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Klinefelter-Syndrom
Häufigste Chromosomenstörung bleibt oft unerkannt

FAZIT:
Die Auswirkungen des Klinefelter-Syndroms sind oft wenig auffällig, so dass bis zu drei Viertel der Betroffenen – trotz nicht unerheblicher gesundheitlicher Beeinträchtigungen – unerkannt und somit unbehandelt bleibt. Das Krankheitsbild ist erst nach der Pubertät ausgeprägt. Die Diagnose Klinefelter-Syndrom sollte nicht zur Stigmatisierund der Betroffenen führen. Das Klinefelter-Syndrom ist die am häufigste Ursache für Hypogonadismus bei Männern, die der langfristigen Substitution mit Testosteron bedarf.

In Deutschland leben etwa 80.000 Jungen und Männer, deren Chromosomensatz ein oder mehrere überzählige X-Chromosomen enthält. Das daraus im Erwachsenenalter resultierende Krankheitsbild wurde 1942 erstmals von Harry F. K. Klinefelter (Baltimore) beschrieben. Verglichen mit dem erheblichen Krankheitswert anderer Chromosomenverteilungsstörungen sind die Auswirkungen eines Klinefelter-Syndroms weitaus weniger auffällig. Dies erklärt wohl auch, warum neuesten Untersuchungen zufolge bis zu drei Viertel der Betroffenen – trotz nicht unerheblicher gesundheitlicher Beeinträchtigungen – unerkannt und somit unbehandelt bleibt.

Anlässlich der Gemeinschaftstagung der Deutschen Gesellschaft für Andrologie und der Deutschen Gesellschaft für Reproduktionsmedizin vom 11. bis 13. September im Klinikum Großhadern (München) veranstalteten die Deutsche Klinefelter-Syndrom Vereinigung e.V. (DKSV) u nd die Jenapharm GmbH eine Pressekonferenz: “Das Klinefelter-Syndrom – Auf den Spuren einer oft unerkannten Krankheit”.



Krankheitsbild erst nach der Pubertät ausgeprägt

    Der Chromosomensatz eines Mannes besteht normalerweise aus 23 Chromosomenpaaren und jeweils einem X- und einem Y-Chromosom. Beim Klinefelter-Syndrom sind neben den beiden Geschlechtschromosomen in allen oder einer größeren Zahl der Körperzellen ein oder mehrere überzählige X-Chromosomen vorhanden. Hierbei tritt der Karyotyp XXY mit etwa 80% weitaus am häufigsten auf (Abb. 1).

    Das überschüssige X-Chromosom gelangt durch eine Fehlverteilung der Geschlechtschromosomen während der ersten oder zweiten meiotischen Teilung in die Oozyte (Abb. 2) bzw. das Spermatozoon. Aber auch noch während mitotischer Teilungen in der frühen Zygote kann es zu einer solchen Fehlverteilung kommen. In diesen Fällen entwickeln sich so genannte Mosaike (Abb. 3).

    Knaben mit Klinefelter-Syndrom sind noch wenig auffällig. Allenfalls etwas verkleinerte Hoden, eine größere Beinlänge und Lernschwierigkeiten könnten Hinweise sein, werden meist aber erst retrospektiv zugeordnet.

    Im Laufe der Pubertät treten dann degenerative Prozesse in den Hoden auf. Sie bleiben verkleinert und sind von fester Konsistenz. Ihr Volumen erreicht selten mehr als 4 ml. Histologisch findet man häufig eine Hyalinisierung der Tubuli seminiferi, eine Sklerose, eine Atrophie mit fokalen Hyperplasien und zumeist degenerierte Leydig-Zellen.

    Die Schambehaarung ist bei Männern mit Klinefelter-Syndrom meist nur spärlich ausgebildet. Wie bei Frauen findet man eine horizontale Schamhaargrenze. Männer mit Klinefelter-Syndrom haben zudem einen nur sehr spärlichen Bartwuchs.

    Männer mit Klinefelter-Syndrom entwickeln einen weiblichen Fettverteilungstyp mit betonter Hüftpartie. Hinzu kommt eine vermehrte Bildung von Brustdrüsengewebe, so dass Klinefelter-Patienten unter Umständen durch eine Gynäkomastie auffallen. Ein bis drei Prozent aller Klinefelter-Patienten entwickeln einen Brustkrebs.

    Als weiteres äußeres Merkmal von Klinefelter-Patienten gelten die oft überproportional langen Beine. Im Unterschied zu Eunuchen ist die Armspannweite jedoch meist noch im normalen Bereich.

