Gestörte Testosteron-Sekretion bei Männern mit und nach maligner Erkrankung

Hintergrund

Bei Männern aller Altersstufen steht ein Testosteronmangel mit zugrundeliegenden Gesundheitsproblemen im Zusammenhang. Hierzu gehören Krebserkrankungen deren Auswirkungen auf die Testosteron-Sekretion sich im Akutstadium bis zu lebenslang nach erfolgreich überstandener Krankheit bemerkbar machen können. Dabei können die Krebserkrankung an sich wie auch die Krebstherapie die Androgenproduktion negativ beeinflussen und zu subklinischem oder klinisch manifestem Hypogonadismus führen. Insbesondere bei jungen Männern sollte der Testosteronspiegel nach Abschluss einer Krebsbehandlung in Abständen überprüft werden.

Zielsetzung
Anhand einer Literaturstudie wurde die aktuelle Datenlage zu Testosteronmangel als Folge diverser Krebsszenarien analysiert. Ferner diente ein Kollektiv mit unilateral orchiektomierten Hodenkrebs-Patienten zur Untersuchung von Hormonstörungen auf der hypophysär-gonadalen Achse (Wiechno, et al. 2017a, b):

Ergebnisse
Überlebende von Krebs im Kindesalter
Bei jungen Männer mit überstandener Krebserkrankung in der Kindheit besteht ein signifikant (5- bis 7-fach) erhöhtes Risiko für Hypogonadismus. In etwa 25% der Fälle finden sich bei Erreichen des frühen Erwachsenenalters charakteristischerweise niedrige Testosteronspiegel und/oder erhöhtes Luteinisierungshormon (LH). Der Mangel sollte frühzeitig diagnostiziert und durch Testosteronbehandlung ausgeglichen werden. Gegebenenfalls ist die Abstimmung mit der Familienplanung erforderlich.

Abb.: Veränderungen der Testosteron- und der LH-Konzentration an den Kontrollpunkten (1) vor der Orchiektomie, (2) ein Monat danach und (3) zumindest ein Jahr postoperativ (Wiechno et al. 2017b).
 
Überlebende von Hodenkrebs
Nach der Behandlung von Hodenkrebs kommt es häufig zu Störungen der hormonellen Homöostase auf der hypothalamisch-testikulären Achse. Als Indikator für hormonelle Veränderungen ist LH besser als Testosteron geeignet. Wiederholt wurde über kompensierten Hypogonadismus berichtet, der sich sogar zehn Jahre nach beendeter Behandlung diagnostizieren lässt. Solch kompensiert beeinträchtigte Leydig-Zellfunktion wurde als Risikofaktor für Gesamtmortalität beschrieben.

Bei der Überwachung des Hormonstatus von Männern mit Hodenkrebs, die sich einer unilateralen Orchiektomie unterzogen, an drei Kontrollpunkten – (1) vor, (2) einen Monat nach und (3) 1 Jahr nach der Operation – sank der mediane Testosteronspiegel von 5,05 über 3,8 auf 3,6 ng/ml. Parallel dazu stieg die LH-Konzentration (Abb.). Im Kollektiv hatten 5%, 16% bzw. 17% der Patienten einen Testosteronspiegel <2,31 ng/ml.
Niedrige Testosteronspiegel bei Überlebenden von Hodenkrebs waren auch Thema auf dem ASCO-Kongress 2017 (Abu Zaid et al. 2017): In einem diesbezüglichen Patientenkollektiv war über ein Drittel der relativ jungen Männer hypogonadal. Das stand mit vermehrten kardiovaskulären Risikofaktoren, erektiler Dysfunktion und peripherer Neuropathie in Verbindung. Überlebende von Hodenkrebs sollten daher auf Hypogonadismus gescreent und symptomatische Patienten entsprechend mit Testosteron behandelt werden.

Anorexie-Kachexie-Syndrom
Eine beträchtliche Anzahl der Krebspatienten erleidet das Endstadium der Krankheit. Dabei steht Tumorkachexie signifikant mit Störungen des Androgenhaushalts im Zusammenhang. Aus den spärlichen Daten zur Testosteronsubstitution beim Anorexie-Kachexie-Syndrom gehen insbesondere Verbesserungen des Performance-Status und des Fatigue-Score hervor.

Schlussfolgerungen
Bei männlichen Krebspatienten sind Störungen der Andro­gensekretion von der Krebsentität, dem Krankheitsstadium und den Behandlungsformen abhängig. Die Überlebensrate der Patienten mit Keimzelltumoren konnte mit radikalen Behandlungsmethoden deutlich gesteigert werden. Infolgedessen sind die jungen Männer vermehrt mit Spätkomplikationen wie Testosteronmangel konfrontiert. Für Patienten, die das Endstadium ihrer Krebserkrankung erleiden, ist Androgenmangel ein Bestandteil des Anorexie-Kachexie-Syndroms.
   
Literatur:
Wiechno PJ, Poniatowska GM, Michalski W, et al. 2017a. Clinical significance of an­drogen secretion disorders in men with a malignancy. Med Oncol 34:123.
Wiechno PJ, Kowalska M, Kucharz J, et al. 2017b. Dynamics of hormonal disorders following unilateral orchiectomy for a testicular tumor. Med Oncol 34:84.
Abu Zaid MI, Menendez AG, El Charif O, et al. 2017. Adverse health outcomes in relationship to hypogonadism (HG) after platinum-based chemotherapy: A multicenter study of North American testicular cancer survivors (TCS). J Clin Oncol DOI: 10.1200/JCO.2017.35.18

 September 2017 Drucken jfs