Hintergrund/Zielsetzung
Die Testosteron (T)-Therapie von hypogonadalen Männern setzt eine stabile Kinetik, Verträglichkeit und die Abschwächung der Symptome voraus.
Diesbezüglich bieten sowohl intramuskuläre Injektionen des lang wirkenden Esters T-Undekanoat (TU) als auch die transdermale
Applikation von T-Gel eine nachgewiesene Effektivität. Da T allerding merkliche Effekte auf die Hämatopoese hat, ist unter einer T-Therapie
die Erhöhung des Hämatokrits in Betracht zu ziehen. Für die HEAT-Registrierung (HEmatopoietic Affection by Testosterone) sollten aktuell
Vergleiche zwischen transdermalem T-Gel und lang wirkendem intramuskulärem TU bezüglich ihrer Einflüsse auf die Hämatopoese unter Berücksichtigung
von Alter, der Diagnose, der Androgenrezeptor-Suszeptibilität und Adipositas angestellt werden.
Patienten und Methoden
In das prospektive zweiarmige offene Register für TestosteronErsatztherapie wurden Männer mit einer minimalen Behandlungsdauer
von 26 Wochen/Patient aufgenommen. Mutmaßliche Modulatoren der Erythropoese, die in Regressionsmodelle eingingen, waren die Medikationsweise,
die Art des Hypogonadismus, die Differenz der Gesamttestosteron-Konzentration, der Taillenumfang, das Alter sowie (in einer Subgruppe)
die Länge der CAG-Wiederholungen im Androgenrezeptor-Gen.
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Abb.: Veränderung des Hämatokrits entsprechend der Regressionsmodelle.
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Patienten und Formen des Hypogonadismis
Für die Auswertung der Daten gemäß Prüfplan waren insgesamt 802 Patienten geeignet. Von ihnen hatten 375 Männer klassische Formen
eines Hypogonadismus (primäre Form n=223, sekundäre Form n=152) und 427 hatten einen funktionellen Hypogonadismus (Vorliegen klinischer
Symptome gestützt durch wiederholte morgendliche Nüchternmessung niedriger Werte des Serum-Gesamttestosterons nach Ausschluss organischer
Ursachen eines Hypogonadismus). Die Behandlung von 498 Männern erfolgte mit T-Gel und 304 Männer erhielten TU-Injektionen.
Rohdaten des T und Hämatokrits
Der T-Spiegel erhöhte sich mit T-Gel von 8,4 nmol/l zu Baseline auf 15,4 nmol/l beim Follow-up. Mit TU stieg der T-Spiegel
von 8,9 auf 18,7 nmol/l (beides p<0,001). Entsprechend stieg der Hämatokrit mit T-Gel von 43,1 auf 46,1% und mit TU von 43,4 auf 48,05% (beides p<0,001).
Mit TU kamen mehr Patienten aus dem Anämiebereich als mit T-Gel (41/59 vs. 49/89).
Regressionsmodelle demonstrieren Kontraste zwischen Patienten
Anhand stufenweiser Varianzanalysen:
Modell 1: T-Gel (Ref.) vs. TU,
keine Kovariablen,
Modell 2: T-Gel (Ref.) vs. TU,
+ Alter,
Modell 3: T-Gel (Ref.) vs. TU,
+ Alter,
+ Gesamttestosteron-Spiegel und
Modell 4: T-Gel (Ref.) vs. TU,
+Alter,
+ Gesamttestosteron-Spiegel,
+ Taillenumfang zu Baseline.
ließen sich die Ergebnisse mit den Rohdaten bestätigen und auf weitere Parameter mit Einfluss auf rote Blutkörperchen erweitern: Fortgeschrittenes Alter,
ein größeres Δ des Testosteronanstiegs und ein größerer Taillenumfang Tragen zum Risiko für eine Hämatokriterhöhung bei.
Das Risiko, unter der Behandlung einen Hämatokrit von >50% und >52% zu erreichen, war in allen Regressionsmodellen für TU signifikant
gegenüber T-Gel signifikant erhöht. Dabei scheint funktioneller Hypogonadismus einen zusätzlichen Risikofaktor darzustellen.
In einer Subgruppe Patienten (n=574), bei denen der CAG-Repeat-Polymorphismus des Androgenrezeptor-Gens analysiert worden war,
hatten längere CAG-Wiederholungen nur einen verminderten Effekt auf die Hämoglobin- und Hämatokriterhöhungen.
Die Abbildung zeigt nicht-lineare logistische Regressionsmodelle für intraindividuelle Bestimmungen im Zeitverlauf als
Schätzungen der mittleren Hämatokriterhöhung mit 95%igen Konfidenzintervallen nach Medikation unter Verwendung aller verfügbaren Datenpunkte
mit Adjustierungen für Alter und Taillenumfang.
Kernaussagen
❏ Bei der T-Substitution mit intramuskulärem TU oder T-Gel kommt es zu einer effektiven Erhöhung der T-Konzentration.
❏ Lang wirksames TU führt zu einer höheren Rate an Hämatokritspiegeln >50%, während es bei der Subgruppe hypogonadaler
anämischer Patienten die Anämie effektiver zu lindern scheint.
❏ Das trifft insbesondere auf adipöse ältere Männer mit funktionellem Hypogonadismus zu.
Literatur:
Zitzmann M, Cremers JF, Krallmann C, Kliesch S, et al. 2022.
The HEAT-Registry (HEmatopoietic Affection by Testosterone): comparison of a transdermal gel vs long-acting intramuscular testosterone undecanoate in hypogonadal men.
Aging Male 25:134–144.
J Urol 207:1020–1028.