Bei der Diagnose eines Hypogonadismus durch Messung des Serum-Testosteronspiegels bei Männern wird meist
davon ausgegangen, dass die Normbereiche des Testosterons in der gesunden Bevölkerung über alle
Altersstufen hinweg festliegen. Dass dem offenbar nicht so ist, veranlasste eine schottische Arbeitsgruppe dazu, einen
hilfreichen biochemischen Referenzbereich für die klinische Beurteilung hypogonadaler Männer zu erstellen.
Die aktuelle Analyse diente der Entwicklung eines Modells, mit dem Referenzbereiche festegegt werden, die bei
Männern mit auf Hypogonadismus hinweisenden Symptomen zur klinischen Entscheidungsfindung herangezogen werden
können [1].
Mittels Modellselektion und Validierungsanalyse von Daten aus 13 Studien wurde
ein normatives Modell des Gesamttestosteronspiegels bei Männern für die gesamte Lebensspanne abgeleitet und validiert.
Der longitudinale Abfall der Spiegel an Gesamttestosteron in der Massachusetts Male Aging Study (MMAS) war
individuell insbesondere stark ausgeprägt, wenn der Mann eine chronische Krankheit entwickelte, vermehrt Medikamente
einnahm, mit dem Rauchen aufhörte oder die Partnerin verlor
[2].
Der vorgeblich mit dem Altern im Zusammenhang stehende Abfall des Testosteronspiegels ist nicht interindividuell vorprogrammiert.
Im Wesentlichen hängt der Testosteronspiegel älterer Männer von individuell vorliegenden Faktoren wie Adipositas,
Depressionen, Rauchentwöhnung und interkurrenten Veränderungen des Gesundheitsstatus ab [3].
Die anhand des ausgewählten Modells berechneten mittleren Spiegel an Gesamttestosteron sind in
der
Abbildung in Form von Perzentilen bis ins Alter von 88 Jahren dargestellt.
Der mittlere Spiegel an Gesamttestosteron erreichte den Höchstwert von 15.4 (7.2–31.1) nmol/l [mittlere (2.5–97.5 Perzentile)] im
mittleren Alter von 19 Jahren. Danach fällt das Testosteron im Durchschnitt bis zum 40. Lebensjahr auf 13.0 (6.6–25.3) nmol/l
ab. Ein weiteres Absinken des Serum-
Testosterons findet nach den aktuellen Berechnungen bis ins hohe Alter nicht statt.
Allerdings nimmt die interindividuelle Variabilität der Testostosteronspiegel ab dem 40. Lebensjahr deutlich zu.
Die 95%igen Vorhersagegrenzen wachsen von 18,7 nmol/l mit 40 Jahren auf 24,5 nmol/l mit 88 Jahren an.
Damit wächst auch die Population der Männer, die in den Testosteronmangelbereich geraten.
wurde ermittelt, dass 41% der Veränderung des Serum-Testosterons im Verlauf des Lebens von Männern auf
das Alter allein zurückzuführen ist. Die restlichen 59% hängen danach mit anderen Faktoren wie Lebensstil, anthropometrischen
Parametern und dem Gesundheitsstatus ab.
Anhand datengesteuerter Modellierung und Analyse wurde ein normatives Modell des Gesamttestosterons über
die gesamte Lebensspanne erarbeitet.
Die Daten lassen anstelle eines allmählichen Abfalls des Spiegels an
Gesamttestosteron bei älteren Männern eine deutlich angestiegene Variabilität der Verteilung erkennen.
Daraus resultiert eine im Alter anwachsende Population hypogonadaler Männer, bei der eine Testosterontherapie
von Nutzen sein kann. Andererseits wächst aber auch der Anteil der Männer mit zum Teil deutlich ansteigendem
Testosteronspiegel an.