abdrologen-logobar

 

Klinefelter-Syndrom

Thromboserisiko bei Klinefelter-Patienten unter Testosteronbehandlung

Hintergrund

Das Klinefelter-Syndrom (KS), 47,XXY, kann als ein Krankheitsmodell für die Untersuchung des Thromboserisikos bei Hypogonadismus des Mannes und der damit verbundenen Testosteronbehandlung angesehen werden.



Zielsetzung
Bei Männern mit Klinefelter-Syndrom wurde in Dänemark das Ausmaß an thrombotischen Risikofaktoren, Thrombosen und Thrombose-assoziierter Mortalität in Verbindung mit Testosteronbehandlung anhand einer nationalen Kohortenstudie analysiert.


Teilnehmer und Methoden
Die in Dänemark aufgelegte nationale Register-basierte matched Kohortenstudie hatte ein Follow-up von 1995 bis 2016. Männern mit KS (1.155) wurden jeweils 100 nach Geburtsjahr und -monat angeglichene Männer des Bevölkerungsdurchschnitts zugeordnet. Erste thrombotische Ereignisse und die Thrombose-assoziierte Mortalität wurden als Eventraten und Hazard Ratios (HR) ausgewertet. Die Testosteronbehandlung wurde darauf als eine zeitabhängige Kovariable angewendet.
Ergebnisse
Studienpopulation und Inzidenz thrombotischer Ereignisse: Insgesamt 1.155 Männer mit KS wurden identifiziert und ihnen eine Vergleichskohorte mit 111.765 Personen gegenübergestellt. Das mittlere Eintrittsalter lag in beiden Gruppen knapp über 25 Jahre. Von der Mehrheit (78,8%) der Beteiligten lagen Daten für den gesamten Studienzeitraum (22 Jahre) vor. In der KS-Kohorte waren 17,0 venöse Thromboembolien (VTE-Ereignisse) pro 10.000 Personenjahre gegenüber 4,3 VTE-Ereignisse pro 10.000 Personenjahre in der Vergleichskohorte verzeichnet. Das bedeutet eine vierfach erhöhte VTE-Inzidenz bei Männern mit KS.

     
Abb.: Kaplan-Meier-Fehlerfunktion für venösen Thrombo-
embolismus.
 
In der KS-Kohorte waren 32,0 arterielle Thrombose (ATE)-Ereignisse pro 10.000 Personenjahre verzeichnet worden. In der Vergleichskohorte waren es 30,0, so dass die Inzidenz in beiden Gruppen vergleichbar war.

In der KS-Kohorte waren 12,4 und in der Vergleichskohorte 6,5 Thrombose-verursachte Todesfälle pro 10.000 Personenjahre aufgetreten. Dieser Unterschied betraf sowohl VTEs als auch ATEs. Die häufigsten diesbezüglichen Todesursachen waren jeweils Lungenembolie und Myokardinfarkt.

Testosteronbehandlung bei KS und Effekte auf Thrombose-Ergebnisse: Nur knapp die Hälfte (48,7%) der Männer mit KS hatte während des Studienzeitraums Rezepte für Testosteron eingelöst. Es bestand kein Altersunterschied bei der KS-Diagnose zwischen denen, die nie mit Testosteron behandelt worden waren und denen mit Testosterontherapie. Andererseits waren diejenigen mit Testosteronbehandlung im Durchschnitt 12 Jahre früher geboren, und ihr KS war 15 Jahre früher diagnostiziert worden. Von den Männern mit KS ohne jemalige Testosteronbehandlung lagen in 92 Fällen biochemische Analysen von Testosteron und Luteinisierungshormon (LH)-Spiegel vor. Bei 66 dieser Männer (72%) ließen die biochemischen Ergebnisse auf einen Hypogonadismus schließen. Von Patienten mit keinem deutlichen biochemischen Indiz für Hypogonadismus waren 9 jünger als 18 Jahre und 10 hatten einen Mosaik-Karyotyp.

