Bevor ein Spermium die Fähigkeit zur Befruchtung erlangt, muss es innerhalb des weiblichen
Genitaltraktes verschiedene strukturelle und physiologische Veränderungen
durchmachen. Relativ wenig definitive Befunde liegen über den Prozess der
Kapazitation vor. Hingegen sind in den letzten Jahren erhebliche Fortschritte
bei der Aufklärung der akrosomalen Reaktion gemacht worden. Insbesondere die
Rolle des Progesterons bei Oberflächenreaktionen auf menschlichen Spermatozoen
konnte in zahlreichen Einzelheiten geklärt werden.
Auslösung der akrosomalen Reaktion mit Progesteron
Bei der akrosomalen Reaktion verschmilzt die äußere Akrosomenmembran mit der darüber liegenden Plasmamembran.
Als primärer Auslöser der Akrosomalen Reaktion wird allgemein der Kontakt des Spermiums mit der Zona
pellucida angesehen. Im Zusammenwirken mit der Zona pellucida gilt Progesteron als sekundärer Auslöser der
akrosomalen Reaktion. Die Sensitivität von Spermien gegenüber Progesteron ist allerdings so
groß, dass die akrosomale Reaktion in zahlreichen Spermien verfrüht ausgelöst wird, und deren
Fähigkeit zur Befruchtung dadurch beeinträchtigt ist [1].
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Schematische Darstellung der Akrosomenreaktion:
a) Spermium im Schnittbild vor der Akrosomenreaktion: Die äußere Zellmembran und die
akrosomalen Membranen sind intakt (der Kopfbereich des Spermiums wird untergliedert in einen
akrosomalen und einen postakrosomalen Bereich);
b) Beginnende Akrosomenreaktion: Multiple Fusionen zwischen der Zellmembran und der äußeren
Akrosomenmembran führen zu Öffnungen im Akrosom und lassen die akrosomalen Inhaltsstoffe entweichen;
c) und d) Die akrosomale Reaktion ist abgeschlossen. Reste der vesikulierten Membran werden
teilweise noch durch einen klebrigen Molekularverbund zusammengehalten. Durch die lebhafte
Vorwärtsbewegung der Spermien werden jedoch diese Reste schnell zurückgelassen
(nach Yanagimachi R 1981: Mechanisms of fertilization in mammals. In: Mastroianni L, Biggers JD (eds):
Fertilization and Embryonic Development in vitro, pp. 81-182, Plenum Press, New York-London).
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Biphasische Erhöhung von [Ca]i in Spermien
Progesteron wird von der Oozyte und von Cumulus-oophorus-Zellen sezerniert und erreicht in der
Umgebung der Oozyte eine mikromolekulare Konzentration. Die Rolle von Progesteron als Agonist
der akrosomalen Reaktion beruht auf der Interaktion mit Rezeptoren in bzw. auf der Plasmamembran
von Spermien. Die durch Progesteron aktivierten Rezeptoren bewirken eine Erhöhung der intrazellulären
Kalziumkonzentration [Ca2+]i. Hierbei handelt es sich um eine nicht-genomische
Steroid-induzierte Reaktion. Die Erhöhung der [Ca2+]i ist ein biphasisches Ereignis,
bei dem auf einen kurzzeitigen [Ca2+]i-Anstieg eine
lang gezogene Erhöhung der [Ca2+]i auf niedrigerem Niveau folgt.
Beide Phasen sind von Progesteron abhängig [2].
Zur Aufklärung von Reaktionswegen werden verschiedentlich Spinnengifte wie das der chilenischen Schwarzen
Witwe (Latrodectus mactans) eingesetzt. Mit diesem Arachnotoxin lässt sich [Ca2+]i
in menschlichen Spermien anheben. Anschließend lässt sich [Ca2+]i in denselben
Spermien noch mit Progesteron anheben. Umgekehrt bleibt der Effekt mit Arachnotoxin aus,
wenn zuvor mit Progesteron behandelt wurde.
Parallel zur Anhebung der [Ca2+]i mit Arachnotoxin
kommt es zu einem pH-Abfall. Im Gegensatz dazu induziert Progesteron einen pH-Anstieg. Hierdurch werden
durch Progesteron offenbar – anders als mit
Arachnotoxin – innere Kalziumspeicher entleert [3].
[Ca]i und der akrosomale Status
Wenn Progesteron als Auslöser bzw. als Mitauslöser der akrosomalen Reaktion fungiert, müssen der Verlust
des Akrosoms und die Freisetzung seines Inhalts innerhalb des weiblichen Genitaltraktes zeitlich
und räumlich koordiniert ablaufen. In diesem Zusammenhang wurden mittels
Fluoreszenzmikroskopie der akrosomale Status in Verbindung mit der [Ca2+]i
in einzelnen lebenden menschlichen Spermien bestimmt.
Die Erhöhung der [Ca2+]i verläuft in verschiedenen Spermien sehr unterschiedlich.
Ferner hängt die Wahrscheinlichkeit, dass bei einem Spermium die akrosomale Reaktion ausgelöst wird, nicht von der
[Ca2+]i-Amplitude ab. Das steht im Einklang mit der Ansicht, dass verschiedene Faktoren
– wie z.B. der Phosphorylierungsstatus von Tyrosin – die akrosomale Reaktion verhindern, auch wenn
[Ca2+]i erhöht ist. Vermutlich bedarf es des unmittelbaren, vorübergehenden Anstiegs von
[Ca2+]i, um die akrosomale Reaktion in Gang zu setzen.
Durch Stoppen der akrosomalen Reaktion in vitro, indem Ca2+
in der Umgebung der Spermien durch einen Chelatbildner (EGTA) komplexiert wird, ließ sich ermitteln, dass
das Maximum der akrosomalen Reaktion unmittelbar nach der Progesteron-Stimulation während des vorübergehenden
Ca2+-Einstoms und nicht später während der anhaltenden Erhöhung der [Ca2+]i
stattfindet
[4].
[1] Harper CV, Publicover SJ. 2005.
Reassessing the role of progesterone in fertilization – compartmentalized calcium signalling in human spermatozoa?
Hum Reprod 20:2675-2680.
[2] Kirkman-Brown JC, Bray C, Stewart PM, et al. 2000.
Biphasic elevation of [Ca2+]iin individual human spermatozoa exposed to progesterone.
Dev Biol 222:326-335.
[3] Romero F, Cunha MA, Sanchez R, et al. 2007.
Effects of arachnotoxin on intracellular pH and calcium in human spermatozoa. Fertil Steril 87:1345-1349.
[4] Harper CV, Barratt CLR, Publicover SJ, Kirkman-Brown JC. 2006.
Kinetics of progesterone-induced acrosome reaction and its relation to intracellular calcium responses
in individual human spermatozoa. Biol Reprod 75:933-939.