Männer, die erhöhte Cholesterinwerte mit einem Statin bekämpfen, vermindern
dosisabhängig damit auch ihren PSA-Wert – allerdings deutlich schwächer als bei der
Einnahme von Finasterid. Birgt dies Gefahren für die Früherkennung? Wird einzig der
PSA beeinflusst oder wirken Statine womöglich präventiv oder gar therapeutisch? Eine
US-Studie mit über 1.200 Männern hat erhebliche Wellen geschlagen und zu kritischen
Anmerkungen Anlass gegeben (Hamilton RJ, et al. 2008 bzw. Thompson IM, et al. 2008):
Robert Hamilton und Kollegen haben bei allen Patienten, die zwischen 1990 und 2006
in einer Klinik in Durham, NC, auf Statine "gesetzt" wurden, die PSA-Werte ein Jahr vor und
zwei Jahre nach Beginn der Therapie verglichen. Im Mittel berechnete sich ein PSA-Abfall
von 4,1%, der bei ursprünglich höheren PSA-Werten stärker als bei niedrigen ausgeprägt war.
Bei einem "verdächtigen Grenzwert von 2,5 ng/ml betrug die Senkung 17%. Zudem fand sich eine
Korrelation in dem Ausmaß, mit dem das LDL unter der Lipidsenker-Therapie sank. Doch die
PSA-Senkung blieb auch nach Korrekturen für die Low Density Lipoprotein (LDL)-Spiegel signifikant.
Für die Autoren bieten sich zwei Rückschlüsse an:
Statine beeinflussen biologische Vorgänge in der Prostata.
Die iatrogene PSA-Senkung könnte die frühe Detektion von Prostatakarzinomen (PCA) erschweren.
Ian Thompson als ausgewiesener Experte von der Universität in San Antonio, CA, der vor einigen
Jahren Leiter der Prostate Cancer Prevention Trial (PCPT) war, widerspricht in
einem mit einigen seiner Mitarbeiter verfassten Editorial. Seiner Meinung nach ist erhebliche
Vorsicht bei der Interpretation der Ergebnisse angesagt – aus mehreren Gründen.
Erstens korreliert eine Senkung des PSA nicht notwendigerweise mit einem verminderten Risiko
für ein PCA. Die Daten erlauben keine Aussage darüber, ob die Reduktion ursächlich auf veränderte
biologische Vorgänge in der Prostata zurückzuführen ist, oder ob es sich einzig um einen Effekt
auf den PSA-Wert handelt.
Zweitens gibt er das Dilemma der Beobachtungsstudie zu bedenken, die per se immer mit einem
unbewussten Bias behaftet sein kann. So wurden beispielsweise weder Modifikationen im Lebensstil
noch Verschreibungen außerhalb des Studienzentrums erfasst.
PSA-Senkung unbedeutend
Das dritte Argument: Ein Abfall des PSA um 4,1% kann zwar statistisch signifikant sein, ist aber
klinisch nicht bedeutsam. Thompson verweist darauf, dass bei wiederholten Messungen im Rahmen von
Beobachtungsstudien beim begrenzten Prostatakarzinom in mehr als der Hälfte der Fälle der erhöhte
Wert bei der nächsten Bestimmung gesunken war. Am Beispiel eines 60-jährigen Mannes würde unter
einem Statin der PSA von 4,5 auf 3,9 ng/ml sinken, entsprechend einer Verminderung des kalkulierten
PCA-Risikos von 37 auf 34% (für Hochrisiko-PCA ergäbe sich eine Verringerung von 8 auf 7%). "Diese
Veränderungen sind klinisch unbedeutend", so Thompson.
Die Gretchenfrage
Die Gretchenfrage bleibt für den Experten, ob Statine präventiv oder therapeutisch wirksam sind –
oder einzig den PSA beeinflussen. Dass Statine möglicherweise in die intraprostatische Kanzerogenese
eingreifen, könnte aus Testsystemen abgeleitet werden, in denen eine Hemmung von Entzündungen,
Angiogenese, Zellprolifertion, Migration, Adhäsion und Invasion abgeleitet werden.
Hinweise auf eine mögliche therapeutische Wirkung liefern vier umfangreiche prospektive Kohortenstudien,
bei denen ein um 25-75% reduziertes Risiko für fortgeschrittene PCAs ermittelt wurde. Dabei fand sich
eine Beziehung zwischen der Dauer und der Dosierung der Statinbehandlung.
Die offenen Fragen sind nur durch umfangreiche und langdauernde randomisierte Studien zu klären.
Wie beim PCPT bereits gezeigt wurde, sind mehrere Zehntausend Teilnehmer nötig, um einen präventiven
Nutzen nachzuweisen. Unabdingbar sind Biopsien am Ende der Testphase, um ein Detektionsbias zu vermeiden.
Noch weitaus aufwändiger würde sich der Nachweis einer therapeutischen Wirkung gestalten: Männer, bei
denen im Screening ein lokalisiertes PCA entdeckt wird, versterben nicht alle an diesem Malignom –
und selbst wenn, wäre eine Beobachtungszeit von mindestens zehn Jahren notwendig.
Kein Statin zur Prophylaxe
"Es gibt vielfältige und sehr interessante Erkenntnisse aus der Grundlagenforschung, wonach Statine
das PCA-Risiko beeinflussen. Leider war der Effekt in dieser Untersuchung nicht sehr ausgeprägt" erklärte
Thompson einem US-Fachinformationsdienst. Männer sollten deshalb nicht Statine mit dem Ziel einnehmen,
ihr PCA-Risiko zu vermindern. Dann rät Thompson schon eher, Finasterid zu nehmen, da wisse man
wenigstens sicher, dass mit einer 25%igen Reduktion des PSA-Wertes zu rechnen sei.
Statine senken zwar den Serum-PSA-Spiegel, doch Experten warnen vor einer Überinterpretation
dieses Effektes.
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