Seit bekannt ist, dass das Wachstum von Prostatakrebs (PCa)
durch Androgendeprivation – wenn auch meist nur vorübergehend – gestoppt
werden kann, wurden höhere Testosteronspiegel a priori mit einem erhöhten
PCa-Risiko in Verbindung gebracht. Allerdings hielt diese Auffassung
verschiedenen Überprüfungen in den letzten Jahren nicht nur nicht stand,
sondern scheint sich sogar ins Gegenteil zu kehren. Diesbezüglich wurde
untersucht inwieweit das Verhältnis von Serum-Testosteron zu Prostata-spezifischem
Antigen (T/PSA) bei hypogonadalen Männern, die sich einer Prostatabiopsie
unterziehen, von diagnostischer Bedeutung sein kann (Rhoden EL, et al. 2008):
Bei hypogonadalen Männern mit einem PSA-Wert <4,0 ng/ml ist die
Wahrscheinlichkeit eines positiven Prostatabiopsie-Befundes umso
größer, je niedriger der Testosteronspiegel ist (Morgentaler A, Rhoden EL, 2006).
Von 345 hypogonadalen Männern wiesen 15 % ein PCa auf. Dieser Anteil
entspricht dem in der Prostate Cancer Prevention Trial, nur dass die
Männer im Durchschnitt zehn Jahre jünger waren.
Die aktuelle Analyse wurde mit den Daten einer Untergruppe von Männern
aus obiger Studie durchgeführt. Es handelte sich um 184 aufeinanderfolgende
Patienten mit niedrigem Testosteronspiegel (3,0 ng/ml) und entsprechender
Symptomatik, die sich vor der Einleitung einer Testosteron-Substitutionstherapie
einer Prostatabiopsie unterzogen hatten.
Niedriges T/PSA-Verhältnis
unabhängiger Prädiktor für PCa
Bei 30 der 184 Studienteilnehmer wurde anhand des Biopsiebefundes ein
PCa diagnostiziert. Das mittlere Alter der Männer ohne PCa betrug 58
Jahre, und das der Männer mit PCa 61 Jahre. Die mittleren PSA-Werte
betrugen 1,28 ± 0,95 bzw. 2,15 ± 1,12 und die Spiegel im Serum an
Gesamttestosteron 2,3 bzw. 2,2 ng/ml. In der Gruppe von Patienten
ohne PCa wurde ein T/PSA-Verhältnis von 2,85 ± 2,12 und in der Gruppe
mit PCa eines von 1,41 ± 0,99 errechnet.
Bei fünf Patienten wurde ein Gleason Score höher als 6 ermittelt.
In vier dieser Fälle war das T/PSA-Verhältnis <0,85.
In der univariaten Analyse erhöhte sich das PCa-Risiko mit zunehmendem
PSA-Wert signifikant und verhielt sich umgekehrt zum T/PSA-Verhältnis.
In der multivariaten Analyse mittels logistischer Regression erwiesen
sich weder das Alter noch der unter 4,0 ng/ml liegende PSA-Wert als
Prädiktoren für ein PCa. Nur das T/PSA-Verhältnis war deutlich, wie
auch unabhängig vom Alter und dem PSA-Wert mit dem PCa-Risiko assoziiert
(Odds Ratio 0,49 95% CI 0,29-0,83; p<0,01).
Mittels einer Receiver Operating Characteristic (ROC)-Kurve für das
T/PSA-Verhältnis wurde eine Genauigkeit der Methode zur PCa-Diagnose von
74 % ermittelt. Bei der Optimierung von Sensitivität und Spezifität ergab
sich ein Schwellenwert von 1,8 für das T/PSA-Verhältnis. Dieses entspricht
einer 80 %igen Sensitivität bei einer Spezifität von 60 %.
Ein niedriges Verhältnis von Testosteron zu PSA kann bei hypogonadalen
Männern mit einem PSA-Wert 4,0 ng/ml als unabhängiger Prädiktor für
Prostatakrebs herangezogen werden.
⇒
In letzter Zeit zeichnet es sich immer mehr ab, dass eine Verbindung
zwischen niedrigen Testosteronspiegeln und PCa mit hohem Gleason Score,
einem fortgeschrittenem Stadium bei der Diagnosestellung und einer
schlechten Prognose besteht. Als Ursache hierfür wird spekulativ
ein bei niedrigem Testosteronspiegel ungünstig verändertes Milieu in
der Prostata angenommen, das einem in der Entstehung begriffenen PCa
veränderte Wachstumsperspektiven eröffnet.
Vorausgegangene Untersuchungen von Karamanolakis D, et al. (2006) haben
gezeigt, dass das T/PSA-Verhältnis bei Männern mit einem PSA-Wert zwischen
3,0 und 10,0 ng/ml signifikant erniedrigt ist. In dieser Studie hatten
28 von 29 Männern mit PCa ein T/PSA-Verhältnis von <0,95.
|
|
Rhoden EL, Riedner CE, Morgentaler A, 2008:
The ratio of serum testosterone-to-prostate specific antigen predicts
prostate cancer in hypogonadal men. J Urol 179:1741-1745.
Morgentaler A, Rhoden EL, 2006:
Prevalence of prostate cancer among hypogonadal men with prostate-specific
antigen of 4,0 ng/ml or less. Urology 68:1263-1267.
Karamanolakis D, Lambou T, Bogdanos J, et al. 2006:
Serum testosterone: a potentially adjunct screening test for the assessment
of the risk of prostate cancer among men with modestly elevated PSA values
(greater than or =3,0 and less than 10,0 ng/ml). Anticancer Res 26:3159-3166.
|