Bericht vom 77. DGU-Kongress
Nachhaltigkeit in Kliniken ist wichtig und möglich
Der Klima- und Umweltschutz ist ein wichtiges Thema auch für den Gesundheitssektor. 2021 wurde auf dem 125. Deutschen
Ärztetag die Klimaneutralität beschlossen. Die Deutsche Gesellschaft für Urologie e.V. (DGU) hat bei ihrem Jahreskongress
in diversen Sitzungen zur Nachhaltigkeit aufgerufen.
Der deutsche Gesundheitssektor verursacht 5,2% der CO2-Gesamtemissionen in Deutschland, zitierte Kongresspräsident
Prof. Dr. Bernd Wullich, Uniklinikum Erlangen, den Nachhaltigkeitsbericht der Isar Kliniken GmbH. Im Vergleich dazu
verbrauche der gesamte deutsche Rohstoffkonsum etwa 5%. Handlungsbedarf bestehe auch aufgrund des Beschlusses
des 125. Deutschen Ärztetags 2021 zur Klimaneutralität. In diesem Beschluss wird an alle Entscheidungsträger im
Gesundheitswesen appelliert, die notwendigen Maßnahmen zum Erreichen der Klimaneutralität des Gesundheitswesens
bis zum Jahr 2030 zielstrebig, konsequent und zeitnah in Angriff zu nehmen. Die Bereitschaft wäre vorhanden, bemerkte
Wullich. Eine Mitgliederbefragung der DGU zeigte, dass 83% der Befragten Nachhaltigkeit persönlich für ein wichtiges
oder sehr wichtiges Thema halten und 69% erkennen einen Stellenwert auch im Fachbereich Urologie. Allerdings
gaben nur 13% der Teilnehmenden an, in ihrem Arbeitsumfeld eine teilweise oder vollständige Umsetzung von
Nachhaltigkeit zu erleben.
Um die Umsetzung voranzutreiben wurde die AG Nachhaltigkeit und Ökonomie gegründet, die aus Klinikleitung,
Praxis und Pflege zusammengesetzt ist. Ziel der AG ist das Aufzeigen von wissenschaftlich fundierten und
praxisnahen Wegen hin zu mehr ökologischer Nachhaltigkeit. Die strukturelle Verankerung findet auch auf
Vorstandsebene statt, innerhalb des Ressorts Vernetzung von Praxis und Klinik, sowie im Pressereferat für
Öffentlichkeitsarbeit zum Thema Nachhaltigkeit. In Praxen und Kliniken sollen Perspektiven sichtbar gemacht
werden. Dafür werden Standards und Empfehlungen für nachhaltiges Handeln, Informationsmaterial, online
Schulungsangebote und Podcasts sowie Evidenzgrundlagen zu Nachhaltigkeitsmaßnahmen ausgearbeitet.
Beim DGU wurde zum Thema Nachhaltigkeit die Sitzung bessere Umwelt – bessere Gesundheit angeboten, bei
der Dr. Matthias Albrecht, Deutsche Allianz Klimawandel und Gesundheit (KLUG) e.V., zeigen konnte, dass das
Gesundheitswesen gleichzeitig Betroffene und Verursacher der Klimakrise ist. Als eines von vielen Beispielen
zeigte Albrecht, dass der Stromverbrauch für ein MRT-Gerät 134.000 kWh pro Jahr beträgt, davon etwa die Hälfte
im Standby, im Vergleich zu 3.000 kWh jährlichen Verbrauchs eines 4-Personenhaushalts. In Deutschland
werden 35,3 MRT-Geräte pro 1 Mio. Einwohner vorgehalten, im Vergleich zu 25,7 in der Schweiz und 9,2 in
Dänemark. Pro Jahr werden 158 MRT-Untersuchungen pro 1.000 Einwohner in Deutschland verglichen mit 98
in Dänemark und 89 in der Schweiz durchgeführt.
PD Dr. Susanne Koch, Charité Berlin, zeigte, dass Nachhaltigkeit auch kostensparend
sein kann. Gundersen Health in den USA investierte nach einem Energie Audit im Februar 2008 1,8 Millionen
Euro in den Aufbau regenerativer Energiegewinnung, ist mit 100% Selbstversorgung seit 2015 Energie-unabhängig
und gegen Energiekrisen resilient. Die Reduktion der laufenden Energiekosten beträgt für dieses Krankenhaus
1,1 Millionen Euro pro Jahr. Möglichkeiten zur Nachhaltigkeit gibt es auch in einzelnen Fachbereichen. Die
Anästhesiegase Desfluran und Sevofluran beispielsweise seien hoch potente Treibhausgase, erklärte Koch.
Mit der primären Nutzung von Propofol, keinem weiteren Einsatz von Desfluran und einer minimalen Nutzung
von Sevofluran sei es an der Charité gelungen, CO2-Emissionen um 90,3% zu reduzieren und gleichzeitig
die Kosten nahezu zu halbieren [1]. Einsparungen sind auch bei der Plastikflut, z.B. den Einmalhandschuhen,
möglich. Pro Operation fallen etwa 7,6-16,3 kg an Plastikmüll an, konstatierte Koch. Auf manche
Einwegmaterialien könne verzichtet werden. "Bilden Sie Grüne Teams in Ihrem Krankenhaus, nutzen
Sie erneuerbare Energien, folgen Sie Klimawissenschafler*innen und überzeugen Sie Politiker*innen
und den Vorstand", so der Aufruf von Koch.
Bericht: Dr. Ine Schmale, Westerburg
[1] Schwiethal A, et al. Anesth Analg 2025; 141: 868-875.
Quelle: 77. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Urologie e.V., 17.-20. September 2025, Hamburg