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Testosteronausgleichstherapie bei älteren Männern mit Anämie

Hintergrund

Im Alter kommt es bei etwa jeder zehnten Person zu Anämie, wobei Männer trendmäßig häufiger betroffen sind als Frauen. Häufig liegen dem Eisenmangel, unzureichende Vitamin-B12-Versorgung, chronische Entzündungskrankheiten, chronische Niereninsuffizienz und Myelodysplasien zugrunde. Andererseits lässt sich bei etwa jedem dritten Patienten keine Ursache ermitteln. Da bei älteren Männer häufig auch ein Testosteronmangel vorliegt, wird dieser als mögliche Ursache ungeklärter Anämien in Betracht gezogen, zumal Testosteronausgleich bei hypogonadalen Männern mit einem Anstieg des Hämoglobinspiegels einhergeht. Bislang wurde dieser Testosteroneffekt aber noch nicht bei Männern mit Anämie kontrolliert untersucht. Ganz und gar Fehlanzeige sind Erkenntnisse zu Testosteroneffekten bei Männern mit Anämie ungeklärter Ursache.

Zielsetzung
In einer kontrollierten klinischen Prüfung sollte geklärt werden, ob sich bei Männern mit zweifelsfrei niedrigem Gesamttestosteronspiegel und nicht geklärter Anämie im Alter von 65 Jahren oder darüber die Hämoglobinkonzentration unter einer Testosteronausgleichstherapie erhöht (Roy et al. 2017):

Teilnehmer und Methoden
Die doppelblinde, Placebo-kontrollierte Anämie-Studie ist Teil einer Serie von sieben miteinander abgestimmten klinischen Prüfungen (The T-Trials) zur Effizienz der Testosteronbehandlung von älteren Männern mit niedrigen Testosteronspiegeln. Von insgesamt 788 für die T-Trials rekrutierten Männern waren 126 zu Baseline mit einem Hämoglobinspiegel zwischen 10,0 g/dl und 12,7 g/dl leicht anämisch und bildeten das Studienkollektiv in der Anämie-Studie. In 8 Fällen war Myelodysplasie, in 42 Fällen Eisenmangel, in 10 Fällen eine chronische Entzündung und in einem Fall Plasmazelldyskrasie die Ursache. Bei den restlichen 62 Männern lag eine ungeklärte Anämie vor.

Als Intervention wurden die Testosteronspiegel mit Testosteron-Gel auf einen für junge Männer normalen Wert eingestellt und 12 Monate aufrechterhalten. Die Kontrollgruppe erhielt entsprechend ein Placebo-Gel.

Ergebnisse
In der Testosterongruppe war der prozentuale Anteil der Männer mit ungeklärter Anämie, die gegenüber dem Baseline-Wert eine 1,0 g/dl Erhöhung der Hämoglobinkonzentration erfuhren, größer als in der Placebo-Gruppe (primärer Studienendpunkt; Abb. A, p=0,002). Nach 12 Monaten war das Verhältnis 54% zu 15%. Ganz ähnliche Effekte wurden bei den Männern mit bekannter Anämieursache (p=0,003) und bei den Männern ohne Anämie (p=0,001) registriert.

In der kontinuierlichen Analyse erhöhte sich die Hämoglobinkonzentration bei den mit Testosteron behandelten Männern ohne Kenntnis der Anämieursache im 12-monatigen Studienzeitraum deutlich, während sie in der Placebo-Gruppe nahezu unverändert blieb (sekundärer Studienendpunkt; Abb. B, p=0,02). Bei den Männern mit unbekannter Ursache der Anämie und bei den nicht anämischen wurden ebenfalls signifikante Erhöhungen der Hämoglobinkonzentration ermittelt (p=0,02 bzw. p=0,001). Der Einfluss des Testosterons auf die kontinuierliche Veränderung der Hämoglobinspiegel unterschied sich zwischen den Anämie-Klassifikationen nicht signifikant (p=0,43).

Nach 12 Monaten waren 12 von 24 (58,3%) mit Testosteron behandelte Männer mit ungeklärter Anämie zu Baseline nicht mehr anämisch, während es in der Placebo-Gruppe 6 von 24 Männern waren (22,2%). In der Subgruppe mit bekannter Anämieursache, waren 15 von 25 (60%) Patienten nach 12 Monaten Behandlung mit Testosteron nicht länger anämisch. In der Placebo-Gruppe waren es 4 von 27 (14,8%) Männer.

Für eine exploratorische Analyse wurde bei allen mit Testosteron behandelten anämischen Männern der Sechs-Minuten-Gehtest durchgeführt und zu der Hämoglobinerhöhung in Beziehung gesetzt. Die Hämoglobinzunahme stand signifikant mit einer geringfügig erhöhten Gehdistanz und erhöhter Vitalität gemäß der FACIT-Fatigue-Skala im Zusammenhang.

Schlussfolgerungen
Bei Männern mit niedrigen Testosteronspiegeln und Anämie bekannter oder nicht geklärter Ursache führte Testosteronausgleich zu signifikant erhöhten Hämoglobinspiegeln. Das Ausmaß der Erhöhungen weist in beiden Anämie-Kategorien auf klinische Bedeutsamkeit hin.

Testosteronbestimmungen bei Männern ab 65 Jahren, die eine ungeklärte Anämie und Symptome eines Androgenmangels aufweisen, sollten erwogen werden.

   
Literatur:
Roy CN, Snyder PJ, Stephens-Shields AJ, et al. 2017. Association of testosterone levels with anemia in older men. A controlled clinical trial. JAMA Intern Med February 21, doi:10.1001/jamainternmed.2016.9540

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