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Immun-Checkpoint-Blockade:
Überlebensbenefit bei kastrationsresistentem Prostatakrebs?

Nachdem Immunotherapien in der Vergangenheit bei Prostatakrebs keine zufrieden stellenden Ergebnisse gezeitigt hatten, werden in jüngster Zeit wieder hoffnungsvolle Erwartungen an innovative immunonkologische Ansätze geknüpft. Eine wesentliche Rolle könnte hierbei die Blockade des Immun-CheckpointsCTLA4 spielen. Der Immunkontrollpunkt CTLA4 fungiert als Bremspedal des Immunsystems, indem er eine überschießende Immunantwort unterdrückt. Mit dem Anti-CTLA4-Antikörper Ipilimumab wurde zunächst ein Durchbruch in der Therapie des fortgeschrittenen Melanoms erzielt. Beim CRPC steht Ipilimumab nach mehreren Phase-I- und -II-Studien aktuell in der Phase-III-Prüfung. Erste Ergebnisse zeigen bei Immuntherapie kein verbessertes Gesamtüberleben. Es bestehen jedoch Hinweise auf einen Benefit für Patienten mit geringerer Tumorlast.

Für Patienten mit kastrationsresistentem Prostatakrebs (CRPC) ist das therapeutische Potenzial heute deutlich breiter gefächert als noch vor gut einem Jahrzehnt. Mit Docetaxel konnte bei CRPC erstmals mit einer Chemotherapie gegenüber der damaligen Standardbehandlung mit Mitoxantron ein Überlebensvorteil erreicht werden. Diese Entwicklung hat mit der Einführung von Cabazitaxel eine Fortsetzung gefunden. Basierend auf der bahnbrechenden Erkenntnis, dass die intratumorösen Androgenspiegel während der Progression des CRPC durch De-novo-Steroidsynthese ansteigen und Androgenrezeptoren reaktiviert werden [1], ließen sich neue „Hormontherapien“ in die therapeutische Landschaft bei CRPC integrieren. Zudem konnte das Gesamtüberleben bei der Behandlung von Knochenmetastasen mit dem Alphastrahler 223 Radium verlängert werden [2]. In jüngster Zeit sind auch Immuntherapien als vielversprechende Option bei CRPC auf den Plan getreten [Reviews 3-6]. Das scheint nur folgerichtig zu sein, zumal Prostatakarzinome von Natur aus immunogen sind. Zunächst wurde Sipuleucel T, eine Vakzine aus aktivierten autologen dendritischen Zellen, unter anderem auch in Deutschland zugelassen. Aktuell befindet sich der Anti-CTLA4-Antikörper Ipilimumab als Vertreter der Immun-Checkpoint-Inhibitoren bei CRPC in der klinischen Prüfung auf Phase-III-Ebene.



Modulierung der T-Zell-vermittelten Immunantwort durch Immun-Checkpoints

    Zur Generierung einer effektiven Immunantwort findet in den sekundär-lymphatischen Organen die T-Zell-Aktivierung statt. Ein wichtiger Zelltyp für die Stimulation der T-Zellen ist dabei die dendritische Zelle. Dendritische Zellen sind Antigen-präsentierende Zellen heterogenen Ursprungs, die Pathogene bzw. Antigene einschließlich Tumorantigene aufnehmen und verarbeiten. In den lymphatischen Organen präsentieren sie die zu Peptiden verarbeiteten Antigene mittels des Haupthistokompatibilitätskomplexes (MHC-Klasse-II) spezifischen T-Lymphozyten. Dieses so genannte Signal 1 kommt über die Verbindung des MHC-Komplexes mit dem T-Zell-Rezeptor (TCR) zustande. Zur Auslösung der Immunantwort auf Antigen-Stimuli benötigen T-Zellen jedoch zwei Signale. Daher wirkt Signal 2 parallel zu Signal 1 kostimulierend. Es wird durch die Verbindung des Membranproteins B7 (B7-1 und B7-2) auf Antigen-präsentierenden Zellen mit dem CD28-Rezeptor auf T-Zellen vermittelt (Abb. 1).

