In welcher Beziehung stehen Testosteronmangel und kardiale Gesundheit bei älteren Männern?

Kontext

Bei älteren Männern mit kardialen und metabolischen Risikofaktoren besteht häufig ein Testosteronmangel. Diesbezüglich haben sich in den letzten Jahren eine Fülle von Indizien angesammelt, die eine erhöhte kardiovaskuläre Mortalität mit niedrigen Testosteronspiegeln in Zusammenhang bringen. Die diesbezügliche Indizienlage sowie jüngere Daten, nach denen die Testosteronausgleichstherapie die kardiovaskuläre Mortalität und Surrogatmarker für kardiovaskuläre Ereignisse verbessert, werden in einem Review beleuchtet. Zudem wird sich kritisch mit einer Arbeit auseinandergesetzt, in der ein erhöhtes Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse ermittelt wurde [1].

Testosteronmangel in Verbindung mit erhöhter Gesamt- und kardiovaskulärer Mortalität
Dass Testosteronmangel mit einer erhöhten Gesamt- und kardiovaskulären Mortalität im Zusammenhang steht, geht aus einer ganzen Reihe von Langzeitstudien hervor. Deren Daten wurden in zwei Metaanalysen aufgearbeitet: Araujo et al. errechneten, dass die Abnahme des Gesamttestosterons um 2,1 Standardabweichungen mit einer 25%igen Zunahme der Mortalität assoziiert ist [2]. Anhand verschiedener Modelle kamen Haring et al. zu dem Schluss, dass auch nach strikter Korrektur für Komorbiditäten eine Verbindung zwischen Mortalitätsrisiko und Testosteronspiegel bestehen bleibt [3].

Testosteron und Mortalität bei Hochrisiko-Gruppen:
Bei 930 Männern mit Erkrankung der Koronararterien lag der Anteil hypogonadaler Patienten während eines Follow-up von 6,9 Jahren bei 24% Die Mortalitätsrate betrug 21% – gegen­über 12% bei den eugonadalen Patienten [4].
      In einer Studie mit 581 diabetischen Patienten, die im Mittel über 5,8 Jahre nachverfolgt wurden, ergab der Vergleich der Mortalitätsraten bei den Männern mit einem Gesamttestosteronspiegel >3,0 ng/ml (n=343) und denen mit mit einem Gesamttestosteronspiegel <3,0 ng/ml (n=238) 9% versus 19,2% (Abb.) [5].

Testosteron, Insulinresistenz und Diabetes mellitus Typ 2:
Zwischen dem Nüchternblutzucker, dem Insulinspiegel und dem Serum-Testosteronspiegel besteht eine inverse Beziehung. Niedrige Testosteronwerte haben sich denn auch als potentielle Vorboten eines Diabetes mellitus vom Typ 2 erwiesen. In der Massachusetts Male Aging Study hatten Männer mit einem Baseline Testosteron <10,4 nmol/l das vierfache Risiko der Männer mit normalem Testosteron, innerhalb von neun Jahren einen Diabetes mellitus Typ 2 zu entwickeln. Das erhöhte Risiko betrifft insbesondere Männer mit einem metabolischen Syndrom, das im Wesentlichen durch abdominale Adipositas gekennzeichnet ist. Denn bei adipösen Männern finden sich in Relation zum Grad der Fettleibigkeit erniedrigte Testosteronspiegel. Lange Zeit war auch von Diabetes-Spezialisten davon ausgegangen worden, dass der Abfall des Testosteronspiegels eine Folge der Adipositas sei, doch aktuellere Befunde haben gezeigt, dass niedrige Testosteronspiegel zu viszeraler Adipositas und dem metabolischen Syndrom führen. Daher kann der Ausgleich des Testosteronmangels den Fettabbau durch diätetische und Lifestyle-Maßnahmen auf längere Sicht wirkungsvoll unterstützen. Zudem führt Testosteronausgleich zur Verbesserung von Insulinresistenz.

