Weltbewegende, erschütternde Ereignisse wie Naturkatastrophen und Unheil
aus Menschenhand beeinflussen die sogenannte sekundäre Geschlechterverteilung.
Zumeist sinkt dann der prozentuale Anteil der Jungen an den Lebendgeburten einer bestimmten Zeitspanne.
Auch nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 in New York und
Washington war in den USA ein anteilmäßiger Rückgang der Geburten von Jungen erwartet worden.
Diesbezügliche Untersuchungen in Kalifornien
sollten zugleich zwei Hypothesen überprüfen: Die schrecklichen Ereignisse könnten
einerseits dazu geführt haben, daß mehr männliche als weibliche Embryos bzw. Feten in utero
starben und andererseits könnten in den Folgemonaten weniger Jungen wie üblich gezeugt worden sein
(Catalano R, et al. 2005):
Nach Katastrophen jeder Art und auch in Zeiten einer Wirtschaftsdepression verringert sich
die Wahrscheinlichkeit, daß schwangere Frauen
lebensfähigen männlichen Nachwuchs zur Welt bringen. Dies läßt sich anhand der Geburtenregister
mehrerer Länder eindeutig belegen. Aus Sicht der sekundären Geschlechterverteilung
ist Krieg aber offenbar kein sonderliches Unglück, denn dann steigt vielfach der Anteil
an männlichen Neugeborenen.
Erstaunlicherweise wurden auch in Deutschland kurz nach dem Mauerfall in den jetzigen neuen Bundesländern
prozentual zu wenige Jungen geboren. Das Berlin-Institut für Weltbevölkerung – von dem die
Zahlen stammen – erklärt dies mit der erhöhten psychischen Belastung der Menschen in dieser
Zeit des Wandels.
Gefährden erhöhte mütterliche Glukokortikoid-Spiegel insbesondere
männliche Feten?
Im Oktober und November 2001 war in Kalifornien der Anteil männlicher Feten an
spontanen Aborten nach der 20. Schwangerschaftswoche seit Beginn
einer sechsjährigen Registrierung am höchsten. Dementsprechend entstand bei der sekundären
Geschlechterverteilung ein Defizit an männlichen Säuglingen. Dafür war der Anteil der Jungen an den
Kindern mit einem sehr niedrigen Geburtsgewicht anschließend im Dezember so niedrig
wie noch nie.
Extreme Belastungen während der Schwangerschaft gefährden das Leben des Ungeborenen.
Effektiv sterben unter solchen Bedingungen überproportional viele männliche Feten. Hierfür sollen
insbesondere hormonelle Faktoren eine Rolle spielen. Denn unter Streß produzieren schwangere
Frauen in erhöhtem Maße Kortisol. Durch den verstärkten Glukokortikoid-Einfluß sind
männliche Feten wahrscheinlich stärker gefährdet als weibliche. Auch wenn eine zeitweilige
leichte Verschiebung der Geschlechterverteilung bei Neugeborenen an sich keinen Grund zur
Beunruhigung gibt, läßt sich doch erkennen, wie sehr sich psychische Belastungen auf biologische
Prozesse – zumindest die bei Frauen und ungeborenem männlichen Nachwuchs – auswirken können.
Das Geschlechterverhältnis bei der Zeugung blieb unverändert
Verschiedenen Theorien zufolge könnte in Streßsituationen die Konzeption von Mädchen
begünstigt sein. Zurückzuführen sei dies auf eine herabgesetzte Motilität der Spermien
und auf eine verringerte Koitus-Häufigkeit. Hieraus würde zunächst eine Verschiebung
der primären Geschlechterverteilung resultieren, die sich in der Folge auch in der sekundären
Geschlechterverteilung niederschlägt.
Die Hypothese, daß unter dem Eindruck der Ereignisse vom 11. September weniger männliche
Nachkommen gezeugt worden sein könnten, bestätigte sich nicht. Im fraglichen Zeitraum
des folgenden Jahres zeigte die sekundäre Geschlechterverteilung bei den Neugeborenen
keine Auffälligkeiten.
Nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 erhöhte sich in Kalifornien der
Anteil männlicher Feten/Kinder an den Aborten/Totgeburten der beiden Folgemonate.
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