Der Zusammenhang zwischen Testosteronmangel und sexuellen Symptomen ist je nach untersuchtem
Studienkollektiv unterschiedlich markant ausgeprägt. Bei bevölkerungsbasierten, weitgehend gesunden Männern mit erniedrigtem
Testosteronspiegel schwächt sich die in der univariaten Analyse deutliche Korrelation zwischen Testosteron und Sexualstörung
zumeist ab, sofern Korrekturen für Störfaktoren wie das Alter und Depression vorgenommen werden [1].
Andererseits sind die vielfach älteren Patienten
der urologischen Praxis häufig mit Krankheiten wie Adipositas, metabolischem Syndrom oder Diabetes mellitus Typ 2
belastet. Bei dieser Klientel tritt die Verbindung niedriger Testosteronspiegel und Störung der Sexualfunktion
deutlich in Erscheinung. In einer Reihe von Studien gehören insbesondere Libidoverlust und erektile Dysfunktion
(ED) zu den Symptomen, die mit Testosteronmangel im Zusammenhang standen.
Mangelnde Libido als Leitsymptom bei Testosterondefizit
Libidoverlust gilt weithin als kennzeichnendes Symptom bei Testosteronmangel, d. h. der Serum-Testosteronspiegel
wird bei Männern [2] wie auch bei Frauen [3] mit der Libido in Zusammenhang gebracht. Bevölkerungsbasierte Daten für
Männer lieferte hierzu eine Analyse mit 1.632 Teilnehmern der Massachusetts Male Aging Study (MMAS). Es wurden drei
spezifische Fragestellungen untersucht: (I) Steht die selbst eingeschätzte Libido im Zusammenhang mit den mittleren
Serum-Testosteron- oder Serum-LH-Spiegeln? (II) Ist eine niedrige Libido ein unabhängiger Prädiktor für niedriges
Serum-Testosteron? (III) Hat das Verhältnis von Testosteron und der Anzahl der CAG-Wiederholungen im
Androgenrezeptor-Gen eine stärkere Verbindung mit der Libido als der Testosteronspiegel selbst? In der Studienkohorte
gaben 19% der Männer an, eine niedrige Libido zu haben.
|
Beim altersbezogenen Absinken des Testosteronspiegels waren Libidoverlust und Vitalitätsschwäche
die ersten Merkmale eines Late-onset-Hypogonadismus (LOH, Altershypogonadismus). Die Beeinträchtigung der
erektilen Funktion trat hingegen erst bei massivem Testosteronmangel auf
(nach Zitzmann M, et al. 2006).
|
Zwischen Libido und Gesamttestosteron wie auch errechnetem
biologisch verfügbarem Testosteron bestand sowohl in der unkorrigierten als auch der korrigierten Analyse ein
statistisch signifikanter Zusammenhang. Für LH traf das nicht zu.
Bei Männern, die eine niedrige Libido angaben,
bestand eine, wenn auch geringfügig erhöhte Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen eines niedrigen Testosteronspiegels.
Das Verhältnis von Testosteron und der Anzahl der CAG-Wiederholungen resultierte in keiner verstärkten Assoziation [4].
Der Zusammenhang zwischen unterschiedlich hohen Testosteronspiegeln und Symptomen eines Androgenmangels wurde von Zitzmann
et al. (2006) untersucht [5]. Danach klagten zahlreiche Männer bereits beim Absinken ihres Testosteronspiegels auf Werte
zwischen 15 und 12 nmol/l über Libidoverlust und Antriebsschwäche (Abb.). Erst unterhalb 10 nmol/l waren psychische
Symptome bei den Männern überproportional häufig. Erektile Dysfunktion und Hitzewallungen traten vermehrt bei
Testosteronwerten unterhalb 8 nmol/l auf.
Steht Testosteronmangel mit ED im Zusammenhang?
Unter den hauptsächlichen Ursachen für ED soll endokrinen Störungen nach herkömmlicher Auffassung nur eine
untergeordnete Rolle zukommen. Dem widerspricht A. Morgentaler aus klinischer Sicht in einem Kommentar [6].
Darin wird ein Therapieversuch mit Testosteron sogar noch vor dem Einsatz von Phosphodiesterase-5 (PDE5)-Inhibitoren
propagiert, wobei auch Männer mit einem Testosteronspiegel >3 ng/ml unter Umständen nicht auszuschließen sind, da
bei einem erhöhten Spiegel an Sexualhormon-bindendem Globulin (SHBG) das Gesamttestosteron zwar im Normbereich
liegt, es jedoch an freiem bzw. bioverfügbarem Testosteron mangeln kann.
In einem Kollektiv von 1.776 Männern aus der chinesischen Bevölkerung wurde die Verbindung von Gesamt-, freiem
und bioverfügbarem Testosteron mit ED analysiert [7]: Während freies und bioverfügbares Testosteron mit
verschlechterter ED im Zusammenhang standen, ergab sich für das Gesamttestosteron eine positive Korrelation.
Letzteres wird auf einen erhöhten SHBG-Spiegel im Alter zurückgeführt. Der auf fünf Punkte verkürzte International
Index of Erectile Function (IIEF-5) Score korrelierte positiv mit dem freien und bioverfügbarem Testosteron.
Vermehrt Sexualstörungen bei Diabetes und Adipositas
Der Anteil an Patienten mit ED, bei denen zugleich ein Hypogonadismus vorliegt, wird oft als nicht sehr hoch eingestuft. Dieser Anteil
steigt aber drastisch an, wenn die Patienten adipös sind, ein metabolisches Syndrom manifest ist oder ein Diabetes
mellitus Typ 2 vorliegt [8].