Testosteronausgleich und kardiovaskuläre Mortalität:
Bislang gibt es keine randomisierte, kontrollierte Studie mit dem primären Ziel, bei Männern mit niedrigen Testosteronspiegeln den Einfluss einer Testosteronsubstitution auf Mortalität und die Inzidenz kardiovaskulärer Ereignisse zu ermitteln.
      In einer prospektiven Studie mit 581 diabetischen Männern [5] war das Mortalitätsrisiko bei einem Testosteronspiegel 3 ng/ml gegenüber denen mit physiologischem Testosteronspiegel deutlich erhöht und sank bei Testosteronausgleich auf das Niveau der Männer mit normalem Testosteron (Abb.).
      Aus einem Kollektiv amerikanischer Veteranen (n = 1.031) mit einem Testosteronspiegel 2,5 ng/ml wurde bei 398 mit Testosteron substituierten Männern (im Mittel 20,2 Monate) eine signifikant niedrigere Mortalitätsrate ermittelt als bei den nicht mit Testosteron behandelten Männern (10.3% versus 20.7%) [6]. Für erstere errechnete sich eine Mortalitätsrate von 3,4 Todesfällen pro 100 Personenjahre gegenüber 5,7 Todesfälle pro 100 Personenjahre für nicht mit Testosteron behandelte Männer.
      Eine Analyse mit konträrem Ergebnis, die Ende letzten Jahres publiziert worden war und einige Irritationen hervorgerufen hat, wird aufgrund einer Reihe von Unkorrektheiten stark kritisiert. Vigen et al. [7] berücksichtigten aus den Krankenakten des Veterans Affairs System 8.709 Patienten mit Baseline-Spiegeln an Gesamttestosteron <10,4 nmol/l, bei denen eine Koronarangiographie vorgenommen worden war. Von ihnen hatten 1.223 Männer eine Therapie mit Testosteron begonnen. Die Daten hinsichtlich Gesamtmortalität und Inzidenzen von Myokardinfarkt und Apoplex wären zunächst geeignet gewesen die beiden obigen Studien vollauf zu bestätigen. Doch nach komplexer statistischer Analyse mit Korrekturen für eine Vielzahl von Variablen kehrte sich das Ergebnis ins Gegenteil. Nicht beachtet wurde dabei, dass der Baseline-Gesamttestosteronspiegel in der Testosteron-Gruppe 1 nmol/l niedriger lag als in der unbehandelten Gruppe. Frühere Studienergebnissen zufolge könnte das alleine eine Erhöhung der Mortalitätsrate um bis zu 30% bewirken. Zudem wurden die Symptom, aufgrund derer mit Testosteron substituiert worden war, nicht berücksichtigt. Dabei könne z. B. erektile Dysfunktion bei hypogonadalen Männern das Risiko für kardiale Ereignisse nachgewiesenermaßen um mehr als 50% erhöhen. Höchst bedeutsam sei ferner die Unterschlagung von 1.132 Patienten, die erst nach einem koronaren Ereignis Testosteron erhielten. Diese Fälle erhöhten korrekterweise die Ereignisrate der unbehandelten Männer um 70%.


Schlussfolgerungen
Die Assoziation von niedrigen Testosteronspiegeln mit einer erhöhten Mortalitätsrate hat sich einer Reihe von Bevölkerungskollektiven einschließlich Hochrisiko-Gruppen nachweisen lassen und hatte auch in Metaaanalysen Bestand.
      In zwei Studien war be Männern mit testosterondefizit eine auf die Hälfte reduzierte Mortalität nachgewiesen worden, wenn sie mit Testosteron substituiert wurden [5, 6].
      Ein höchst komplexe statistische Arbeit, in der bei mit Testosteron behandelten hypogonadalen kardiologischen Patienten eine höhere Rate an Mortalität und kardiovaskulären Ereignissen errechnet wurde, als bei den nicht mit Testosteron substituierten Patienten [7], wird in der referierten Arbeit wie bereits von zahlreichen anderen Experten aufgrund schwerwiegender methodischer Fehler und Datenungereimtheiten massiv kritisiert.
   
Literatur:
[1] Hackett G, Kirby M, Sinclair AJ, 2014. Testosterone deficiency, cardiac health, and older men. Internat J Endocrinol http://dx.doi.org/10.1155/2014/143763
[2] Araujo AB, Dixon JM, Suarez EA, et al. 2011. Endogenous testosterone and mortality in men: a systematic review and meta-analysis. J Clin Endocrinol Metab 96:3007-3019.
[3] Haring R, Völzke RV, Steveling A, et al. 2010. Association of low testosterone levels with all-cause mortality by different cut-offs from recent studies. Eur Heart J 31:1494-1501.
[4] Malkin CJ, Pugh PJ, Morris PD, et al. 2010. Low serum testosterone and increased mortality in men with coronary heart disease. Heart 96:1821-1825.
[5] Muraleedharan V, Marsh H, Kapoor D, et al. 2013. Testosterone deficiency is associated with increased risk of mortality and testosterone replacement improves survival in men with type 2 dia­betes. Eur J Endocrinol 169:725-733.
[6] Shores MM, Nicholas L. Smith NL, Forsberg CW, et al. 2012. Testosterone treatment and mortality in men with low testosterone levels. J Clin Endocrinol Metab 97:2050-2558.
[7] Vigen R, O´Dnnell CI, Barón AE, et al. 2013. Association of testosterone therapy with mortality, myocardial infarction, and stroke in men with low testosterone levels. JAMA 310:1829-1836.

 Juni 2014 Drucken Autor: jfs