTh erhalten, weisen
kein erhöhtes Risiko auf, ein PCa zu entwickeln [10].“
Leiber-Caspers fasste zusammen: Unter Beachtung der definierten absoluten und relativen
Kontraindikationen stellt eine TTh kein Risiko für die Prostata dar. Die leitliniengerechte
TTh hat keinen negativen Effekt bei Männern mit einer BPH und klinischen Beschwerden (LUTS).
Nach einer kurativen Behandlung eines PCa können Männer mit deutlichen hypogonadalen
Beschwerden eine TTh erhalten.
Quellen:
[1]
Symposium „Zusatznutzen und Sicherheit der Testosterontherapie“ am 15.11.2024, im Rahmen der 36.
Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Andrologie, 14. bis 16.11.2024, Köln
[2]
Salonia A, et al. EAU Guidelines on Sexual and Reproductive Health 2024. European Association of Urology
2024. Online unter:
https://uroweb.org/guidelines/sexual-and-reproductive-health/. Letzter Zugriff: 22.11.2024.
[3]
Yeap BB, et al. Associations of Testosterone and Related Hormones With All-Cause and Cardiovascular
Mortality and Incident Cardiovascular Disease in Men: Individual Participant Data Meta-analyses. Ann
Intern Med 2024; 177: 768-781.
[4]
Snyder PJ, et al. Lessons From the Testosterone Trials. Endocr Rev 2018; 39: 369-386.
[5]
Lincoff AM, et al. Cardiovascular safety of testosterone-replacement therapy. N Engl J Med 2023; 389:107-117.
[6]
Pencina KM, et al.
Efficacy of Testosterone Replacement Therapy in Correcting Anemia in Men With
Hypogonadism: A Randomized Clinical Trial. JAMA Netw Open 2023; 6: e2340030.
[17]
Morgentaler A, Traish AM. Shifting the paradigm of testosterone and prostate cancer: the saturation model
and the limits of androgen-dependent growth. Eur Urol. 2009; 55(2): 310-20.
[8]
Bhasin S, et al. Prostate Safety Events During Testosterone Replacement Therapy in Men With
Hypogonadism: A Randomized Clinical Trial. JAMA Netw Open 2023; 6: e2348692.
[9]
S3-Leitlinie Prostatakarzinom; Version 7.0 – Mai 2024; AWMF-Registernummer: 043/022OL. Online unter:
https://register.awmf.org/assets/guidelines/043-022OLk_S3_Prostatakarzinom_2024-06.pdf. Letzter
Zugriff: 22.11.2024
[10]
Cornford P, et al. EAU – EANM – ESTRO – ESUR – ISUP – SIOG Guidelines on Prostate Cancer. European
Association of Urology 2024. Online unter:
https://uroweb.org/guidelines/prostate-cancer. Letzter Zugriff: 22.11.2024.
36. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Andrologie, 14. bis 16.11.20424 in Köln
Dezember 2024
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