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36. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Andrologie

Neues zu Zusatznutzen und Sicherheit einer Testosterontherapie

Unter dem Motto „Brennpunkt Andrologie – Neues aus Forschung und Klinik“ fand vom 14. bis 16. November 2024 die 36. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Andrologie (DGA) in Köln statt. Thematisiert wurden u.a. der männliche Hypogonadismus und die Testosterontherapie (TTh). Im Rahmen eines von Besins Healthcare Germany unterstützten Symposiums berichteten zwei Experten über die Wirksamkeit und Sicherheit einer TTh sowie über den darüber hinausgehenden zusätzlichen möglichen Nutzen von Testosteron. Im Fokus standen insbesondere neue Daten in Bezug auf kardiovaskuläre Ereignisse sowie die Wirkungen einer TTh auf die Prostata [1]. Das Fazit von Prof. Dr. Michael Zitzmann: Eine TTh kann die Symptome eines Testosteronmangels lindern und führt auch bei vorbelasteten Patienten nicht zu einem erhöhten kardiovaskulären Risiko. Zudem kann eine TTh eine Anämie verhindern bzw. rückgängig machen. Dr. Christian Leiber-Caspers‘ Auswertung der aktuellen Daten zeigt: Eine TTh stellt bei leitliniengerechter Indikation kein Risiko für die Prostata dar, und sie hat auch keinen negativen Effekt auf eine BPH (benigne Prostatahyperplasie) oder LUTS (Lower Urinary Tract Symptoms).

Prof. Dr. Michael Zitzmann, Münster, erinnerte zu Beginn der Veranstaltung zunächst an die diagnostischen Kriterien eines symptomatischen Testosteronmangels (männlicher Hypogonadismus): Der Testosteronspiegel des Patienten sollte konstant erniedrigt sein (gemäß der aktuellen Leitlinie der European Association of Urology (EAU) [2]: Gesamttestosteron <12 nmol/l oder freies Testosteron <220 pmol/l). Zudem müssen zur Indikationsstellung einer TTh persistierende Symptome bzw. Anzeichen eines Testosteronmangels bestehen, z.B. Libidoverlust, sexuelle Funktionsstörungen, Abnahme der Muskelmasse, viszerales Übergewicht, Antriebslosigkeit oder depressive Verstimmung. Außerdem kann aufgrund der reduzierten Blutbildung auch eine Anämie Folge eines Testosteronmangels sein.

Transdermale TTh erhöht nicht das Risiko für schwere kardiovaskuläre Ereignisse

Dass ein erniedrigter Testosteronspiegel darüber hinaus aber auch mit „harten“ negativen Endpunkten assoziiert ist, demonstrierte Zitzmann anhand der Ergebnisse einer kürzlich publizierten Metaanalyse [3]: Eingeschlossen in die Untersuchung wurden über 24.000 Männer (insgesamt über 255.000 Patientenjahre), und es zeigte sich, dass sowohl ein erhöhter als auch ein erniedrigter Testosteronspiegel die Gesamtmortalität und kardiovaskuläre Mortalität erhöhte. Ziel einer Testosterontherapie sollte daher sein, so Zitzmann, den Testosteronspiegel in den Normbereich anzuheben, so wie es z.B. auch in der aktuellen EAU-Leitlinie formuliert ist [2]. Dass eine transdermale Testosterontherapie (TTh) die Inzidenz kardiovaskulärer Ereignisse innerhalb eines Jahres nicht erhöht, konnten bereits 2018 die sogenannten „T-Trials“ (Testosterone Trials) zeigen. In diese waren 788 Männer ≥65 Jahre mit funktionellem Hypogonadismus eingeschlossen [4]. Bestätigt wurde dieses Ergebnis durch die in 2023 publizierte TRAVERSE-Studie [5]: Bei hypogonadalen Männern zwischen 45 und 80 Jahren mit einem vorbestehenden bzw. hohen Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen war das Risiko für schwere kardiovaskuläre Ereignisse (Tod durch kardiovaskuläres Ereignis, nicht-tödlicher Myokardinfarkt oder nicht-tödlicher Apoplex = MACE*) unter einer transdermalen TTh (Testogel® Dosiergel 16,2 mg/g) vergleichbar mit Placebo [5]. Darüber hinaus wurde in einer Substudie von TRAVERSE gezeigt, dass eine vorbestehende Anämie, die bei hypogonadalen Patienten häufiger vorkommt, durch eine TTh korrigiert bzw. das Neuauftreten einer Anämie verhindert werden kann [6].

