Klassifizierung:
    International werden heute mehrere Prostatitis-Syndrome nach der National-Institutes-of-Health
    (NIH)-Klassifizierung unterschieden (Tabelle):
  
  
    
  | NIH-Klassifikation der Prostatitis | 
  
  
  | Kategorie | 
  Bezeichnung | 
  Charakteristik | 
  
    
  |   I | 
  Akute bakterielle Prostatitis | 
  Akute Infektion der Prostata; Erreger aus Urinproben isolierbar | 
  
    
  |   II | 
  Chronische bakterielle Prostatitis | 
  Charakterisiert durch wiederkehrende Infektionen des Harntrakts | 
  
    
  |   III | 
  Chronische abakterielle Prostatitis/ 
  Beckenbodenschmerzsyndrom  (chronic pelvic pain syndrome) CP/CPPS | 
  Über 3 Monate andauernde Schmerzen in der Beckenregion, ohne daß uropathogene Bakterien
                  mittels Standardtechniken nanchgewiesen werden konnten | 
  
    
  |   IIIA | 
  Entzündlich bedingte chronische Prostatitis | 
  Erhebliche Anzahl von Leukozyten im Prostataexprimat, dem Urin nach
                  Prostatamassage oder im Samen | 
  
    
  |   IIIB | 
  Nichtentzündliches chronisches Schmerzsyndrom | 
  Kein Nachweis von Leukozyten im Prostataexprimat, dem Urin nach
                  Prostatamassage oder im Samen | 
  
    
  |   IV | 
  Asymptomatische Prostatitis | 
  Leukozyten im Prostataexprimat, dem Urin nach Prostatamassage, im Samen
                  oder Prostatagewebe bei asymptomatischen Männern (Zufallsbefund)  | 
  
  
        Die Klassifizierung der Prostatitis wurde erstmals 1995 vorgeschlagen und einige
            Jahre später publiziert:
            
            Krieger JN, Nyberg LJ, Nickel JC. 1999.
            NIH consensus definition and classification of prostatitis.
            JAMA 282:236-237.  
        
Die Unterscheidung der CP/CPPS Typ III in entzündlich (IIIA) und nicht-entzündlich (IIIB)
            ist noch nicht endgültig bestätigt:
            
            Nickel JC. 2003.
            Classification and diagnosis of prostatitis: a gold standard?
            Andrologia 35:160-167. 
            
        
Nach der klassischen Definition werden die akute Prostatitis, die chronische bakterielle
            Prostatitis, die chronische nicht-bakterielle Prostatitis und die Prostadynie unterschieden:
            
            Drach GW, Fair WR, Meares EM, Stamey TA. 1978.
            Classification of benign diseases associated with prostatic pain:
            prostatitis or prostatodynia?
            J Urol 120:266. 
            
      
    Pathophysiologie
    Die Ätiologie der/des CP/CPPS ist im wesentlichen unbekannt.
    
Die Symptome bei CP/CPPS scheinen auf ein Zusammenwirken psychologischer Faktoren
            mit Störungen des immunologischen, neurologischen und endokrinen Systems zurückzuführen sein:
            
            Pontari MA, Ruggieri MR. 2004.
            Mechanisms in prostatitis/chronic pelvic pain syndrome.
            J Urol 172:839-845. 
        
Testosteron hat an der Prostata offenbar unabhängig vom Dihydrotestosteron (DHT)
        anti-inflammatorische Wirkungen. Hierdurch lassen sich günstige Effekte durch Finasterid
        bei Patienten mit CPPS erklären:
            
            Nickel JC, Downey J, Pontari MA, et al. 2004.
            A randomized placebo-controlled
            multicenre study to evaluate the safety and efficacy of finasteride for male chronic
            pelvic pain syndrome (category IIIA chronic nonbacterial prostatitis).
            BJU Int 93:991-995. 
        
Schmerzen bei CPPS stehen im direkten Zusammenhang mit der Konzentration des
            Nerven-Wachstumsfaktors (NGF) und im umgekehrten Zusammenhang mit den
            entzündungsregulierenden Zytokinen Inzerleukin (IL)-6 und IL-10 im Seminalplasma :
            
            Miller LJ, Fischer KA, Goralnick SJ, et al. 2002.
            Nerve growth factor and chronic prostatitis/chronic
            pelvic pain syndrome. Urology 59:603-608. 
  
    Symptomatik
    Charakteristische Symptome bei chronischer abakterieller Prostatitis sind Mißempfindungen
    und Schmerzen im Bereich des Beckens und/oder des Perineums. Hinzu kommen oft Symptome des unteren
    Hatntrakts (LUTS: imperativer Harndrang, Pollakisurie, Nykturie, Dysurie, Harnträufeln,
    Harnstrahlunterbrechung), sexuelle Funktionsstörungen und Schmerzen bzw. Mißempfundungen
    in den Leisten, der suprapubischen Region, den Hoden und im Penis.
    
