Testosteron-Effekt auf Herzhormone hat Einfluss auf geschlechtsspezifische Merkmale

Hintergrund

Natriuretische Peptide (NPs), wie das B-Typ-NP (BNP), sein biologisch inaktives Signalpeptid NT-proBNP und das atriale NP (ANP) sind kardiale Neurohormone, die in die Regulation eines ausgeglichenen Wasser-Natrium-Haushalts und den Erhalt der kardiovaskulären Homöostase involviert sind. Erstere beiden Peptide werden in der Kardiologie als Marker für Herzinsuffizienz verwendet. Zudem könnte ein relativer NP-Mangel als eine Erklärung für die bei Männern bekanntermaßen erhöhte Anfälligkeit für Hypertonie und kardiovaskuläre Krankheiten dienen. Denn bei gesunden Männern sind die Spiegel an natriuretischem Peptid (NP) in der Zirkulation deutlich niedriger als bei gesunden Frauen. Epidemiologische Studien ließen darauf schließen, dass Testosteron an geschlechtsspezifischen Unterschieden der NP-Konzentrationen beteiligt sein könne. Testosteroneffekte auf die kardialen Peptidhormone sowie deren Beeinflussung geschlechtsspezifischer Merkmale waren Gegenstand zweier kontemporärer Untersuchungen.


Zielsetzungen
Bachmann et al. (2019) wollten den Einfluss von Testosteron-Zufuhr auf NP-Spiegel unter randomisierten Placebo-kontrollierten Bedingungen untersuchen [1].

Chlabicz et al. (2020) hypothetisierten, dass Testosteron und gynoide Fettverteilung die Plasma-NT-proBNP-Konzentration unabhängig beeinflussen [2].


Teilnehmer und Methoden
In [1] wurden 151 gesunde Männer im Alter von 20 bis 50 Jahren als Testpersonen rekrutiert. Sie erhielten Goserelin-Acetat zur Supprimierung der endogenen Produktion von gonadalen Steroiden. Zudem wurde mit Anastrazol die Umwandlung von Testosteron in Estradiol supprimiert. Die Männer wurden in Gruppen mit Placebo-Gel und vier verschiedenen Dosierungen mit Testosteron-Gel randomisiert (1,25, 2,5, 5,0 und 10,0 g Testosteron pro Tag für 12 Wochen) Die Spiegel an NT-proBNP und Gesamttestosteron wurden zu Baseline und nach dem Follow-up bestimmt.

In [2] wurden aus der Allgemeinbevölkerung 196 stichprobenartig ausgewählte, freiwillige Teilnehmer (mittleres Alter 48 Jahre, 35,7% Männer) ohne schwere kardiovaskuläre Erkrankung bezüglich Hormon- und anthropomorpher Daten analysiert.


Abb.: Log-Darstellung der Veränderungen des NT-proBNP-Spiegels in Abhängigkeit von veränderten Testosteronspiegeln von Woche 0 bis 12
 
Ergebnisse
Patientencharakteristika [1]
Die Gruppen wiesen keine Unterschiede bezüglich Alter- und BMI-Verteilung auf. Kardiovaskuläre Risikofaktoren (Rauchen, Hypertonie, Dyslipidämie, Diabetes und Prädiabetes) waren in den Testosterongruppen selten und ausgeglichen. Die Anwendung von Medikationen, die sich durch Beeinflussung des Salz-Wasser-Gleichgewichts auf die NP-Spiegel auswirken könnten, war gering und gleichmäßig über die Gruppen verteilt.

Veränderung der gonadalen Hormonspiegel [1]
Bei den Männern, die nach Supprimierung der endogenen Produktion von gonadalen Steroiden nicht mit Testosteron substituiert wurden, kam es zu einem tiefgreifenden Abfall des Testosteronspiegels (median 540,5 bis 36 ng/dl). Diese Teilnehmer hatten bis zur 12. Woche Testosteronspiegel, die denen bei Frauen vergleichbar waren. Im Gegensatz dazu erreichten diejenigen Männer, die täglich mit 5 oder 10 g Testosteron substituiert wurden, bis zur 12. Woche Testosteronspiegel vergleichbar denen bei gesunden Männern.

Beziehung zwischen Testosteronspiegeln und NPs [1]
Bei den Männern, die ein Placebo-Gel erhielten, kam es zu einem signifikanten Anstieg des medianen NT-proBNP-Spiegels (+8 pg/ml; p = 0,02). Bei den mit Testosteron substituierten Männer kam es im Follow-up für jeweils 1 g höhere Testosteron-Dosis zu einer 4,3%igen erniedrigten NT-proBNP-Konzentration.

Beziehung zwischen NT-proBNP und Körperzusammensetzung [2]
Die Konzentration an NT-proBNP war positiv mit der gynoiden Fettmasse, dem gynoidales Fett/Gesamtfett (G/TF)-Masse-Index, dem Sexualhormon-bindenden Globulin (SHBG) assoziiert. Zwischen NT-proBNP und dem androide/gynoide (A/G)-Fettmasse-Index, dem Gesamttestosteron und der berechneten Konzentration an freiem Testosteron bestand eine negative Korrelation.

Kernaussagen
 
❏ In einer randomisierten, Placebo-kontrollierten Untersuchung zeigte es sich, dass die Spiegel der natriuretischen Peptide im Blut durch Testosteron erniedrigt werden [1].

❏ Daraus wird ersichtlich, dass gonadale Steroide bei Männern den relativen Mangel an NPs gegenüber Frauen mit bewirken [1].

❏ Die unabhängig mit erniedrigter Verfügbarkeit von Testosteron im Zusammenhang stehende NT-proBNP-Konzentration macht sich durch gynoide Fettverteilung bemerkbar [2].    

Literatur:
[1] Bachmann KN, Huang S, Lee H, et al. 2019. Effect of testosterone on natriuretic peptide levels. J Am Coll Cardiol 73:1288-1296.
[2] Chlabicz M, Jamiolkowski J, Paniczko M, et al. 2020. Independent impact of gynoid fat distribution and free testosterone on circulating levels of N-terminal pro-brain natriuretic peptide (NT-proBNP) in humans. J Clin Med 9,74.


 März 2020 Drucken jfs