Adjuvante Androgendeprivationstherapie (ADT) trägt zur Lebensverlängerung von Prostatakrebs-Patienten
bei. Als Komplikationen der Behandlung sind Osteoporose, Sexualstörungen, Gynäkomastie und negative
Veränderungen der Körperzusammensetzung seit längerem gut dokumentiert. Weniger erforscht waren bis vor
Kurzem die metabolischen Deviationen unter einer ADT wie Insulinresistenz, Diabetes mellitus, Dyslipidämie
und metabolisches Syndrom (Shahani S, et al. 2008):
Publikationen der letzten 20 Jahre mit den Schlüsselwörtern Androgendeprivationstherapie UND Insulinresistenz,
Hyperglykämie, Diabetes, Dyslipidämie, metabolisches Syndrom und kardiovaskuläre Krankheit wurden anhand
einer MEDLINE-Suche identifiziert und ausgewertet.
Insulinresistenz und Hyperglykämie
Kurzzeitige ADT führt zu keiner Veränderung des Blutzuckerspiegels. Allerdings entwickelt sich innerhalb
weniger Wochen eine Insulinresistenz. Kompensatorisch steigt der Serum-Insulinspiegel an, so dass
der euglykämische Zustand zunächst aufrechterhalten werden kann.
Bei einer längerfristigen ADT steigt die Prävalenz eines erhöhten Nüchtern-Blutzuckerspiegels gegenüber
Kontrollen deutlich an (Abb.). Er liegt in zahlreichen Fällen oberhalb 126 mg/dl, so dass der Verdacht auf
Diabetes mellitus besteht.
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Prävalenz des metabolischen Syndroms und zwei seiner Komponenten bei Prostatakrebs-Patienten,
die sich einer langfristigen Androgendeprivationstherapie (ADT) unterziehen, bei Prostatakrebs-Patienten
ohne ADT und gesunden Kontrollen (nach Braga-Basaria M, et al. 2006.
J Clin Oncol 24:3079-3983).
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Metabolisches Syndrom
Heute liegen Beweise dafür vor, dass Hypogonadismus ein unabhängiger Risikofaktor für die Entwicklung
eines metabolischen Syndroms ist. In einer Querschnittsstudie hatten mehr als die Hälfte der Patienten
unter einer ADT ein metabolisches Syndrom, während die Inzidenz bei den Kontrollen nur ca. 20% betrug (Abb.).
Dyslipidämie
Epidemiologische Untersuchungen der jüngeren Vergangenheit haben gezeigt, dass
ein niedriger Testosteronspiegel bei Männern mit einem ungünstigen Lipidprofil
assoziiert ist. Folgerichtig ließ sich in Interventionsstudien bei hypogonadalen Männern
nach Testosteronausgleich eine Verbesserung der Lipdwerte registrieren.
Die Veränderungen der Plasmalipoprotein-Spiegel unter einer ADT unterschieden sich
je nach Art der Therapie. Am günstigsten war das Lipidprofil unter einer Kombinationstherapie
(GnRH-Analoga zusammem mit Androgenrezeptor-Antagonisten).
Kardiovaskuläre Mortalität
Bei Prostatakrebs-Patienten ist die kardiovaskuläre Mortalität sehr hoch. Sie nimmt
hinter der Krebs-spezifischen Mortalität den zweiten Rang ein, oder übertrifft sie neueren
Daten zufolge sogar noch. Ferner wurde für Männer unter einer ADT eine 20% höhere
kardiovaskuläre Mortalität ermittelt als bei Prostatakrebs-Patienten ohne ADT. Selbst
bei einer nur 6-monatigen ADT, erlitten die Männer vermehrt frühzeitig einen Myokardinfarkt.
Metabolische Deviationen unter einer ADT wie Insulinresistenz, Diabetes mellitus, Dyslipidämie
und metabolisches Syndrom könnten im Zusammenhang mit der erhöhten kardiovaskulären Mortalität bei
Prostatakrebs-Patienten stehen.
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Vor Einleitung einer ADT sollten Nutzen und Risiken für den Patienten auch hinsichtlich des
kardiovaskulären Risikos abgewogen werden.
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