Die Auswirkungen von CP/CPPS auf die Lebensqualität sind denen bei Angina pectoris oder
        Morbus Crohn vergleichbar:
        
        Wenninger K, Hieman JR, Rothman I, et al. 1996.
        Sickness impact of chronic non-bacterial prostatitis and its correlates.
        J Urol 155:965-968.  
    
Eine CP/CPPS kann im unteren Harntrakt ähnliche Symptome (LUTS) hervorrufen wie auch
        eine BPH, Blasensteine, eine überaktive Blase, eine interstitielle Zystitis, ein Carcinoma in situ,
        Harntraktinfektionen und eine primäre Obstruktion des Blasenhalses. LUTS können durch
        zahlreiche sich überschneidende pathophysiologische Mechanismen hervorgerufen werden:
            
            Andersson KE. 2003.
            Storage and voiding symptoms: pathophysiologic aspects.
            Urology 62(Suppl 2):3-10. 
    
Der National Institutes of Health Chronic Prostatitis Symptom Index (NIH-CPSI) eignet sich
        weniger dazu, festzustellen, ob eine Prostatitis vorliegt oder nicht, als vielmehr den Schweregrad
        der Symptome bei einer diagnostizierten Prostatitis zu ermitteln:
            
            Roberts RO, Jacobson DJ, Girman CJ, et al. 2004.
            Low agreement between previous physician-diagnosed prostatitis
            and the National Institutes of Health Chronic Prostatitis Symptom Index pain measures.
            J Urol 171:279-283. 
    
Männer mit CP/CPPS, die regelmäßig post-ejakulatorische Schmerzen haben, sind in der Regel
            relativ junge Patienten, leiden vermehrt unter einer schlechten mentalen und physischen
            Lebensqualität und eine Besserung ihrer Symptomatik im Laufe der Zeit ist wenig wahrscheinlich:
            
            Shoskes DA, Landis JR, Nickel JC, et al. 2004.
            Impact of pain in men with catwegory III chronic
            prostatitis/chronic pelvic pain syndrome.
            J Urol 172:542-547. 
            
    Diagnostik
    
Die Zahl der Leukozyten, die beim 4-Glas-Test nachgewiesen werden und die Grundlage für die
        Klassifizierung des CPPS bildet, korreliert nicht mit dem Schweregrad der Symptomatik.
        Ebensowenig trifft das auf die Zahl der Bakterien zu:
            
            Schaeffer AJ, Knauss JS, Propert KJ, et al. 2002.
            Leukocyte and bacterial counts do not correlate with severity
            of symptoms in men with with chronic prostatitis: the National Institutes of Health Chronic
            Prostatitis Cohort Study.
            J Urol 168:1048-1053. 
        
Nur bei etwa 5% der Männer mit der Diagnose chronische Prostatitis läßt sich definitiv
            eine bakterielle Infektion nachweisen:
            
            Weidner W, Schiefer HG, Krauss H, et al. 1991.
            Chronic prostatitis: a thorough search for etiologically involved
            microorganisms in 1461 patients.
            Infection 19:119-125.
        
Männer mit CP/CPPS (Ausschluß einer chronischen bakteriellen Prostatitis) weisen
            statistisch in allen Fraktiones des 4-Glas-Tests – nicht jedoch in Samenproben
            – eine höhere Leukozytenzahl auf als Kontrollpersonen. Da aber auch bei einem
            relativ hohen Prozentsatz asymptomaler Männer Leukozyten vorzufinden sind, lassen
            sich aus deren Nachweis bei Patienten kaum Informationen gewinnen, die hinsichtlich
            der Therapie von Nutzen sein könnten:
            
            Nickel JC, Alexander RB, Schaeffer AJ, et al. 2003.
            Leukocytes and bacteria in men with chronic prostatitis/chronic
            pelvic pain syndrome compared to asymptomatic controls.
            J Urol 170:818-822.
  
    Therapie
        
Die drei am häufigsten eingesetzten Therapien bei CP/CPPS sind Antibiotika, Alpha-Blocker
            und Entzündungshemmer: 
            
            Schaeffer AJ, Landis JR, Knauss JS, et al. 2002.
            Demographic and clinical characteristics of men with chronic
            prostatitis: the NIH Chronic Prostatitis Cohort (CPC) Study.
            J Urol 168:593-598.
            Nickel JC. 2004.
            The three As of chronic prostatitis therapy: antibiotics,
            α-blockers and anti-inflammatories.
            BJU Int 94:1230-1233.
        