    Um eine überschießende Abwehrreaktion der T-Zellen und damit Angriffe auf körpereigene Zellen zu verhindern, verfügt das Immunsystem über eine Fülle von Immunkontrollpunkten. Das sind negative Feedback-Mechanismen, über die die Aktivierung der CD8+ T-Zellen gebremst wird [7]. Einer der gut untersuchten Immun-Checkpoints ist der CTLA4-Rezeptor, der im Rahmen der Aktivierung von T-Lymphozyten durch den T-Zell-Rezeptor an der Oberfläche der T-Zelle gesteigert exprimiert wird. Das Rezeptorprotein CTLA4 (cytotoxic T-lymphocyte-associated Protein 4) ist ein Schlüsselmolekül der körpereigenen Immunmodulation, das aber auch zu den zahlreichen Instrumentarien zählt, mit denen es Krebszellen möglich ist, sich der Immunabwehr zu entziehen („immune escape“) [7]. Es handelt sich beim CTLA4-Rezeptor um ein wichtiges Mitglied der Immunoglobulin-Superfamilie, das spezifisch an der Oberfläche von T-Zellen (T-Helferzellen, zytotoxische T-Zellen und auch regulatorische T-Zellen) exprimiert wird. Die Bindungsaffinität des CTLA4-Rezeptors zum kostimulatorischen B-7 ist deutlich höher als die des CD28-Rezeptors zum Bindungspartner B-7. Dadurch schlägt das Pendel von der T-Zell-aktivierenden Bindung zwischen B-7 und CD28 aus zur T-Zell-inhibierenden Bindung zwischen CTLA4 und B-7 (Abb. 2). Der CTLA4-Rezeptor vermittelt somit ein die T-Zell-Aktivierung hemmendes Signal. Dementsprechend kommt dem CTLA4 eine das T-Zell-Ansprechen modulierende Rolle zu, womit insbesondere auch während der initialen T-Zell-Aktivierung in den Lymphknoten die Entwicklung von Autoimmunität vermieden wird.

Immunonkologie mit Immun-Checkpoint-Blockade
    Haben Krebszellen durch Mutation Eigenschaften angenommen, durch die sie vom Immunsystem nicht mehr eliminiert oder kontrolliert werden können, bieten Immun-Checkpoints mögliche Angriffspunkte für immunonkologische Strategien. Mit Checkpoint-Inhibitoren kann die inhibitorische Starre gelöst werden, und das Immunsystem gewinnt die Kontrolle über den Tumor zurück – so jedenfalls ist es in der Immunonkologie mittels immun-Checkpoint-Blockade vorgesehen. In dieser Beziehung ist der Anti-CTLA4-Antikörper Ipilimumab sehr weit fortgeschritten. Das Immuntherapeutikum ist ein rekombinanter, humanisierter monoklonaler Antikörper und wirkt als Antagonist des CTLA4-Rezeptors auf der Oberfläche von T-Helferzellen, zytotoxischen T-Zellen und regulatorischen T-Zellen (Abb. 3).
    Dass Immun-Checkpoint-Blockade eine effektive Krebstherapie ist, wurde zunächst bei Patienten mit fortgeschrittenem Melanom nachgewiesen. Bei diesen Patienten wurde mit dem Anti-CTLA4–spezifischen monoklonalen Antikörper Ipilimumab in zwei Phase-III-Studien ein Benefit des Gesamtüberlebens (OS) erreicht [9, 10]. Zum einen wurden Ipilimumab mit 3 mg/kg Körpergewicht in Kombination mit der Vakzine Glykoprotein 100 (gp100), Ipilimumab-Monotherapie und gp100-Monotherapie verglichen. Die Patienten mit zuvor behandeltem metastasiertem Melanom hatten bei Ipilimumab-Behandlung mit oder ohne gp100 gegen-über alleiniger gp100-Gabe ein signifikant verbessertes OS [9].

