Februar 2008 
 
Geschlechterverhältnis und Lebenslänge der Männerjahrgänge klimaabhängig?

  Der evolutionäre Zwang zur Arterhaltung steht hinter der Strategie, dass es in Krisenzeiten vermehrt zu Aborten schwächerer Embryonen/Föten kommt, um die Überlebenschancen der stärkeren weiter zu erhöhen. Anhand von Daten aus skandinavischen Ländern wurde untersucht, ob ein solcher Effekt bereits aufgrund klimatischer Temperaturschwankungen nachweisbar ist (Catalano R, et al. 2008):

  Aus dem wechselnden sekundären Geschlechterverhältnis der in Schweden zwischen 1751 und 1912 geborenen Jungen und Mädchen sowie der Lebensspanne der jeweiligen männlichen Geburtenkohorte ermittelten Catalano R, et al. 2005 eine negative Korrelation, die im Einklang mit der Theorie steht, dass es bei Schwangeren unter ungewöhnlicher Belastung zu vermehrten Aborten von schwächeren (zumeist männlichen) Embryonen/Feten kommt.

  Anhand der Geburtsregister von Dänemark, Schweden, Norwegen und Finnland wurde das sekundäre Geschlechterverhältnis der Geburtenjahrgänge 1865 bis 1914 in Skandinavien bestimmt.
Aus dieser Zeit liegen aus den skandinavischen Ländern auch bereits detaillierte Klimaaufzeichnungen vor, aus denen sich die jährlichen Durschschnittstemperaturen berechnen ließen.
Anhand vollständiger Sterbetafeln der Geburtenjahrgänge 1878 bis 1914 wurde die Lebensspanne der jeweiligen männlichen Kohorte errechnet.

Wärmere Umgebungstemperaturen begünstigen Überlebenschancen in Utero
Das sekundäre Geschlechterverhältnis stieg und fiel im Rhythmus der Temperaturschwankungen. Lag die Durchschnittstemperatur in einem Jahr um 1°C höher als im Vorjahr, machte sich das in einem Anstieg des sekundären Geschlechterverhältnisses bemerkbar. Für die männlichen Neugeborenen bedeutete das, sofern sie das erste Lebensjahr überstanden hatten, ein im Mittel um 14 Tage kürzeres Leben. Durch wärmere Umgebungstemperaturen begünstigt, überleben auch schwächere, zumeist männliche Embryonen/Feten, die als Kinder und Erwachsene oft kränklich sind und eine verringerte Lebenserwartung haben.

Klimatische Temperatureinflüsse wirken sich offenbar auf die Überlebenswahrscheinlichkeit im Utero aus.
  Die klimatische Beeinflussung der Abortrate ist sicher eine adäquate Strategie, um das Überleben einer Population bei kälteren Temperaturen, die zu Mißernten und Hungersnöten führen, sicherzustellen. Aus diesem Befund lassen sich allerdings keine direkten Schlüsse auf Auswirkungen einer Klimaveränderung ziehen. Interessant wären sicherlich ähnliche Analysen aus wärmeren Gefilden. Entsprechendes Datenmaterial liegt aus diesen Regionen jedoch nicht vor.


Catalano R, Bruckner T, Smith KR. 2008. Ambient temperature predicts sex ratios and male longevity. Proc Natl Acad Sci USA 105:2244-2247.
 

 Februar 2008

Drucken
Autor: jfs