* MACE: Major adverse cardiovascular events
Markenname des Präparates in den USA: AndroGel® 1,62%


Testosteron birgt in Bezug auf die Prostata kein erhöhtes Risiko

Mit der Prostatasicherheit der TTh beschäftigte sich Dr. med. Christian Leiber-Caspers, Krefeld, designierter DGA-Tagungspräsident 2026. Die Annahme bzw. der immer noch verbreitete Glaube, dass Testosteron generell ein Risiko für das Entstehen eines Prostatakarzinoms (PCa) darstellt, verwies Leiber-Caspers ins Reich der Mythen. Heute geht man vom sogenannten „Sättigungs-Konzept“ (Saturation Model) [7] aus, das besagt, dass nur Testosteronspiegel- Veränderungen nahe der Kastrationsschwelle einen signifikanten Effekt auf ein mögliches PCa-Wachstum haben, und dass normale endogene Testosteronspiegel für eine nahezu maximale Stimulation eines PCa ausreichend sind. Dieses Sättigungs-Konzept wurde in zahlreichen Studien bestätigt.

Die bereits erwähnte TRAVERSE-Studie [5] beschäftigte sich in einer Subgruppenauswertung ebenfalls mit der Prostatasicherheit der TTh [8]. 5.203 hypogonadale Männer zwischen 45 und 80 Jahre erhielten für durchschnittlich 21,7 Monate ein Testosteron- oder Placebo-Gel und wurden für insgesamt 33,0 Monate nachuntersucht. Dabei zeigte sich weder für den primären Endpunkt (diagnostiziertes hochgradiges PCa) noch für die sekundären Endpunkte (alle Arten von PCa, akuter Harnverhalt, invasive Eingriffe an der Prostata wegen BPH, Prostata-Biopsien, neu begonnene LUTS-Medikation) signifikante Unterschiede zwischen der TTh- und Placebo-Gruppe. Anders gesagt: Die TTh erhöhte nicht das Risiko für negative Prostata-Ereignisse. Hinsichtlich der Notwendigkeit neuer LUTS-Medikamente waren die Gruppen ebenfalls vergleichbar (LUTS: Lower Urinary Tract Symptoms) [8]. Diese Ergebnisse schlagen sich auch in der aktuellen S3-Leitlinie zum PCa nieder: „Bei hypogonadalen Patienten ohne klinisch erkennbares Prostatakarzinom kann Testosteron substituiert werden. Bisher wurde ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung eines Prostatakarzinoms nicht nachgewiesen [9].“ In der aktuellen Leitlinie zum PCa der European Association of Urology (EAU) findet sich die Klarstellung: „Hypogonadale Männer, die eine TTh erhalten, weisen kein erhöhtes Risiko auf, ein PCa zu entwickeln [10].“

Leiber-Caspers fasste zusammen: Unter Beachtung der definierten absoluten und relativen Kontraindikationen stellt eine TTh kein Risiko für die Prostata dar. Die leitliniengerechte TTh hat keinen negativen Effekt bei Männern mit einer BPH und klinischen Beschwerden (LUTS). Nach einer kurativen Behandlung eines PCa können Männer mit deutlichen hypogonadalen Beschwerden eine TTh erhalten.


Quellen:
[1] Symposium „Zusatznutzen und Sicherheit der Testosterontherapie“ am 15.11.2024, im Rahmen der 36. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Andrologie, 14. bis 16.11.2024, Köln
[2] Salonia A, et al. EAU Guidelines on Sexual and Reproductive Health 2024. European Association of Urology 2024. Online unter: https://uroweb.org/guidelines/sexual-and-reproductive-health/. Letzter Zugriff: 22.11.2024.
[3] Yeap BB, et al. Associations of Testosterone and Related Hormones With All-Cause and Cardiovascular Mortality and Incident Cardiovascular Disease in Men: Individual Participant Data Meta-analyses. Ann Intern Med 2024; 177: 768-781.
[4] Snyder PJ, et al. Lessons From the Testosterone Trials. Endocr Rev 2018; 39: 369-386.
[5] Lincoff AM, et al. Cardiovascular safety of testosterone-replacement therapy. N Engl J Med 2023; 389:107-117.
[6] Pencina KM, et al. Efficacy of Testosterone Replacement Therapy in Correcting Anemia in Men With Hypogonadism: A Randomized Clinical Trial. JAMA Netw Open 2023; 6: e2340030.
[17] Morgentaler A, Traish AM. Shifting the paradigm of testosterone and prostate cancer: the saturation model and the limits of androgen-dependent growth. Eur Urol. 2009; 55(2): 310-20.
[8] Bhasin S, et al. Prostate Safety Events During Testosterone Replacement Therapy in Men With Hypogonadism: A Randomized Clinical Trial. JAMA Netw Open 2023; 6: e2348692.
[9] S3-Leitlinie Prostatakarzinom; Version 7.0 – Mai 2024; AWMF-Registernummer: 043/022OL. Online unter: https://register.awmf.org/assets/guidelines/043-022OLk_S3_Prostatakarzinom_2024-06.pdf. Letzter Zugriff: 22.11.2024
[10] Cornford P, et al. EAU – EANM – ESTRO – ESUR – ISUP – SIOG Guidelines on Prostate Cancer. European Association of Urology 2024. Online unter: https://uroweb.org/guidelines/prostate-cancer. Letzter Zugriff: 22.11.2024.
Dezember 2024 Drucken Red.
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