Verhütung
Erste monophasische Kombinationspille mit natürlichem Estradiol
 

Bei kombinierten oralen Kontrazeptiva basiert die empfängnisverhütende Wirkung in erster Linie auf der Gestagenkomponente, während das Estrogen primär benötigt wird, um den Zyklus zu stabilisieren, damit keine unerwünschten Blutungen auftreten. In fast allen heute erhältlichen Kontrazeptiva wird das synthetische Ethinylestadiol (EE) verwendet. Die Entwicklung eines oralen Kontrazeptivum, das mit der Wirkung eines natürlichen Estadiols (E2) eine vergleichbar gute Zykluskontrolle wie mit dem EE aufweist, schien lange Zeit unerreichbar. Mit der neuen Verhütungspille (Handelsname Zoely®) ist es nun gelungen ein erstes monophasisches Präparat mit einer einzigartigen Hormonzusammensetzung zu entwickeln, das sichere kontrazeptive Wirkung und stabilen Zyklus gewährleistet. Zoely® ist das erste Monophasenpräparat in einem 24/4 Regime, das das bioidentische Estradiol (E2, 1,5 mg) kombiniert mit dem hochselektiven Gestagen Nomegestrolacetat (NOMAC, 2,5 mg) beinhaltet. Die Pille erfüllt in puncto kontrazeptiver Sicherheit, Zykluskontrolle und Verträglichkeit die hohen Standards moderner Pillen-Präparate und wurde im Rahmen der Forbildungsveranstaltung "MSD Colloquium Gynäkologie" in Berlin vorgestellt.

Ersetzen des synthetischen EE durch natürliches Estradiol


Die Estrogenkomponente in oralen Kontrazeptiva dient in erster Linie der Zyklusstabilität. Entscheidend für die Zyklusstabilität ist nicht die absolute Höhe des Estrogenspiegels sondern die Gleichmäßigkeit der Estrogenwirkung am Endometrium, die einen stabilen Proliferationszustand gewährleistet, erläuterte in seinem Vortrag Prof. Dr. A.O. Mueck (Tübingen). Das synthetische Ethinylestadiol durch physiologisches Estradiol E2 zu ersetzen war deswegen schwierig, weil die bioverfügbarkeit von Estradiol deutlich geringer ist als die von Ethinylestadiol und E2 in Gegenwart eines Gestagens schnell zu Estron oxidiert. Ein potenter Gestagen mit langer Halbwertzeit wurde benötigt, um diese Stabilität mit E2 zu erreichen, so Mueck. Denn wirkt das Gestagen lang und gleichmäßig, entstehen nur geringe Schwankungen der Estrogenwirkung am Endometrium. Nomegestrolacetat (NOMAC)hat eine etwa 50-stündige Halbwertzeit und weist eine hoch selektive, stark ausgeprägte antigonadotrope und milde antiandrogene Wirkung ohne androgene, gluko- oder mineralokortikoide Partialwirkungen. NOMAC ist derzeit das einzige von 19-Norprogesteron abgeleitete Gestagen in einem oralen Kontrazeptivum.


  
Abb. 1.: Solide ovarielle Suppression unter NOMAC/E2: In beiden Behandlungsgruppen ging der mittlere Follikeldurchmesser zurück. Follikel größer als 15 mm wurden unter NOMAC/E2 bei keiner Probandin, in der Vergleichsgruppe bei zwei Probandinnen festgestellt (nach Duijkers IJ, et al. 2010. Eur J Contracept Reprod Health Care, 15: 314-325).
 
Überzeugende kontrazeptive Sicherheit (Abb. 1)

Die Zulassung von Zoely® basiert auf Ergebnissen einer klinischen Phase-III-Studie (SAMBA). Zielsetzung dieser Studie war die Untersuchung der Wirksamkeit, Zykluskontrolle und Verträglichkeit des neuen Kontrazeptivums an einer großen Gruppe gesunder Frauen im Alter von 18 bis 50 Jahren - unabhängig von Alter, ethnischer Zugehörigkeit, Raucher-Status oder Körpergewicht. Die Wirksamkeit und Sicherheit von Zoely® (NOMAC/E2) wurde über ein Jahr lang (13 Zyklen) in einem 24/4-Tage-Regime untersucht. Vergleichssubstanz war ein kombiniertes orales Kontrazeptivum aus 3mg Drospirenon (DRSP) und 30 µg Ethinylestradiol (EE) in einem 21/7-Tage Regime. Beteiligt an dieser Studie waren insgesamt 2.126 gesunde sexuell aktive Frauen zwischen 18 und 50 Jahren aus Europa, Asien und Australien. 1.591 Probandinnen erhielten das neue Kombinationspräparat, 535 Studienteilnehmerinnen das Vergleichspräparat.

