Hintergrund/Zielsetzung
Die Studie diente der Untersuchung des Effekts einer Testosteronausgleichstherapie (TRT) auf den Blutdruck (BP) bei opioidbehandelten
Männern mit relativem Hypogonadismus (Opioid-induziertem Androgenmangel, OPIAD) und ob der Effekt der TRT auf den Blutdruck durch
die Körperzusammensetzung, die Anzahl der roten Blutkörperchen oder die Intima-Media-Dicke der Carotis (cIMT) modifiziert wird.
Patienten und Methoden
Männer (über 18 Jahre alt), die eine Opioidbehandlung erhielten und deren Gesamttestosteronspiegel unter 12 nmol lag, wurden in zwei Gruppen
mit entweder TRT oder
Placebo randomisiert. Zu Baseline und nach 6 Monaten wurden Blutproben abgenommen, anthropometrische Daten erfasst, der
Office-Blutdruck (OBP) und der 24-h ambulante Blutdruck gemessen sowie die Karotis sonographisch untersucht.
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Abb.: Subgruppenanalyse der Reaktion des systolischen Tages-Blutdrucks auf die Testosteronsubstitutionstherapie (TRT) vs. Placebo,
stratifiziert nach Medianwerten von Baseline-Charakteristika.
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Ergebnisse
TRT versus Placebo
Der systolische Office-Blutdruck (OSBP) nahm in der TRT-Gruppe um 6,2 mmHg zu und verringerte sich in der Placebogruppe um 7,0 mmHg (p=0,01).
Beim diastolischen Office-Blutdruck waren
es 0,6 mmHg bzw. -3,9 mmHg (p=0,09). Die Veränderung des Tages-SBP im Studienverlauf unterschied sich zwischen der TRT- und
Placebogruppe um 5,2 mmHg (p=0,134). Unter der TRT nahm der BMI im Vergleich mit Placebo zu: Die mittlere Differenz betrug
0,9 kg/m² (p=0,075). Höhere Testosteronspiegel waren mit einer höheren Anzahl von roten Blutkörperchen und unveränderten Lipidspiegeln
assoziiert. Die TRT beeinträchtigte die cIMT im Vergleich zu Placebo nicht.
Subgruppenanalyse
Der BMI, der Hämatokrit (Hkt), das Hämoglobin (Hb) oder die Intima-Media-Dicke der Carotis (cIMT) wirkten sich nicht auf den Effekt der TRT auf den OBP aus. Der Effekt
der TRT auf den Tages-SBP wurde durch die Baseline-Werte des BMI, des Hkt und des Hb positiv verändert (alle p=0,019) (Abb.).
Bei Männern mit einem BMI oberhalb des Medians in der Studie (30,7 m²/kg) nahm der Tages-SBP in der TRT-Gruppe um 17,6 mmHg (p=0,002)
und in der Placebogruppe um 0,4 mmHg (p=0,864) zu. Bei Teilnehmern mit einem Baseline-Hkt oberhalb des Medians in der Studie (43%), stieg der
Tages-SBP um 8,4 mmHg (p=0,09) in der TRT-Gruppe und sank um -2,3 mmHg (p=0,564) in der Placebogruppe. Vergleichbare Veränderungen des SBP
hatten Männer mit einem Baseline-Hb von mehr als 8,7 mmol/l. Der systolische Blutdruck stieg in der TRT-Gruppe um 11,2 mmHg (p=0,041) an und fiel in der
Placebogruppe ab um -2,9 mmHg (p=0,367). Bei in der Nacht gemessenem Blutdruck zeigte nur die cIMT eine signifikante Interaktion mit der Assoziation
zwischen TRT und BP.
Mit der Erhöhung des systolischen Blutdrucks assoziierte Variable
Bei allen Teilnehmern waren BMI, Hb und Hkt mit einer Erhöhung des Tages-SBP assoziiert. Wurde die Regressionsanalyse mit der TRT und
der Placebogruppe wiederholt, verlor sich die statistische Signifikanz für alle Variablen. Hb und Hkt standen nur in der TRT-Gruppe mit
einem erhöhten OSBP in Verbindung. Der Anstieg des OSBP um 10 mmHg war mit einer Erhöhung des Hkt von 0,3% Punkten (p=0,01) und
einer Erhöhung des Hb um 0,8 mmol/l (p=0,05) assoziiert.
Kernaussagen
❏ Der Einfluss einer TRT auf den Anstieg des Blutdrucks wurde durch die Ausgangswerte von BMI, Hämoglobin und Hämatokrit deutlich verstärkt.
❏ Das Ausmaß des Blutdruckanstiegs stand hauptsächlich mit dem Anstieg des Hämatokrit-Spiegels während der Testosterontherapie im Zusammenhang.
❏ Männer mit opioidinduziertem Androgenmangel, insbesondere solche mit Fettleibigkeit oder roten Blutkörperchen im oberen Normalbereich, sind
während einer Testosterontherapie anfälliger für einen erhöhten systolischen Blutdruck am Tag. Sie sollten während einer Testosterontherapie sorgsam überwacht werden.
Literatur:
Olesen TB, Glintborg D, Jøhnk F, et al. 2024. Blood pressure responses to testosterone therapy are amplified by hematocrit
levels in opioid-induced androgen deficiency: a double-blind, randomized, placebo-controlled trial. J Hypertens 42:893–901.