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Prostatakarzinom
Der Einfluss des Alters auf die Ergebnisse der roboterassistierten radikalen Prostatektomie – Eine multizentrische Analyse
In der klinischen Praxis besteht bis heute ein weitverbreiteter Konsens, dass ältere Männer tendenziell eher für eine
Strahlentherapie als für eine Operation infrage kommen. Diese Annahme beruht auf der Vorstellung, dass mit zunehmendem
Alter die perioperativen Risiken – insbesondere Komplikationen, Morbidität und Mortalität – signifikant ansteigen.
Daten aus der Ära der offenen Prostatektomie stützen diese Sichtweise: Bei älteren Patienten (>75 Jahre)
lagen die 30-Tage-Mortalitätsraten und kardiopulmonalen Komplikationen deutlich höher als bei jüngeren Patienten.
Mit der Einführung der roboterassistierten radikalen Prostatektomie (RARP) hat sich das operative Vorgehen jedoch grundlegend
verändert. RARP ist heute in den westlichen Ländern die dominierende chirurgische Methode zur Behandlung des Prostatakarzinoms
und hat die offene Operation aufgrund geringerer Blutverluste, kürzerer Krankenhausaufenthalte und niedrigerer Komplikationsraten
weitgehend verdrängt.
Zielsetzung der Studie
Das Hauptziel der vorliegenden multizentrischen Studie bestand darin, den Zusammenhang zwischen dem Alter der Patienten und
dem Risiko schwerer Komplikationen (nach Clavien-Dindo-Klassifikation Grad ≥3) innerhalb von 30 Tagen nach RARP zu evaluieren.
Darüber hinaus sollte bestimmt werden, ob etwaige altersbedingte Risikoerhöhungen klinisch signifikant sind und ob diese einen
Einfluss auf die Therapieentscheidung haben sollten.
Patienten / Methoden
Die Untersuchung wurde als multizentrische, retrospektive Analyse an drei hochspezialisierten akademischen Zentren in den USA durchgeführt:
Weill Cornell Medical Center (New York) – 585 Patienten, MedStar Georgetown University Hospital (Washington, DC) – 319 Patienten und
Memorial Sloan Kettering Cancer Center (MSKCC, New York) – 6.419 Patienten.
Insgesamt wurden 7.552 Fälle von roboterassistierter radikaler Prostatektomie analysiert, die Datenerhebung umfasste den Zeitraum von 2012 bis 2022.
Erfasst wurden:
• Demografische Daten: Alter, präoperativer PSA-Wert, Anzahl der Komorbiditäten (Hypertonie,
Diabetes mellitus, chronische Niereninsuffizienz, koronare Herzkrankheit).
• Pathologische Parameter: Gleason-Grade-Group, Tumorstadium (pT), Status der chirurgischen Resektionsränder, Lymphknotenbefall.
• Chirurgische Merkmale: Operateur, institutionelles Volumen, Operationsjahr.
Der primäre Endpunkt war das Auftreten einer schweren Komplikation (Clavien-Dindo Grad ≥3) innerhalb von 30 Tagen nach der
Operation. Als sekundärer Endpunkt wurde die Häufigkeit aller Komplikationen Grad ≥2 betrachtet.
Ergebnisse
Die medianen PSA-Werte lagen im Bereich von 6,0–8,0 ng/mL und stiegen leicht mit zunehmendem Alter. Ältere Patienten (≥70 Jahre)
wiesen häufiger höhergradige Tumoren (Gleason ≥3) sowie fortgeschrittenere pathologische Stadien (pT3/pT4) auf. Zudem stieg
die Zahl der Komorbiditäten altersabhängig deutlich an: Keine Komorbiditäten wiesen 59% der 35–54-Jährigen auf, bei
den 75–85-Jährigen waren es nur 34%.
Komplikationsraten
Unadjustierte Raten schwerer Komplikationen (Grad ≥3) lagen bei:
1,3% bei den 35–54-Jährigen und 2,7% bei den 75–85-Jährigen.