    In der zweiten Phase-III-Studie wurden 10 mg/kg plus Dacarbazin bei Patienten mit zuvor unbehandeltem metastasiertem Melanom geprüft. Bei Behandlung mit Ipilimumab in der Dosierung 10 mg/kg in Kombination mit Dacarbazin erhöhte sich die OS-Raten der Patienten im Vergleich zur Behandlung mit Dacarbazin signifikant – nach einem Jahr 47,3% vs. 36,3%, nach zwei Jahren 28,5% vs. 17,9% und nach drei Jahren 20,8% vs. 12,2%. Nebenwirkungen der Grade 3 oder 4 traten bei 56,3% der mit Ipilimumab plus Dacarbazin behandelten Patienten auf. Bei Dacarbazin plus Placebo waren es vergleichsweise nur 27,5%. In der Ipilimumab/Dacarbazin-Gruppe kamen keine Medikament-bezogenen Todesfälle oder gastrointestinale Perforationen vor [10].

    Die Ansprechraten waren in den Prüfungen allerdings relativ niedrig. Andererseits wurde bei einem Großteil der Responder ein anhaltendes Ansprechen oder stabile Krankheit über etliche Jahre hinweg erreicht. Das führte durch die US Food and Drug Administration im Jahr 2011 zur Zulassung von Ipilimumab für Patienten mit nicht resezierbarem oder metastasiertem Melanom in der Dosierung von 3 mg/kg. Die positive Bewertung wird durch eine große gepoolte Analyse des OS mit 1.861 Patienten mit fortgeschrittenem Melanom aus zehn prospektiven und zwei retrospektiven Phase-II- und -III-Studien sowie einer zweiten Analyse mit OS-Daten (n=4.846) von zusätzlichen 2.985 Patenten aus einem Expanded-Access-Programm gestützt. Die Behandlung mit Ipilimumab mündet in ein Überlebensplateau, das sich von drei Jahren bis über zehn Jahre erstreckt. Etwa 17% bis 25% der Patienten profitieren von der langfristigen Krankheitskontrolle, wobei eine fortgesetzte Behandlung mit Ipilimumab nicht notwendig ist [11].

Immun-Checkpoint-Inhibition bei Prostatakrebs
    Noch vor seiner erfolgreichen Anwendung bei Melanomen war Ipilimumab in einer Studie am Menschen bei Patienten mit kastrationsresistentem Prostatakrebs (CRPC) geprüft worden. Zur Ermittlung der Pharmakokinetik und dem Sicherheitsprofil waren in einer Pilotstudie 14 Patienten mit einer Einzeldosis Ipilimumab (3 mg/kg) behandelt worden [12]. Von den Männern mit metastasiertem CRPC wurde die Behandlung allgemein gut vertragen. Häufig berichtete Nebenwirkungen – überwiegend Grad 1 – waren Arthralgien, Unwohlsein, Knochenschmerzen, Rückenschmerzen, Konstipation, Fatigue und Appetitlosigkeit. Schwerwiegende Ereignisse, die der Therapie zuzuordnen waren, beschränkten sich auf zwei Patienten – einer mit Grad 3 Fatigue und einer mit Grad 3 Exanthem und Pruritus. Zwei Patienten erfuhren einen PSA-Abfall 50%, der 135 bzw. 60 Tage anhielt. Beide Patienten wünschten mit Ipilimumab weiterbehandelt zu werden. Allerdings trat nach der zweiten Dosis Ipilimumab kein PSA-Abfall 50% ein.

