Dezember 2008 
 
Statine senken PSA-Wert: Gut, schlecht oder belanglos?

  Männer, die erhöhte Cholesterinwerte mit einem Statin bekämpfen, vermindern dosisabhängig damit auch ihren PSA-Wert – allerdings deutlich schwächer als bei der Einnahme von Finasterid. Birgt dies Gefahren für die Früherkennung? Wird einzig der PSA beeinflusst oder wirken Statine womöglich präventiv oder gar therapeutisch? Eine US-Studie mit über 1.200 Männern hat erhebliche Wellen geschlagen und zu kritischen Anmerkungen Anlass gegeben (Hamilton RJ, et al. 2008 bzw. Thompson IM, et al. 2008):

Robert Hamilton und Kollegen haben bei allen Patienten, die zwischen 1990 und 2006 in einer Klinik in Durham, NC, auf Statine "gesetzt" wurden, die PSA-Werte ein Jahr vor und zwei Jahre nach Beginn der Therapie verglichen. Im Mittel berechnete sich ein PSA-Abfall von 4,1%, der bei ursprünglich höheren PSA-Werten stärker als bei niedrigen ausgeprägt war. Bei einem "verdächtigen Grenzwert von 2,5 ng/ml betrug die Senkung 17%. Zudem fand sich eine Korrelation in dem Ausmaß, mit dem das LDL unter der Lipidsenker-Therapie sank. Doch die PSA-Senkung blieb auch nach Korrekturen für die Low Density Lipoprotein (LDL)-Spiegel signifikant.

Für die Autoren bieten sich zwei Rückschlüsse an:

  • Statine beeinflussen biologische Vorgänge in der Prostata.
  • Die iatrogene PSA-Senkung könnte die frühe Detektion von Prostatakarzinomen (PCA) erschweren.

    Ian Thompson als ausgewiesener Experte von der Universität in San Antonio, CA, der vor einigen Jahren Leiter der Prostate Cancer Prevention Trial (PCPT) war, widerspricht in einem mit einigen seiner Mitarbeiter verfassten Editorial. Seiner Meinung nach ist erhebliche Vorsicht bei der Interpretation der Ergebnisse angesagt – aus mehreren Gründen.

    Erstens korreliert eine Senkung des PSA nicht notwendigerweise mit einem verminderten Risiko für ein PCA. Die Daten erlauben keine Aussage darüber, ob die Reduktion ursächlich auf veränderte biologische Vorgänge in der Prostata zurückzuführen ist, oder ob es sich einzig um einen Effekt auf den PSA-Wert handelt.

    Zweitens gibt er das Dilemma der Beobachtungsstudie zu bedenken, die per se immer mit einem unbewussten Bias behaftet sein kann. So wurden beispielsweise weder Modifikationen im Lebensstil noch Verschreibungen außerhalb des Studienzentrums erfasst.

    PSA-Senkung unbedeutend
    Das dritte Argument: Ein Abfall des PSA um 4,1% kann zwar statistisch signifikant sein, ist aber klinisch nicht bedeutsam. Thompson verweist darauf, dass bei wiederholten Messungen im Rahmen von Beobachtungsstudien beim begrenzten Prostatakarzinom in mehr als der Hälfte der Fälle der erhöhte Wert bei der nächsten Bestimmung gesunken war. Am Beispiel eines 60-jährigen Mannes würde unter einem Statin der PSA von 4,5 auf 3,9 ng/ml sinken, entsprechend einer Verminderung des kalkulierten PCA-Risikos von 37 auf 34% (für Hochrisiko-PCA ergäbe sich eine Verringerung von 8 auf 7%). "Diese Veränderungen sind klinisch unbedeutend", so Thompson.

    Die Gretchenfrage
    Die Gretchenfrage bleibt für den Experten, ob Statine präventiv oder therapeutisch wirksam sind – oder einzig den PSA beeinflussen. Dass Statine möglicherweise in die intraprostatische Kanzerogenese eingreifen, könnte aus Testsystemen abgeleitet werden, in denen eine Hemmung von Entzündungen, Angiogenese, Zellprolifertion, Migration, Adhäsion und Invasion abgeleitet werden.

    Hinweise auf eine mögliche therapeutische Wirkung liefern vier umfangreiche prospektive Kohortenstudien, bei denen ein um 25-75% reduziertes Risiko für fortgeschrittene PCAs ermittelt wurde. Dabei fand sich eine Beziehung zwischen der Dauer und der Dosierung der Statinbehandlung.

    Die offenen Fragen sind nur durch umfangreiche und langdauernde randomisierte Studien zu klären. Wie beim PCPT bereits gezeigt wurde, sind mehrere Zehntausend Teilnehmer nötig, um einen präventiven Nutzen nachzuweisen. Unabdingbar sind Biopsien am Ende der Testphase, um ein Detektionsbias zu vermeiden.

    Noch weitaus aufwändiger würde sich der Nachweis einer therapeutischen Wirkung gestalten: Männer, bei denen im Screening ein lokalisiertes PCA entdeckt wird, versterben nicht alle an diesem Malignom – und selbst wenn, wäre eine Beobachtungszeit von mindestens zehn Jahren notwendig.

    Kein Statin zur Prophylaxe
    "Es gibt vielfältige und sehr interessante Erkenntnisse aus der Grundlagenforschung, wonach Statine das PCA-Risiko beeinflussen. Leider war der Effekt in dieser Untersuchung nicht sehr ausgeprägt" erklärte Thompson einem US-Fachinformationsdienst. Männer sollten deshalb nicht Statine mit dem Ziel einnehmen, ihr PCA-Risiko zu vermindern. Dann rät Thompson schon eher, Finasterid zu nehmen, da wisse man wenigstens sicher, dass mit einer 25%igen Reduktion des PSA-Wertes zu rechnen sei.

    Statine senken zwar den Serum-PSA-Spiegel, doch Experten warnen vor einer Überinterpretation dieses Effektes.

  • Hamilton RJ, Goldberg KC, Platz EA, Freedland SJ, 2008. The influence of statin medications on prostatespecific antigen Levels. J Natl Cancer Inst 100:1511-1518
    Thompson IM, Tangen CM, Kristal AR, 2008. Prostate.specific antigen: a misused and maligned prostate cancer biomarker. J Natl Cancer Inst 100:1487-1488
     

     Dezember 2008

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