Nach Adjustierung zeigte sich ein statistisch signifikanter, aber klinisch marginaler Zusammenhang zwischen Alter und Komplikationsrisiko:
Odds Ratio (OR): 1,03 pro Lebensjahr (95% CI 1,00–1,05; p=0,022)
Geschätztes Risiko schwerer Komplikationen betrug bei 60-Jährigen 2,0%, bei 70-Jährigen 2,6%, bei 80-Jährigen 3,3 %.
Diese Ergebnisse waren konsistent über alle drei Institutionen hinweg.
In der Sensitivitätsanalyse mit Komplikationen Grad ≥2 ergab sich ein ähnliches Bild (OR=1,02; p=0,014). Auch hier blieb
der absolute Risikoanstieg gering.
Die Ergebnisse der Studie belegen, dass roboterassistierte radikale Prostatektomien insgesamt ein sehr niedriges Risiko
schwerer Komplikationen aufweisen, auch in höheren Altersgruppen. Zwar besteht ein statistisch signifikanter Zusammenhang
zwischen Alter und Komplikationsrate, die absolute Risikodifferenz zwischen einem 60- und einem 80-jährigen Patienten
bleibt jedoch mit rund 1% klinisch unbedeutend.
Diese Beobachtung widerspricht dem Paradigma der vergangenen Jahre, ältere Männer grundsätzlich von der operativen Therapie
auszuschließen. Während frühere Analysen aus der Ära der offenen Chirurgie deutliche Altersabhängigkeiten zeigten,
scheinen die technischen Vorteile des Robotersystems (geringer Blutverlust, präzisere Dissektion, kürzere Rekonvaleszenz)
die altersbedingten Nachteile weitgehend zu kompensieren.
Perioperative Komplikationen standen im Vordergrund dieser Untersuchung, obwohl bekannt ist, dass Alter signifikant mit funktionellen
Ergebnissen korreliert. Ältere Patienten zeigen tendenziell niedrigere Kontinenz- und Potenzraten nach Prostatektomie.
In früheren Analysen (z.B. Mandel et al., 2015) lagen die 12-Monats-Kontinenzraten bei <65-Jährigen bei 93%,
bei ≥75-Jährigen hingegen bei 87%. Potenzraten fielen von 59% auf 31%. Diese Aspekte müssen bei der Therapieentscheidung
individuell berücksichtigt werden.
Vergleich zur Strahlentherapie
Strahlentherapie vermeidet perioperative Risiken, geht aber mit einer höheren Rate an
gastrointestinalen und urogenitalen Spättoxizitäten einher, die insbesondere ältere Patienten betreffen.
Langzeitdaten (Nakanishi et al., 2022) zeigen beispielsweise eine kumulative Inzidenz von ≥2-Grad-Toxizitäten von
bis zu 49% (genitourinär) bzw. 16% (gastrointestinal) bei Männern über 75 Jahren.
Vor diesem Hintergrund ist die Operation – insbesondere in erfahrenen Zentren – auch für ältere Patienten eine
sichere und oft vorteilhafte Alternative.
Bedeutung für Praxis
Diese Studie trägt wesentlich zur Evidenzbasis in der Altersurologie bei und fordert eine differenziertere Betrachtung
des Faktors „Alter“ in der operativen Therapieentscheidung.
Mit zunehmender Lebenserwartung und steigender Prävalenz des Prostatakarzinoms wird die Frage nach der optimalen
Therapie im Alter weiter an Bedeutung gewinnen. Die roboterassistierte Chirurgie bietet in diesem Kontext ein hohes
Maß an Sicherheit und Effektivität.
Fazit
Die Studie beweist, dass die roboterassistierte radikale Prostatektomie auch
bei älteren Männern ein sicheres Verfahren mit äußerst niedriger Komplikationsrate ist. Das Alter allein stellt keinen
limitierenden Faktor dar.
Ältere Patienten sollten bei entsprechender
onkologischer Indikation die gleiche Chance auf eine kurative Operation erhalten wie jüngere Patienten.
Zhu A, et al. 2025.
Effect of Age on Robotic-Assisted Radical Prostatectomy Outcomes: A Multi-center Analysis. UROLOGY 202:78–84
Oktober 2025
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