Testosteron-Behandlung beeinflusst depressive Gemütsverfassung positiv

Hintergrund

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat Depression offiziell zur weltweit führenden Ursache von Behinderung erklärt. Verbindungen zwischen Testosteron und Depression wurden eingehend debattiert, da Testosteron ein neuroaktives Steroidhormon ist, das die Stimmungslage und das Appetenzverhalten beeinflusst. Darüber hinaus wird von positiven Effekten des Testosterons auf die Neuroplastizität ausgegangen, die eine Schutzfunktion für Neuronen darstellt, und sie anpassungsfähiger auch für die Bewältigung depressiver Symptome zu machen. Eine Assoziation niedriger Testosteronspiegel mit vermehrten depressiven Symptomen ließ sich allerdings nur bei dysthymischen Untergruppen oder behandlungsresistenten depressiven Männern feststellen. In einer Reihe von Studien war Testosteron im Hinblick auf die Verbesserung depressiver Symptome angewendet worden. Allerdings waren die Ergebnisse ziemlich uneinheitlich, so dass sich zum Herausfinden des Effekts von Testosteron auf depressive Symptome bei Männern eine Kompilierung der Ergebnisse als zielführend erweisen könnte.

Zielsetzung
In einer systematischen Übersicht und einer Metaanalyse sollten die Verbindung einer Behandlung mit Testosteron und der Linderung depressiver Symptome sowie Einflüsse des Testosteron-Status, des Depressionsstatus, des Alters, der Behandlungsdauer und der Dosierung abgeklärt werden.

Studienauswahl und Methoden
Für die Analyse wurden nur randomisierte, Placebo-kontrollierte klinische Studien ausgewählt, in denen Patienten vor und nach der Intervention mit Testosteron über ihre Gemütsverfassung Auskunft gaben.

Abb.: Beziehung zwischen Testosteronbehandlung und Effektivität und Effizienz mit bayesscher Statistik. Die gestrichelte Übereinstimmungs-
linie repräsentiert nur geringe Abweichungen zwischen Effektivitäts- und Effizienzergebnissen.
 

In den Studien musste die Eigen- oder Fremdbewertung des Schweregrads der depressiven Störung mit validierten psychometrischen Verfahren erfolgt sein (z.B., Beck-Depressions-Inventar [BDI-II], Hamilton-Skala oder Montgomery–Åsberg Depression Rating Scale [MADRS]).

Primäre Ergebnisse waren die Wirksamkeit (standardisierte Score-Differenz nach der Behandlung), die Effektivität (Anteil der Patienten mit ≥50% Score-Reduktion) und die Akzeptanz (Anteil Patienten, die aus irgendeinem Grund ausschieden).

Ergebnisse

Im Vergleich zur Placebo-Gabe ging die Testosteron-Behandlung mit einem signifikanten Unterschied der Effektgröße Hedges g von 0,21 SD (p<0,001) bei depressiven Symptomen einher. Dieser Effekt lässt sich in einen um 2,2 Punkte erniedrigten BDI-II-Score umrechnen. Diese Abschätzungen kommen in etwa einer der Testosteron-Behandlung beizumessenden Effektivität vom Odds Ratio 2,30 (p=0,004) zugunsten einer klinisch relevanten Verminderung der depressiven Symptome gleich (Abb.).

Die Testosteron-Behandlung erwies sich für die Studienteilnehmer als durchaus akzeptabel. Es gab keine signifikanten Unterschiede in der Zahl der Therapie-Abbrecher zwischen Testosteron-Therapie und Placebo-Gabe.

Frühere Berichte hatten bei antidepressiver Testosteronwirkung keinen Dosiseffekt erkennen lassen. Die aktuellen Resultate sind erstmals ein Hinweis darauf, dass ein angestrebter Behandlungseffekt unter Umständen eine adäquat höhere Dosis erfordert.

Keine ausgeprägte Assoziation ergab sich zwischen Testosteron-Effektivität und Alter, Testosteronspiegel zu Baseline, Depressions-Status, HIV-Infektion, Behandlungsdauer sowie Art der Testosteron-Applikation.

In vorangegangenen Studien war die Wirksamkeit der Testosteron-Behandlung bei der Linderung und Verringerung depressiver Symptome insbesondere bei hypogonadalen und/oder Männern mittleren Alters bis etwa 60 Jahre als gegeben betrachtet worden. Dagegen deutet die aktuelle Metaanalyse darauf hin, dass höhere Testosteron-Dosen auch Depressionen bei eugonadalen und älteren Männern wirksam reduzieren können.

Als Bindeglied zwischen Sexualhormon und antidepressiver Wirkung fungiert vermutlich Serotonin, dessen Ausschüttung durch Testosteron stimuliert wird und das bei erhöhter Konzentration an den Synapsen im Gehirn den Symptomen einer Depression wie gedrückter Stimmung und Antriebslosigkeit entgegenwirkt.

Schlussfolgerungen
Anhand der Daten von insgesamt 1.890 Teilnehmern aus 27 Studien über die Wirkung von Testosteron bei Männern mit Depressionen erweist sich Testosteron-Behandlung zur Reduzierung depressiver Symptome als wirksam und effizient. Dafür, dass das auch bei eugonadalen und älteren Männern zutrifft, werden in dieser Metaanalyse erstmals bedeutsame Nachweise erbracht. Besonders wirksam waren dabei höhere Dosierungen bei Männern, deren depressive Symptome zu Baseline wenig variabel waren.    
Literatur:
Walther A, Breidenstein J, Miller R, 2018. Association of testosterone treatment with alleviation of depressive symptoms in men. A systematic review ans meta-analysis. JAMA Psychiatry doi:10.1001/jamapsychiatry.2018.2734

Literatur in der Abbildung

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