Dezember 2004 
 

Sind unter- und übergewichtige Männer weniger fruchtbar als idealgewichtige?


Seit einiger Zeit mehren sich die Anzeichen einer verschlechterten reproduktiven Gesundheit bei jungen Männern. Als mögliche Ursachen hierfür werden in erster Linie Faktoren aus der Umwelt vermutet. Aber auch Veränderungen in der Lebensführung tragen unter Umständen zu Fertilitätsstörungen bei. Nachdem nachgewiesen worden ist, daß Frauen mit einem erhöhten Body Mass Index (BMI) länger bis zum Eintreten einer Schwangerschaft warten müssen als normalgewichtige Frauen, sollte jetzt untersucht werden, ob Adipositas bei Männern ebenfalls mit einer verminderten Fertilität aufgrund einer verschlechterten Samenqualität im Zusammenhang steht (Jensen TK, et a. 2004):

Über einen angeblichen Rückgang der Zahl der Spermien pro Milliliter Ejakulat wird bereits seit einigen Jahrzehnten immer wieder berichtet. Zudem ist in der gesamten westlichen Welt festzustellen, daß der durchschnittliche BMI in allen Bevölkerungsschichten anwächst und Adipositas bereits bei Jugentlichen und jüngeren Erwachsenen zu einem gesundheitlichen Problem geworden ist. Aber auch Untergewicht stört insbesondere bei Frauen die endokrinen Funktionen und führt nachfolgend zu Unregelmäßigkeiten des ovariellen Zyklus.

Im Rahmen der militärischen Musterung in Dänemark wurden 1558 Männer im Durchschnittsalter von 19 Jahren für die Studie rekrutiert. Die Probanden lieferten jeweils eine Samenprobe, eine Blutprobe, unterzogen sich einer körperlichen Untersuchung und füllten einen Fragebogen zu früheren und bestehenden Erkrankungen aus. Von den 1558 Studienteilnehmern hatten 217 einen BMI <20 kg/m2, 1042 einen BMI zwischen 20 und 25 kg/m2 und 299 einem BMI >25 kg/m2.

Beeinträchtigung der Samenqualität bei Unter- und Übergewicht
Bei Männern mit einem BMI <20 kg/m2 lagen die Spermienkonzentration und die Gesamtzahl der Spermien um 28,1 % bzw. 36,4 % niedriger als bei normalgewichtigen Männern mit einem BMI zwischen 20 und 25 kg/m2. Für Männer mit einem BMI >25 kg/m2 waren die entsprechenden Werte 21,6 % bzw. 23,9 %.

Bei erniedrigtem und erhöhtem BMI wurden vermehrt morphologisch anomale Spermien gefunden, ohne daß dies statistische Signifikanz erreichte. Das Ejakulatvolumen und der Anteil motiler Spermien waren vom BMI unbeeinflußt.

Bei übergewichtigen Männern war der Serum-Testosteronspiegel erniedrigt und der Serum-Estradiolspiegel erhöht.

Bei Übergewichtigkeit können endokrine Störungen die Spermatogenese beeinträchtigen
Bei übergewichtigen Männern ist das Verhältnis von Testosteron (T) zu Estradiol (E2) erniedrigt, wie es auch häufig bei infertilen Männern festzustellen ist. Es wird angenommen, daß durch ein niedriges T/E2-Verhältnis die Spermatogenese negativ beeinflußt wird. Verbesserungen der Samenqualität ließen sich daher unter einer Behandlung mit Aromatase-Inhibitoren erzielen. Auch durch eine Gewichtsreduktion kann sich der Sexualhormonstatus normalisieren. Inwieweit sich hierbei auch eine Verbesserung der Samenqualität erreichen läßt, muß indes noch untersucht werden.

Auch bei untergewichtigen Männern kommt es zu endokrinen Störungen, die sich möglicherweise negativ auf die Samenproduktion auswirken. Die zugrundeliegenden Mechanismen sind aber weniger evident und unterscheiden sich offenbar von denen bei übergewichtigen Männern. Zudem liegen bei Untergewichtigkeit oft weitere gesunheitliche Störungen vor.

Bei Abweichungen vom Idealgewicht verschlechtert sich bei jungen Männern die Samenqualität, so daß negative Folgen für die Fertilität prognostiziert werden.
 

Jensen TK, Andersson A-M, Jørgensen N, et al. 2004. Body mass index in relation to semen quality and reproductive hormones among 1,558 Danish men. Fertil Steril 82:863-870.
 

Dezember 2004

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Autor: JF Schindler