November 2004 
 

Expression des Östrogenrezeptors-beta in Metastasen von Prostatakarzinomen


Als vor mehr als 60 Jahren die Androgenabhängigkeit des Prostatakarzinoms erkannt worden war, erwies sich neben der Orchiektomie auch die Gabe der östrogen wirkenden Substanz Diäthylstilböstrol als therapeutisch wirksam. Hierbei traten jedoch erhebliche Nebenwirkungen auf, so daß diese Therapieform seit der Entwicklung effektiver LHRH-Analoga als obsolet gilt.

Neueren Erkenntnissen zufolge beruht die inhibierende Wirkung der Östrogene auf das Wachstum von Prostatakarzinomen nicht allein auf der Androgen-Suppression. Vielmehr gibt es Befunde, wonach Östrogene direkt über Östrogenrezeptoren (ER) zytotoxisch auf Prostatakarzinomzellen wirken. Nachdem heute zwei ER bekannt sind, eröffnet sich unter Umständen die Möglichkeit, selektiver als mit Diäthylstilböstrol behandeln zu können. Um eine diesbezügliche Option auszuloten, wurde in Prostatakarzinom-Metastasen immunhistochemisch nach ER-b gefahndet (Lai JS, et al. 2004):

ER-b-Expression in sämtlichen ossären und nicht-ossären Metastasen
Verschiedene Prostatakarzinom-Metastasen (Lymphknoten, Leber, Lunge, Peritoneum) von 20 verstorbenen Patienten wurden mittels eines Anti-ER-b-Antikörpers immunhistochemisch untersucht. In etwa der Hälfte ossärer und 80 % nicht-ossärer Metastasen wurde eine intensive Immunoreaktivität in 50 % oder mehr der Tumorzellen registriert. Allerdings wurde eine hohe interindividuelle Variabilität bezüglich des Anteils immunoreaktiver Zellen verzeichnet. Ebenso waren verschiedene Proben ein und desselben Patienten teilweise unterschiedlich reaktiv.

Renaissance der Östrogentherapie bei metastasiertem Prostatakrebs?
Die Behandlung des Androgen-unabhängigen Prostatakarzinoms stellt trotz jüngster Erfolge mit einer Taxan-basierten Chemotherapie weiterhin Probleme dar. Daher werden bei der Suche nach neuen Therapieformen auch wieder Östrogene in Betracht gezogen. So wurde bereits angeregt, die Therapie mit Diäthylstilböstrol als Ergänzung der Androgendeprivation nochmals zu überdenken. Mit einer niedrigen Dosierung ließen sich möglicherweise Effekte erzielen, ohne übergebührliche Nebenwirkungen in Kauf nehmen zu müssen.

Seit der Entdeckung, daß die Metastasen des Prostatakarzinoms in hohem Maße den ER-b exprimieren, werden allerdings sogenannte selektive Östrogenrezeptor-Modulatoren (SERM) als mögliche Therapeutika favorisiert. Diese könnten auf Prostatakarzinom-Metastasen einwirken, ohne daß unerwünschte Effekte über den ER-ER-a in Kauf genommen werden müssen. Zunächst sollte jedoch untersucht werden, welche Art von Wirkungen an den Metastasen über die ER-b ausgeübt werden.
 

Lai JS, Brown LG, True LD, et al. 2004. Metastases of prostate cancer express estrogen receptor-beta. Urology 64:814-820.
 

November 2004

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Autor: JF Schindler