Da Adipositas bei inaktiver Lebensweise mit ED und Testosteronmangel hochgradig assoziiert ist, wurden unterschiedlich
ausgedehnte, moderat intensive Trainingsprogramme (<150 Minuten/Woche versus 200–300 Minuten/Woche) bei adipösen
Probanden hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf die erektile Funktion und den Testosteronspiegel verglichen [9].
Bei einem wöchentlichen Trainingspensum von im Mittel 236 Minuten verringerte sich das Körpergewicht um durchschnittlich
6,2% und der Testosteronspiegel erhöhte sich im Mittel um 2,1 nmol/l. Zugleich wurde ein Anstieg des IIEF-5 Score um
mittlere 2,6 Punkte registriert. Diese Effekte waren signifikant größer als bei den Männern mit deutlich kürzerer
Trainingsdauer.
In einem Studienkollektiv aus Patienten mit Diabetes mellitus Typ 2 wurde vermehrt ED festgestellt, wenn der Testosteronspiegel 4,04 ng/ml
betrug (87%). Bei höherem Testosteronspiegel trat ED nur in 39% der Fälle auf [10].
Synergistischer Effekt von Testosteron und PDE5-Inhibitoren?
Das klinische Ansprechen von ED-Patienten auf die PDE5-Inhibitoren scheint bei Testosteronmangel unter Umständen
beeinträchtigt zu sein. In einem neueren systematischen Review wurde die klinische Beweislage zur Effektivität der
Kombinationstherapie mit PDE5-Inhibition und Normalisierung des Serum-Testosterons bei hypogonadalen ED-Patienten,
die zuvor nicht auf eine der entsprechenden Monotherapien ansprachen, beleuchtet [11]. Es konnten 14 Berichte von
Studien mit der Kombinationstherapie bei ED-Patienten mit niedrigem/niedrig normalem Testosteronspiegel identifiziert
werden (12 Testosteron + Sildenafil und 2 Testosteron + Tadalafil). Insgesamt waren 684 Männer beteiligt. Die
Behandlung der Studienteilnehmer mit einem PDE5-Inhibitor plus Testosteron zeigte Effektivitätsraten
von 34% bis 100%. Davor waren die Männer zumeist ohne befriedigenden Erfolg nur mit dem PDE5-Inhibitor therapiert
worden. Positive Befunde mit der Kombinationstherapie resultierten insbesondere aus sechs Studien mit hohem
Evidenzlevel (≤2). Darüber hinaus wurden weitere, zumeist kleinere Studien trotz verschiedener methodischer
Unzulänglichkeiten in dem Review berücksichtigt, da sie die Sicherheit und die potenziell positive Wirkung
der Kombinationstherapie untermauern können.
Die höchste Teilnehmerzahl wies eine randomisierte, kontrollierte Studie mit 173 ED-Patienten auf. Die Männer hatten
Baseline-Testosteronspiegel 4 ng/ml (13,8 nmol/l). Sie erhielten über 12 Wochen 1%iges Testosteron-Gel plus 10 mg Tadalafil
täglich. Als effektiv erwies sich die Kombinationstherapie nur, wenn der Baseline-Testosteronspiegel 3 ng/ml betragen hatte [12].
Literatur:
[1] Lackner J, 2011. Testosteronmangel. Wie viel Hormon reicht dem Mann? CliniCum Urologie 3/2011.
[2] Morley JE, 2003. Testosterone and behavior. Clin Geriatr Med 19:605-616.
[3] Davis SR, 2013. Androgen therapy in women, beyond libido. Climacteric, May 6. [Epub ahead of print].
[4] Travison TG, Morley JE, Araujo AB, et al. 2012. The relationship between libido and testosterone levels in aging men.
J Clin Endocrinol Metab 91:2509-2513.
[5] Zitzmann M, Faber S, Nieschlag E, 2006.
Association of specific symptoms and metabolic risks with serum testosterone in older men. J Clin Endocrinol Metab 91:4335-4343.
[6] Morgentaler A, 2007. COMMENTARY: Guideline for male testosterone therapy: a clinician´s perspective.
J Clin Endocrinol Metab 92:416-417.
[7] Liao M, Huang X, Gao Y, et al. 2012. Testosterone is associated with erectile dysfunction: a cross-sectional
study in Chinese men. PloS ONE 7:e39234.
[8] Diaz-Arjonilla M, Schwarcz M, Swerdloff RS, Wang C, 2009.
Obesity, low testosterone levels and erectile function. Int J Impot Res 21:89-98.
[9] Khoo J, Tian HH, Tan B, et al. 2013.
Comparing effects of low- and high-volume moderate-intensity exercise on sexual function and testosterone in
obese men.J Sex Med, May 1 [Epub ahead of print].
[10] Ghazi S, Zohdy W, Elkhiat Y, Shamloul R, 2012.
Serum testosterone levels in diabetic men with and without erectile dysfunction. Andrologia 44:373-380.
[11] Alhathal N, Elshal AM, Carrier S, 2012.
Synergistic effect of testosterone and phosphodiesterase-5 inhibitors in hypogonadal men with erectile dysfunction:
A systematic review. Can Urol Assoc J 6:269-274.
[12] Buvat J, Montorsi F, Maggi M, et al. 2011.
Hypogonadal men nonresponders to the PDE5 inhibitor Tadalafil benefit from normalization of testosterone levels with
a 1% hydroalcoholic testosterone gel in the treatment of erectile dysfunction. J Sex Med 8:284-293.