    Im Erwachsenenalter machen sich bei Klinefelter-Patienten zunehmend Symptome eines Androgenmangels bemerkbar. Aufgrund der fehlenden oder eingeschränkten Spermienbildung sind solche Männer infertil.

    Die Intelligenz kann bei Patienten mit Klinefelter-Syndrom vermindert sein. Allerdings ist nicht geklärt, ob hierfür genetische Ursachen oder das frühzeitige Erkennen des Andersartigen in der Schulzeit in Verbindung mit einer Außenseiterrolle verantwortlich sind. Die meisten Patienten mit Klinefelter-Syndrom führen ein völlig normales Sozial- und Eheleben.

    Im Rahmen der vorgeburtlichen Diagnostik – wie sie insbesondere bei älteren Schwangeren durchgeführt wird, kann ein Klinefelter-Syndrom als Zufallsbefund aufgedeckt werden. Eine gezielte Suche nach dieser chromosomalen Störung kann allerdings nicht empfohlen werden.

    Bei Vorliegen einer vorgeburtlichen Diagnose des Klinefelter-Syndroms ist es wichtig, die Eltern in allen Einzelheiten aufzuklären. Eine Indikation zur Abtreibung ergibt sich aus dieser Diagnose nach den Worten von Prof. H. M. Schulte (Hamburg) nicht.

Diagnose sollte Betroffene nicht stigmatisieren
    Als Vertreter der Deutschen Klinefelter-Syndrom Vereinigung e.V. (DKSV) schilderte K. Mehldau aus persönlicher Erfahrung die Situation eines Elternpaares, das noch vor der Geburt ihres Sohnes mit der Diagnose Klinefelter-Syndrom konfrontiert wurde. Sie standen unvermittelt vor der Entscheidung, ob ihr Kind leben soll oder nicht.

    Auch wenn K. Mehldau berichtet, vor nunmehr elf Jahren vor dieser Entscheidung, die immer auch durch Zeitnot erschwert wird, gut beraten worden zu sein, ist das nach seinen Erfahrungen in der DKSV keinesfalls selbstverständlich. Selbst in Standardwerken der medizinischen Fachliteratur wird teilweise ein negatives Bild des Klinefelter-Syndroms gezeichnet. Als Folge davon sind auch zahlreiche Ärzte und das Personal humangenetischer Beratungsstellen unzureichend bzw. desinformiert.

    Im Jahr 1992 wurde die DKSV gegründet. Ihr Ziel ist es die Träger der Chromosomenanomalie und deren angehörige ideell zu unterstützen. Eines der wichtigsten Anliegen der Vereinigung ist es aber, durch Aufklärung darauf hinzuwirken, dass die Diagnose Klinefelter-Syndrom für die Betroffenen kein Stigma darstellt, wie das bis in die Gegenwart hinein oft der Fall ist.

Physiologischer Ausgleich des Testosteronmangels
    Das Klinefelter-Syndrom ist die am häufigste Ursache für Hypogonadismus bei Männern. Der damit verbundene Androgenmangel führt bei den Patienten zu einer Reihe gesundheitlicher Probleme. Hierzu zählen Langzeitfolgen wie die Osteoporose, eine depressive Stimmungslage, das Schwinden männlicher psychologischer Attribute, Atherosklerose, Anämie, Libidomangel, sexuelle Funktionsstörungen, und nachteilige Veränderungen der Körperzusammensetzung.

    Die Substitution des pleiotropen Sexualsteroidhormons Testosteron ist daher die wichtigste Therapiemaßnahme, um bei Klinefelter-Patienten die Langzeitfolgen eines Androgenmangels zu verhindern. Idealerweise wird mit der Testosteronsubstitution in der Pubertät begonnen und lebenslang fortgeführt.

    Diese langfristig erforderliche Substitutionspflicht bedarf – wie Prof. A. E. Heufelder (München) betonte – eines möglichst physiologischen Te-stosteronausgleichs. Seit Mitte dieses Jahres steht Testogel®, eine Testosteronpräparation in Form eines einprozentigen alkoholischen Gels, zur transdermalen Applikation zur Verfügung. Diese Option zur Androgensubstitution erleichtert es einen ausgeglichenen, ausreichend hohen Serum-Testosteronspiegel aufrechtzuerhalten. Bei täglicher Anwendung am Morgen, lässt sich sogar die zirkadiane Rhythmik der Testosteronfreisetzung bei normalen Männern imitieren. Insbesondere ist die Behandlung mit dem Gel anwenderfreundlich und sichert somit eine optimale Compliance.

September 2003 Druckversion jfs
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