September 2005 
 

Wie unterscheiden männliche Gehirne zwischen Frauen- und Männerstimmen?


Die menschliche Stimme ist ein wichtiges Identitätsmerkmal. Aus ihr lassen sich eine Reihe von Informationen wie Geschlecht, Alter und Stimmungslage über den Sprecher heraushören. Hierfür muß die Stimme im Gehirn des Hörers offenbar bestimmte Mechanismen auslösen. Um die Hypothese zu überprüfen, wonach durch Frauen- und Männerstimmen im männlichen Gehirn zur Identifizierung des Geschlechts spezifische Areale aktiviert werden, wurden entsprechende Untersuchungen mit funktionellem Neuroimaging durchgeführt (Sokhi DS, et al. 2005):

Zwölf Männer ohne neurologische oder psychiatrische Störungen mit gutem Gehör nahmen eine Folge von Frauen oder Männern gesprochenen, nichtssagenden Sätzen wahr. Die Aktivierung stimmselektiver Gehirnareale erfolgte mittels funktioneller Kernspinresonanz-Tomographie

Frauen- und Männerstimmen aktivieren unterschiedliche Areale im männlichen Gehirn

Nehmen Männer eine Frauenstimme wahr, werden bei ihnen stimmselektive Regionen im rechten Gyrus temporalis superior aktiviert. Männer identifizieren hingegen die Stimme eines anderen Mannes im Bereich des Praecuneus, der medialen Fläche des Parietallappens.

Klinischer Bezug zur Entstehung von Halluzinationen?
Akustische verbale Halluzinationen, d. h. die Wahrnehmung von Stimmen ohne Korrelat zur Außenwelt, sind die ersten und häufigsten Symptome der Schizophrenie. Durch Untersuchungen mit funktioneller Kernspinresonanz-Tomographie weiß man, daß die Hörrinde (auditorischer Cortex) während halluzinogener Wahrnehmungen anomal stark aktiv ist. Hieraus erwächst die Vorstellung, akustische verbale Halluzinationen könnten in den gleichen neuronalen Verbindungen der Rindenareale entstehen, in denen durch normale Sprache Aktivitäten ausgelöst werden. Die Stimmen bei halluzinogenen Episoden werden unabhängig vom Geschlecht des Patienten zu ca. 70% als männlich wahrgenommen. Aus der Identifizierung stimmselektiver Gehirnareale erhofft man sich, Rückschlüsse auf mutmaßliche neuronale Anomalien bei Schizophrenie ziehen zu können.

Aus der Erkenntnis, daß Männer- und Frauenstimmen im männlichen Gehirn unterschiedliche Bezirke aktivieren, werden Hinweise auf die Entstehung akustischer verbaler Halluzinationen erwartet.
 

Sokhi DS, Hunter MD, Wilkinson ID, Woodruff PWR. 2005. Male and female voices activate distinct regions in the male brain. NeuroImage27:572-578.
 

September 2005

Drucken
Autor: JF Schindler