Der Pearl-Index von NOMAC/E2 lag bei Frauen zwischen 18 und 35 Jahren bei 0,38 und bei der Gesamtgruppe der Probandinnen bei 0,31, verglichen mit 0,81 bzw. 0,66 unter DRSP/EE. Der Unterschied war nicht statistisch signifikant.
Da NOMAC eine lange Halbwertzeit (50 Stunden) und die Ovulation daher besonders zuverlässig und lange unterdrückt, durften die Frauen in der NOMAC/E2-Gruppe die Pille einmal vergessen (in der zweiten Woche zwischen Tag 8 und 17 sogar zweimal), ohne dass sie eine zusätzliche Verhütungsmethode anwenden mussten. In der DRSP/EE-Gruppe mussten die Frauen beim Vergessen einer Pille (oder zwei zwischen Tag 8 und 14) eine zusätzliche Verhütungsmethode anwenden. Trotz der weniger stringenten Vorschriften in der NOMAC/E2-Gruppe traten weniger Schwangerschaften auf als in der DRSP/EE-Gruppe, der Unterschied war jedoch nicht signifikant, berichtete Dr. A. Schwenghagen (Hamburg).

Verbessertes Blutungsverhalten, gute Verträglichkeit

Die Abbruchblutungen waren bei den Anwenderinnen von NOMAC/E2 im Mittel ein bis zwei Tage kürzer (durchschnittliche Dauer 3-4 Tage) als unter DRSP/EE (durchschnittlich 5 Tage) (Abb. 2). Beide Kontrazeptiva waren gut verträglich und hatten ein ähnliches Sicherheitsprofil. Die Rate an Zwischenblutungen/Schmierblutungen innerhalb des Zyklus war in beiden Gruppen gering und nahm im Laufe der Zeit ab. Arzneimittelbedingte Nebenwirkungen wurden unter dem neuen Kontrazeptivum bei 51% und unter DRSP/EE bei 37% der Frauen berichtet. Die häufigsten unerwünschten Wirkungen unter NOMAC/E2 und DRSP/EE waren Akne (15% bzw. 7%), Ausbleiben der Abbruchblutungen (12% bzw. 0,4%), Gewichtszunahme (8% bzw. 6%) und Kopfschmerzen (7% bzw. 6%).


  
Abb. 2.: Phase-III-Studie SAMBA: Ausbleiben bzw. Dauer der Entzugsblutung.
Die Abbruchblutungen waren bei den Anwenderinnen von NOMAC/E2 im Mittel ein bis zwei Tage kürzer (durchschnittliche Dauer 3-4 Tage) als unter DRSP/EE (durchschnittlich 5 Tage). Das Blutungsverhalten in frühen Zyklen war ein Indikator für das Blutungsverhalten in späteren Zyklen (nach Mansour D, et al. 2011. The Eur J Contracept Reprod Health Care, 16: 430–443).
 


Ein Ausbleiben der Entzugsblutungen - in der SAMBA-Studie bei ca. 10 % Frauen, die NOMAC/E2 einnahmen - kann eine Folge der langen Halbwertzeit von NOMAC, seiner starken endometrialen Wirkung und der kürzeren hormonfreien Phase im 24/4 Regime sein. Für die Praxis erscheint es wichtig bei der Verordnung der neuen Pille die Frauen über die Möglichkeiten solcher "silent menstruations" aufzuklären, betonte Schwenghagen.


Fazit

Die Entwicklung von Kombinationspillen mit bioidentischem Estradiol (E2) statt des synthetischen EE kann als Meilenstein in der Geschichte der hormonalen Kontrazeption bezeichnet werden. Die neue Pille bietet den Frauen eine zuverlässige Verhütungsmethode mit einem stabilen Zyklus und verkürzten und leichteren Regelblutungen.
Das neue Kontrazeptivum wurde so konzipiert, dass die Wirkungen auf nicht-reproduktive Systeme gering sind und die potenziell negative Stoffwechsel-, Herz-Kreislauf- und hepatische Nebenwirkungen minimiert werden sollten. Ob sich die mit dem Austausch von EE gegen E2 verbundenen Hoffnungen erfüllen, wird sich zeigen müssen.

mk


Quelle: "MSD Colloquium Gynäkologie” am 21.01.2012 in Berlin. Veranstalter: MSD SHARP & DOHME GmbH.