Jedes Jahr erkranken in Deutschland fast 64.500 Männer an Prostatakrebs. Für die Behandlung
stehen verschiedene Therapiealternativen zur Verfügung. Abhängig vom Erkrankungsstadium kann
eine Operation, eine Strahlentherapie und in manchen Fällen auch eine abwartende Haltung mit
regelmäßiger Kontrolle angewendet werden. Gerade bei älteren Patienten ist das Verschieben
der Behandlung auf einen späteren Zeitpunkt eine mögliche Alternative.
Für Patienten ist es oft nicht leicht, sich für eine Therapie zu entscheiden, gerade
zwischen Operation und Strahlentherapie fallen oft viele Faktoren ins Gewicht, die
eine Entscheidungsfindung beeinflussen. Bei der Operation, der radikalen Prostatektomie,
wird die gesamte Prostata samt Hülle entfernt. Bei der Strahlentherapie wird die Prostata
von mehreren Seiten bestrahlt, wodurch die Krebszellen abgetötet werden.
Eine große prospektive Studie, die britische „ProtecT“-Studie, die im September 2016
im New England Journal of Medicine veröffentlicht wurde, hat beide Verfahren, Operation
und Strahlentherapie, untersucht, und mit einer abwartenden Haltung verglichen. Es
wurden 1643 Patienten eingeschlossen und randomisiert. Nach zehn Jahren zeigte sich
ein deutlicher Vorteil für die Operation bzw. Strahlentherapie gegenüber einer abwartenden
Haltung: Dieser positive Effekt einer frühen Behandlung, sei es Operation oder
Strahlentherapie, spiegelt sich in weniger lokalem Fortschreiten der Erkrankung sowie
in einer geringeren Anzahl von Patienten mit Metastasen wider. Nach zehn Jahren waren
allerdings gleich viele Patienten bei allen drei Behandlungsformen an ihrem Prostatakrebs
verstorben.
„Die Strahlentherapie ist über die Jahre nicht nur effektiver geworden, sondern
die Wahl der Behandlung hat auch wichtige Auswirkungen auf die Lebensqualität“,
sagt Professor Dr. med. Dr. rer. nat. Jürgen Debus, Präsident der DEGRO und Direktor
der Klinik für RadioOnkologie am Universitätsklinikum Heidelberg. Eine Operation kann
beispielsweise infolge einer Verletzung der Harnröhre oder der Nerven im Bereich der
Prostata eine Inkontinenz zur Folge haben. Ein halbes Jahr nach der Operation mussten
46 Prozent der Patienten regelmäßig Einlagen tragen, nach der Radiotherapie war dies
nur bei vier Prozent der Patienten der Fall. Ein weiterer Nachteil der Operation kann
eine Impotenz sein. „Die Erektionsfähigkeit ist heute für viele Männer auch im hohen
Alter wichtig“, sagt Professor Wiegel. Leiter der AG Prostata der DEGRO und Ärztlicher
Direktor der Klinik für Strahlentherapie am Universitätsklinikum Ulm. Sechs Monate
nach der Operation waren nur noch zwölf Prozent der Männer zum Geschlechtsverkehr in
der Lage. Vor der Therapie waren es noch 67 Prozent. Auch die Bestrahlung kann die
Potenz negativ beeinflussen: Der Anteil der Männer, die sechs Monaten nach der
Bestrahlung noch über eine ausreichende Erektionsfähigkeit verfügten, war mit 22 Prozent
jedoch fast doppelt so hoch wie nach der Operation. Durch die Anwendung von hochpräzisen
Techniken, wie der Intensitätsmodulierten Strahlentherapie (IMRT) können Nebenwirkungen,
beispielsweise am Enddarm, deutlich vermindert werden. Stuhlinkontinenzen, die die
Lebensqualität deutlich verschlechtern können, waren in der ProtecT-Studie nach der
Strahlentherapie nicht häufiger als nach einer Operation.
Die Pressesprecherin der DEGRO, Professor Dr. med. Stephanie E. Combs hält es für
wichtig, Patienten über den Vorteil einer frühen Behandlung zu beraten. Die Direktorin
der Klinik und Poliklinik für RadioOnkologie und Strahlentherapie im Klinikum rechts der Isar,
Technische Universität München (TUM), betrachtet die Strahlentherapie als eine schonende
Alternative, über die alle Patienten vor einer Entscheidungsfindung beraten werden sollten.
Die Behandlung zieht sich über einen längeren Zeitraum: Mit Operation und anschließender
Erholung muss man einige Wochen einplanen, eine Strahlentherapie dauert ca. acht Wochen.
Kürzere Behandlungszeiten, die sogenannte Hypofraktionierung, werden derzeit
widersprüchlich diskutiert. Dies ist erst jüngst in zwei aktuellen Studien in
Lancet Oncology gezeigt worden. Weitere prospektive Studien werden derzeit noch
durchgeführt, berichtet Professor Combs: „Die hypofraktionierte Therapie sollte
deshalb nur in begründeten Fällen und unter hohen Qualitäts- und Sicherheitsstandards
durchgeführt werden.“
Literatur:
Quelle: Deutsche Gesellschaft für Radioonkologie e.V.
Hamdy FC, Donovan JL, Lane JA, Mason M, Metcalfe C, Holding P, Davis M und die
ProtecT Study Group. 10-Year Outcomes after Monitoring, Surgery, or Radiotherapy
for Localized Prostate Cancer. N Engl J Med. 2016; doi: 10.1056/NEJMoa1606220. Abstract
Donovan JL und die ProtecT Study Group . Patient-Reported Outcomes after Monitoring, Surgery,
or Radiotherapy for Prostate Cancer. N Engl J Med. 2016; doi: 10.1056/NEJMoa1606221. Abstract
Dearnaley D und die CHHiP Investigators . Conventional versus hypofractionated high-dose
intensity-modulated radiotherapy for prostate cancer: 5-year outcomes of the randomised,
non-inferiority, phase 3 CHHiP trial. Lancet Oncology 2016; 17: 1047-1060. Abstract
Incrocci L et al. Hypofractionated versus conventionally fractionated radiotherapy for patients
with localised prostate cancer (HYPRO): final efficacy results from a randomised, multicentre,
open-label, phase 3 trial. Lancet Oncology 2016; 17: 1061-9. Abstract
Höcht S, Aebersold DM, Albrecht C, Böhmer D, Flentje M, Ganswindt U, Hölscher T, Martin T,
Sedlmayer F, Wenz F, Zips D, Wiegel T. Hypofractionated radiotherapy for localized prostate
cancer. Strahlenther Onkol. 2016 Sep 14. Abstract
Dezember 2016
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