    Unter den Folgestudien ist insbesondere eine Untersuchung hervorzuheben, in der Patienten mit metastasiertem CRPC Ipilimumab als Monotherapie oder in Kombination mit Strahlentherapie erhielten [13]. Die Rationale basierte auf präklinischen Indizien für synergistische Tumoraktivität zwischen Anti-CTLA4-Antikörper und Strahlentherapie. Zudem war über abscopale Effekte bei Immunansprechen in berichtet worden. Bei 4/16 Patienten, die mit 10 mg/kg Ipilimumab behandelt worden waren, und bei 4/34 Patienten, die zusätzlich bestrahlt worden waren, sank der PSA-Spiegel 50% (Dauer: 3 bis 13+ Monate). In einem Fall war Komplettansprechen eingetreten (Dauer: 11,3+ Monate) und in sechs Fällen lag stabile Krankheit vor (Dauer: 2,8 bis 6,1 Monate). Bei den insgesamt 50 Patienten, in denen mit 10 mg/kg Ipilimumab behandelt worden war, betrafen die meisten der mit der Immuntherapie im Zusammenhang stehenden Nebenwirkungen die Haut, das Magen-Darm-System und die Leber. Das Sicherheitsprofil bei der verwendeten Höchstdosis von 10 mg/kg wurde im Großen und Ganzen als beherrschbar eingestuft. Mehrheitlich handelte es sich um Grad-1-Ereignisse.

    Die bis dahin als zukunftsträchtig eingeschätzten Ergebnisse führten dazu, dass zwei Phase-III-Prüfungen mit Ipilimumab bei CRPC ins Leben gerufen wurden. In die erste multizentrische Studie (CA184-043) wurden Patienten mit zumindest einer Knochenmetastase nach Docetaxel-Versagen aufgenommen. Nach Knochenbestrahlung (8 Gy in einer Fraktion) erhielten die Patienten entweder Ipilimumab (10 mg/kg) oder Placebo alle drei Wochen bis zu vier Dosen. Das mediane OS betrug 11,2 Monate (95% CI, 9,5-12,7) in der Ipilimumab-Gruppe und 10,0 Monate (95% CI, 8,3-11,0) in der Placebo-Gruppe (Hazard Ratio 0,85, 95% CI, 0,72-1,00; p=0,053; Abb. 4). Damit wurde der primäre Studienendpunkt eines verlängerten Überlebens in der Intention-to-treat-Population nicht erreicht [14]. Allerdings ergaben sich positive Aspekte bei sekundären Endpunkten wie dem progressionsfreien Überleben (Ipilimumab: 4,0 Monate vs. Placebo: 3,1 Monate) und der PSA-Ansprechrate (Ipilimumab: 13,1% vs. Placebo: 5,2%). In der exploratorischen Post-hoc-Subgruppenanalyse ergab sich ein offensichtlicher OS-Benefit für Ipilimumab bei Patienten ohne viszerale Metastasen, mit nicht oder nur leicht erhöhter alkalischer Phosphatase und keiner Anämie. Daraus lässt sich ableiten, dass Ipilimumab insbesondere bei Patienten mit günstigen Prognosefaktoren wirksam sein könnte.

    In der gegenwärtig noch laufenden Phase-III-Studie CA184-095 wird die obige Hypothese überprüft, wonach Ipilimumab bei Vorliegen günstiger Prognosemerkmale besonders aktiv ist. Die rekrutierten Patienten mit metastasiertem, Chemotherapie-nai­vem CRPC sind asymptomatisch oder minimal symptomatisch und haben keine viszeralen Metastasen. Als primärer Studienendpunkt ist OS vorgesehen [15].

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[14] Kwon ED, Drake CG, Scher HI, et al. 2014. Ipilimumab versus placebo after radiotherapy in patients with metastatic castration-resistant prostate cancer that had progressed after docetaxel che motherapy (CA184-043): a multicentre, rando mised, double-blind, phase 3 trial. Lancet Oncol 15:700-712.
[15] Beer TM, Logothetis C, Sharma P, et al. CA184-095. 2013. A randomized, double-blind, phase 3 trial to compare the efficacy of ipilimumab vs placebo in asymptomatic or minimally symptomatic patients with metastatic chemotherapy-naïve castration-resistant prostate cancer. Presented at: annual meeting of the American Society of Clinical Oncology; May 31-June 4, 2013; Chicago, IL. Poster TPS5093.

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