Gemäß einer europäischen Übereinkunft ist ein Therapieversuch mit Antibiotika bei
            dem entzündlichen CPPS (Typ IIIA), nicht aber bei dem nicht-entzündlichen
            CPPS (Typ IIIB) gerechtfertigt: 
        
            Bjerklund-Johansen TE, Gruneberg RN, Guibert J, et al. 1998.
            The role of antibiotics in the treatment of chronic prostatitis:
            a consensus statement.
            Eur Urol 34:457-466.
        
In einer Plazebo-kontrollierten Studie wurden Männern mit CP/CPPS sechs Wochen mit Levofloxacin
            behandelt. Die Besserung der Symptome bei Behandlungsende und einem Follow-up nach zwölf Wochen
            unterschied sich im Behandlungs- (n = 45) und Plazebo-Arm (n = 35) nicht signifikant:
        
            Nickel JC, Downey J, Clark J, et al. 2003.
            Levofloxacin for chronic prostatitis/chronic pelvic pain syndrome
            in men: a randomized placebo-controlled multicenter trial.
            Urology 62:614-617. 
        
Ciprofloxacin über sechs Wochen angewandt bringt Patienten mit refraktärer, seit längerer
            Zeit bestehender CP/CPPS keine Besserung der Symptome. Auch mit Ciprofloxacin in
            Kombination mit dem Alpha-Blocker Tamsulosin und mit Tamsulosin alleine wurden
            keine Therapieerfolge erzielt.
        In einem assoziierten Editorial bekräftigt W. Weidner die Schlußfolgerung, daß der
            Einsatz von Antibiotika bei CP/CPPS keinen Wert hat, unterstützt aber auch die Vermutung
            der Autoren, daß eine längere Dauer mit dem Alpha-Blocker unter Umständen dennoch
            sinnvoll sein kann, zumal bereits diesbezügliche Studien mit positiven Ergebnissen
            vorliegen:
        
            Alexander RB, Propert KJ, Schaeffer AJ, et al. and the Chronic Prostatitis
            Collaborative Research Network 2004.
            Ciprofloxacin or tamsulosin in men with chronic prostatitis/chronic
            pelvic pain syndrome. Ann Intern Med 141:581-589.
            Weidner W. 2004.
            Treating chronic prostatitis: antibiotics no,
            α-blockers maybe. Ann Intern Med 141:639-640.
            
        
Männer mit CP/CPPS, die nicht mit Alpha-Blockern vorbehandelt waren, erhielten 14 Wochen
            Terazosin oder ein Plazebo. Der Alpha-Blocker erwies sich in der Ansprechrate und der
            Veränderung im NIH-CPSI-Score gegenüber Plazebo als überlegen:
        
            Cheah PY, Liong ML, Yuen KH, et al. 2003.
            Terazosin therapy for chronic prostatitis/chronic pelvic pain
            syndrome: a randomized, placebo controlled trial.
            J Urol 169:592-596.
        
Nach 6-wöchiger Behandlung mit Tamsulosin war bei Patienten mit schwereren
            CP/CPPS-Symtomen gegenüber Plazebo ein signifikanter Effekt nachweisbar:
            
            Nickel JC, Narayan P, McKay J, Doyle C. 2004.
            Treatment of chronic prostatitis/chronic pelvic pain syndrome
            with tamsulosin: a randomized double blind trial.
            J Urol 171:1594-1597.
        
Unter einer sechsmonatigen Alfuzosin-Therapie besserte sich bei CP/CPPS-
            Patienten insbesondere die Schmerz-assoziierte Symptomatik:
            
            Mehik A, Alas P, Nickel JC, et al. 2003.
            Alfuzosin treatment for chronic prostatitis/chronic pelvic pain
            syndrome: a prospective, randomized, double-blind, placebo-controlled, pilot study.
            Urology 62:424-429.
        
Patienten mit CP/CPPS (Typ IIIA und B) erfuhren in einer Plazebo-kontrollierten Studie mit dem
            Bioflavanoid Quercetin eine signifikante Besserung ihrer Symptome: 
        
            Shoskes DA, Zeitlin SI, Shahed A, Rajfer J. 1999.
            Quercetin in men with category III chronic prostatitis:
            a preliminary prospective, double-blind. placebo-controlled trial.
            Urology 54:960-963.
        
In einer Pilotstudie ließ sich bei zwölf therapierefraktären CP/CPPS-Patienten mittels
            Akupunktur eine deutliche, dauerhafte Besserung der Beschwerdesymptomatik herbeiführen:
        
            Chen R, Nickel JC. 2003.
            Acupuncture ameliorates symptoms in men with chronic
            prostatitis/chronic pelvic pain syndrome.
            Urology 61:1156-1159.