European Association of Urology (EAU) 2019 Congress:

Testosteronsubstitution senkt Rezidivrisiko bei Niedrigrisiko-Prostatakrebs

Hintergrund

Von dem bis in die Mitte des letzten Jahrhunderts zurückreichendem und auf Untersuchungen von Huggins und Hodges zurückzuführendem Dogma, nach dem Testosteron bei Männern mit Prostatakrebs strikt kontraindiziert ist, war in letzter Zeit in besonderen Fällen bereits abgewichen worden. Es gab Fallberichte und kleinere Studien aus denen hervorging, dass die Gabe von Testosteron an ausgewählte hypogonadale Prostatakrebs-Patienten unter Umständen kein erhöhtes Rezidivrisiko birgt. Bei neutralem, onkologischem Risiko waren jeweils die Linderung von Testosteronmangel-Symptomen und Zuwachs an Lebensqualität hervorgehoben worden. Aktuell wurde auf dem EAU 2019 Congress in Barcelona über die biochemischen Rezidivraten in einem größeren Kreis an Prostatakrebs-Patienten berichtet, von dem ein Großteil nach radikaler Prostatektomie mit einer Testosteronsubstitution behandelt worden war.

Zielsetzung
Es war vorgesehen, Prostatakrebs-Patienten mit niedrigen Spiegeln an freiem Testosteron vor der Behandlung mit roboterunterstützter radikaler Prostatektomie, postoperativ zur Wiederherstellung der Sexualfunktion eine Testosteron-Substitutionstherapie zu verordnen.
Teilnehmer und Methoden
Ein Untersucherteam der University of California, Irvine, wählte seit 2008 aus seinen Prostatakrebs-Patienten diejenigen sorgfältig aus, die nach der Erstbehandlung mit roboterunterstützter radikaler Prostatektomie für eine Testosteron-Substitutionstherapie infrage kamen. Es war beabsichtigt, den Männern damit zu einer verbesserten Wiedererlangung ihrer Sexualfunktion zu verhelfen. Die Gesamtkohorte bestand aus 834 Patienten, von denen 152 Niedrigrisiko-Patienten ohne Krankheitsmerkmale mit Testosteron behandelt wurden. Median 3,1 Jahre nach der Operation, wurden die Patienten anhand von PSA-Messungen auf das Vorliegen eines biochemischen Rezidivs getestet.

Ergebnisse

Bei 5% der Patienten, die postoperativ eine Testosteron-Substitutionstherapie erhalten hatten, war median 3,1 Jahre nach der Operation ein biochemisches rezidiv festgestellt worden. Im Gegensatz dazu betrug der Anteil PSA-Rezidive in der Gruppe nicht mit Testosteron behandelter Patienten 15%. In einer sekundären Analyse der Zeit bis zum biochemischen Rezidiv, zeigte es sich, dass sich die Zeitspanne bis zum Rezidiv median um 1,5 Jahre verlängerte (p=0,005).

In einer multivariaten Analyse mit Adjustierungen für pathologischen Tumorgrad, Tumorstadium, präoperativen PSA-Spiegel und Konzentration an freiem Testosteron, erwies sich die Testosteron-Substitutionstherapie als unabhängiger Prädiktor für ein ermäßigtes biochemisches Rezidivrisiko (Odds Ratio: 0,54; p=0,049).

Statt der bislang allenfalls projizierten Indifferenz von Testosteron hinsichtlich eines Wiederauftretens von Prostatakrebs resultierte aktuell sogar eine deutliche verringerte Rezidivrate. Dr. T. Ahlering, der Leiter des Untersucherteams an der University of California, Irvine konzidierte, dass es sich in ihrer Studie dabei um ein Zufallsergebnis handelte. Der Untersucher interpretierte die Ergebnisse dahingehend, dass Testosteron den Krebs zwar nicht per se heilt, doch es führt zu einer Verlangsamung des Krebswachstums, die ein erneutes Auftreten der Krankheit im Durchschnitt um 1,5 Jahre hinauszögert.



Kernaussagen
Bei Patienten mit Niedrigrisiko-Prostatakrebs traten nach radikaler Prostatektomie in ca. 5% der Fälle ein Rezidiv auf, wenn der Patient eine Testosteron-Substitution erhielt, während es in der Gruppe ohne Behandlung mit Testosteron 15% waren. Auch unter Berücksichtigung von Unterschieden zwischen den Gruppen wurde nach 3 Jahren eine nahezu dreifache Reduktion an Rezidiven ermittelt.    
Literatur:
Ahlering T, et al. 2019. Testosterone slows prostate cancer recurrence in low-risk patients. EAU 2019 (abstract 646).

 April 2019 Drucken jfs