Immuncheckpoint-Inhibitoren sind bei fortgeschrittenen Krebserkrankungen eine wichtige Therapieoption.
Trotz gleicher Diagnose sprechen allerdings einzelne Patientengruppen unterschiedlich auf die
Immuntherapie an. Biomarker können hierbei helfen, eine bessere Vorhersage für den Therapieverlauf
treffen zu können. Ein solcher Biomarker ist die Anzahl der erworbenen Mutationen im Erbgut der
Tumorzelle, die sogenannte Tumormutationslast (TMB). Je mehr erworbene Genveränderungen sich im
Tumor finden, desto höher die Wahrscheinlichkeit, dass die körpereigene Immunabwehr aktiviert
wird und neue Wirkstoffe, wie beispielsweise die sogenannten Checkpoint-Inhibitoren, wirken.
Um die Mutationslast im Tumorgewebe zu bestimmen, werden aktuell vor allem zwei Verfahren
eingesetzt: Bei der Exom-Sequenzierung – auch Whole-Exome Sequencing (WES) genannt – werden
alle circa 20.000 Gene entschlüsselt, die für die Eiweißmoleküle in einer Zelle kodieren.
„Die WES-Analyse liefert uns sehr genaue und verlässliche Daten, deren Auswertung und
Interpretation Grundlage für weitere Therapieempfehlungen sein kann. Allerdings ist das
Verfahren mit einer Analysezeit von drei bis vier Wochen relativ langsam und daher für
die breite klinische Routinediagnostik bislang noch nicht geeignet. Auch sehr kleine
Gewebeproben sind mitunter schwierig mittels WES zu analysieren“, erklärt Stefan Fröhling,
Geschäftsführender Direktor am Nationalen Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) Heidelberg
und Leiter der Abteilung für Translationale Medizinische Onkologie am Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ).
Bei einer Gen-Panel-Untersuchung wird eine kleinere Anzahl von mehreren Hundert Genen
in kürzerer Zeit analysiert. Die Methode lässt auf Basis der untersuchten Genabschnitte
eine Schätzung der Mutationslast im Tumorgewebe zu. Auch methodisch ist das Verfahren
weniger aufwändig, da im Gegensatz zur WES-Analyse kein frisches Tumormaterial benötigt
wird, sondern die Untersuchung an paraffineingebetteten Gewebeschnitten erfolgen kann,
wie sie üblicherweise für die Diagnose genutzt werden und in der Pathologie vorliegen.
Seit Kurzem kann sogar Tumor-DNA aus dem Blut des Patienten für die Multi-Gen-Analyse
verwendet werden.
Mittlerweile sind mehrere Gentests für die Bestimmung der Tumormutationslast erhältlich,
die in einem Labor eingesetzt werden können. „Allerdings fehlte bisher eine detaillierte
Bewertung der Gesamtleistung dieser TMB-Tests. Wir haben uns daher gefragt, inwieweit die
Ergebnisse der unterschiedlichen Tests, auch über verschiedene Einrichtungen hinweg,
vergleichbar sind. Zudem hat uns interessiert, ob die Methode ähnlich zuverlässige Aussagen
liefert wie die Exom-Sequenzierung und welche Faktoren die Messungen beeinflussen“, berichtet
Albrecht Stenzinger, Leiter des Molekularpathologischen Zentrums am Institut für Pathologie,
Universitätsklinikum Heidelberg (UKHD) und Wissenschaftler am Deutschen Zentrum für
Lungenforschung (DZL).
In einer aktuellen Untersuchung haben die Wissenschaftler und Ärzte mehrerer Universitätspathologien
in Deutschland und der Schweiz unter der Schirmherrschaft der Qualitätssicherungs-Initiative
Pathologie (QuiP) die Leistung und Qualität von sechs verschiedenen Gentests an 20 Tumorproben
überprüft, untereinander verglichen und der Analysegenauigkeit des WES-Verfahrens
gegenübergestellt. Die Gewebeproben stammten von Patienten mit Lungenkrebs, Kopf-Hals-Tumoren
und Darmkrebserkrankungen. Jede Tumorprobe wurde mit den sechs Gen-Panels und an 15 Institutionen
mehr als 20 Mal getestet, was zu über 450 Datensätzen führte. Mit einer Übereinstimmung von
87,7 Prozent waren die Ergebnisse zwischen den Panel-Tests und den Zentren sehr gut vergleichbar.
In 74,9 Prozent stimmten die Untersuchungsdaten zur TMB Bestimmung aus den Gen-Panel-Tests mit
den Analysen der WES überein.
Die Studie hat gezeigt, dass man mit den untersuchten Gen-Panels die Tumormutationslast näherungsweise bestimmen kann und ein verlässliches Ergebnis erhält, um Patienten gezielt auswählen zu können, die von einer Immuntherapie profitieren könnten. „Unsere Studienergebnisse sind ein wichtiger Beitrag zur Bewertung solcher Gentests in der klinischen Routinediagnostik“, sagt Matthias Schlesner, Leiter der Nachwuchsgruppe Bioinformatik und Omics Data am DKFZ und Wissenschaftler des DZL. „Wir konnten aber auch Faktoren identifizieren, die die Ergebnisse der Gentests in der täglichen Praxis beeinflussen. Hierzu gehören beispielsweise die Anzahl der Tumorzellen im Gewebeschnitt oder auch die Qualität der enthaltenen DNA. Weitere Untersuchungen werden sich daher auch damit beschäftigen, diese Störfaktoren zu reduzieren und einheitliche bioinformatische Analyseverfahren zu entwickeln“, ergänzt Stenzinger.
Originalpublikation:
Stenzinger A, Endris V, Budczies J, Merkelbach-Bruse S, Kazdal D, et al. 2020. Harmonization
and Standardization of Panel-Based Tumor Mutational Burden (TMB) Measurement: Real-World Results
and Recommendations of the QuIP StudyJournal of Thoracic Oncology (JTO)
https://www.jto.org/article/S1556-0864(20)30135-0/pdf
Quelle: Nationales Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) Heidelberg www.nct-heidelberg.de und
Universitätsklinikum Heidelberg und Medizinische Fakultät der Universität Heidelberg
www.klinikum.uni-heidelberg.de
9. März 2020 |
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