Synthetische Cannabis-Stoffe sind wirksam in der Behandlung der überaktiven Blase

Patienten mit multipler Sklerose (MS) zeigen häufig Symptome der OAB als Ausdruck einer neurogenen Blasenentleerungsstörung. Kürzlich wurde gezeigt, dass die Einnahme von Cannabis-Extrakten zu einer signifikanten Besserung der Inkontinenzepisoden und des häufigen Wasserlassens in dieser Patientengruppe führt. Der zugrundeliegende Mechanismus war jedoch nicht bekannt. Nun haben Forscher der Urologischen Klinik der LMU München in Koope-ration mit einer schwedisch-amerikanischen Arbeitsgruppe erstmalig einen neuartigen synthetischen Cannabis-Stoff ("Cannabinor") bei der Behandlung der OAB getestet.

PD Dr. med. Christian Gratzke (München)
"Cannabinor" wirkt selektiv auf eine bestimmte Untergruppe von Cannabinoid-Rezeptoren (CB2-Rezeptoren), die sich auf Nervenfasern in der Schleimhaut der Harnblase befinden. Diese Rezeptoren, die bei Ratte, Affe und Mensch gefunden wurden, vermitteln sowohl Informationen von der Harnblase zum Gehirn ("afferente Nerven") sowie vom Gehirn zur Harnblase ("efferente Nerven") (1). So zeigte sich im Tiermodell der Ratte - analog zu den Ergebnissen bei MS-Patienten - eine geringere Frequenz des Wasserlassens, sowie eine Erhöhung des Blasenvolumens nach Behandlung mit Cannabinor (2). Cannabinor wurde auch unter pathologischen Bedingungen getestet. Dabei wurde ein etabliertes Tiermodell der Ratte verwendet, bei dem eine überaktive Blase durch partielle Ligatur der Harnröhre induziert wurde. So lässt sich auch die Situation des alternden Mannes bei gutartiger Prostata-Vergrösserung simulieren. Hierbei zeigte sich nach chronischer Cannabinor-Gabe im Vergleich zur Kontrollgruppe (Placebo) eine Verbesserung der Harnspeicherstörungen und eine Reduktion der unwillkürlichen Harnblasenkontraktionen (3). Die vorgelegten vielversprechenden Ergebnisse müssen nun an weiteren Tiermodellen überprüft werden, bevor sie beim Menschen langfristig zum Einsatz kommen. Somit könnte die Verwendung von synthetischen Cannabis-Stoffen eine neuartige Therapieform in der Behandlung der überaktiven Blase beim Menschen darstellen.

Literatur:
(1) Gratzke C, Streng T, Park A, et al. 2009. Distribution and function of cannabinoid receptors 1 and 2 in the rat, monkey and human bladder. Journal of Urology 181:1939-1948.
(2) Gratzke, C., Streng, T., Stief, C.G., et al. 2010. Effects of Cannabinor, a novel selective Cannabinoid-2-receptor agonist, on bladder function in conscious rats. European Urology (epub ahead of print).
(3) Gratzke, C., Streng, T., Stief, C.G., et al. 2009. Cannabinor, a Novel Peripherally Acting Cannabinoid-2-Receptor Agonist Reduces Nonvoiding-Contractions in Rats with Partial Urethral Obstruction. Journal of Urology Suppl. 181:567.

Weitere Informationen:
PD Dr. med. Christian Gratzke
Oberarzt der Urologischen Klinik und Poliklinik
Klinikum der Universität München, Campus Großhadern
Marchioninistr. 15, 81377 München
Tel: +49 89 7095-0 oder -6716
E-mail: christian.gratzke@med.uni-muenchen.de
www.klinikum.uni-muenchen.de

Quelle: Pressestelle Klinikum der Universität München
E-Mail: philipp.kressirer@med.uni-muenchen.de

Juli 2010

 
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