In einem altersadjustierten Modell war Testosteronbehandlung bei Männern mit KS mit einer nicht-signifikanten Verringerung der VTE-Ereignisse assoziiert (Abb.). Die mediane Zeitdauer von der ersten Testosteronverordnung bis zum ersten VTE-Ereignis betrug 7,0 Jahre. Bei Männern mit KS, waren Laborergebnisse innerhalb von ±90 Tagen nach dem VTE-Ereignis verfügbar. In 19 Fällen (50%) erhielten fünf zum Zeitpunkt des VTE-Ereignisses eine Testosteronbehandlung. Alle hatten einen Hämatokrit und eine Hämoglobin-Konzentration innerhalb des Normalbereichs. Von sechs dieser Männer lagen Testosteronbestimmungen vor. Keiner von ihnen wies jemals während des Follow-up Konzentrationen oberhalb des Normalbereichs auf.

Im altersadjustierten Modell stand Testosteronbehandlung bei Männern mit KS zunächst im Zusammenhang mit einer nicht-signifikanten Zunahme an ATE-Ereignissen. Dies hatte keinen Bestand, wenn weitere Adjustierungen für andere verschriebene Medikationen vorgenommen wurden.

Medikationen und Komorbidität in Verbindung mit dem Thromboserisiko: Die Anwendung von Antikoagulantien, Thrombozyten-Inhibitoren, Statinen und Antihypertensiva war bei Männern mit KS gegenüber denen in der Vergleichskohorte verbreiteter. Hierdurch werden indirekt mit einem erhöhten Thromboserisiko assoziierte Komorbiditäten erkannt. Insbesondere ein Harard Ratio von 2,60 stach bei Antidiabetika hervor. Diagnosen einer Hypertonie, einer Hypercholesterinämie und insbesondere arterieller Arrhythmien, von Arteriosklerose, Angina pectoris und Diabetes waren bei den Männern mit KS häufiger.

Unter allen Fällen von VTE hatten 23,7% der Männer mit KS und 9,2% der Männer in der Vergleichskohorte vorbestehenden Diabetes (p=0,008). Kein solcher Unterschied zeigte sich bei den Inzidenzen an Hypertonie, Hypercholesterinämie, Arteriosklerose, Angina pectoris oder frühere ATE als prädisponierendem VTE-Risikofaktor. Eine Analyse, in die nur die Teilnehmer mit Diabetes eingeschlossen waren, ergab ein HR an VTE-Raten zwischen Männern mit KS und Kontrollen von 4,17.

Für ATE prädisponierende Risikofaktoren waren bei Männern mit KS häufiger als bei denen der Vergleichskohorte. Dazu gehörten Diabetes (33,8% vs. 14,8%), Hypertonie (71,8% vs. 51,3%) und vorausgegangene VTE (7,0% vs. 1,0%) (jeweils p ≥0,001).


Kernaussagen
❏ Thrombosen und Thrombose-bedingte Todesfälle treten bei Männern mit Klinefelter-Syndrom gegenüber der Durchschnittsbevölkerung vermehrt auf.

❏ Nur die Hälfte der Männer mit Klinefelter-Syndrom hatte jemals eine Behandlung mit Testosteron erfahren, obwohl es bei Nichtbehandlung zu einem manifesten Hypogonadismus kommt.

❏ Männer mit KS hatten bei Testosteronbehandlung ein trendmäßig verringertes Thromboserisiko.    

Literatur:
Chang S, Christiansen CF, Bojesen A, et al. 2019. Klinefelter syndrome and testosterone treatment: a national cohort study on thrombosis risk. Endocr Connect pii: EC-19-0433.R1.

Januar 2020 Druckversion jfs
fusszeile1

 
       © 2003-2024 pro-anima medizin medien   –   impressum   –   mediadaten   –   konzeption
  –   datenschutz