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Erythrozytose und Polyzythämie unter Testosteronausgleich bei älteren Männern

Hintergrund

Männer mit symptomatischem Late-onset-Hypogonadismus nehmen zunehmend die Behandlungsmöglichkeit mit einer Testosteronausgleichstherapie (TRT) wahr. Die Maßnahme gilt zwar als effektiv und sicher, doch es kommt bei einigen Patienten zu Erythrozytose bzw. Polyzythämie. Da mit den Blutbildveränderungen das Risiko für venösen Thromboembolismus (VTE) erhöht sein könnte, war diesbezüglich jüngst eine kontrovers geführte Debatte um die TRT angestoßen worden.

Zielsetzung
Aktuell wurden in einem Review Mechanismen beleuchtet, die die hämatologischen Reaktionen auf eine TRT erklären können. Zugleich wurde die Rolle analysiert, die diese Effekte auf eine VTE ausüben könnten [1].

Direkt und indirekt beeinflusste hämatologische Reaktionen
Häufigste Nebeneffekte einer TRT sind Erhöhungen des Hb und des Hkt. Als indirekte Mechanismen gelten hierfür die Erhöhung der EPO-Produktion sowie die erhöhte Bioverfügbarkeit von Eisen aufgrung verminderter Produktion des Eisen sequestrierenden Hepcidins. Andererseits wurden auch direkte Testosteron-Einflüsse anhand gesteigerter Proliferationsraten der hämatopoetischen Stammzellen in menschlichen Knochenmark-Kulturen beobachtet.

Die Kombination der indirekten und direkten Steroidhormon-Effekte in Verbindung mit einer TRT sind in der Abbildung zusammengefasst.

Einfluss des Verabreichungsweges auf Hb- und Hkt-Anstieg
Unter den vielfältigen Methoden der Verabreichung einer TRT wird der initiale Anstieg des Testosteronspiegels vom Basiswert aus mit Injektionen verständlicherweise am höchsten ausfallen. Insofern werden mit dieser Therapieform auch die am stärksten ausgeprägten Anstiege des Hb und des Hkt beobachtet. Insbesondere bei supraphysiologischem Testosteronspiegeln besteht ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung von Erythrozytose und Polyzythämie. Bei intramuskulärer Injektion lang wirksamer Formulierungen mit Testosteronundecanoat lassen sich supraphysiologische Testosteronanstiege zwar weitgehend vermeiden, doch dann ist eine gegebenenfalls erforderliche Beendigung der Therapie erheblich verzögert.

VTE-Risiko bei erhöhtem Hkt?
Obwohl aus einer Reihe von Studien hervorzugehen scheint, dass ein Zusammenhang zwischen Hkt und VTE besteht, bleiben insbesondere Zweifel hinsichtlich der kausalen Rolle des Hkt bei der Entwicklung einer VTE. Zum einen wurde in verschiedenen Studien keine diesbezügliche Korrelation festgestellt, und andererseits tritt VTE auch unabhängig von Erythrozytose oder Polyzythämie auf. Von einigen Untersuchern wurde Hkt sogar in die Reihe eines unbeteiligten Zuschauers verwiesen [4].

In einem jüngst publizierten sytematischen Review aller Placebo-kontrollierten, randomisierten klinischen Prüfungen (75 Studien mit 3016 und 2448 Patienten in den TRT- bzw. Placebo-Gruppen) zu Effekten einer TRT auf kardiovaskuläre Ereignisse, wurde kein kausaler Zusammenhang zwischen TRT und kardiovaskulären Ereignissen festgestellt [5].

Bei Patienten mit Risikofaktoren für Gefässverschlüsse (z. B. Typ-II-Diabetes, Hyperlipidämie, Adipositas, Rauchgewohnheiten) wird empfohlen, möglichst transdermalen Formulierungen den Vorzug zu geben. Insbesondere für ältere Männer mit weiteren Störfaktoren und/oder vorausgegangenen vaskulären Erkrankungen stellen Präparate, die die Blutparameter am geringsten beeinflussen, die sicherste Option dar.

Schlussfolgerungen
Bei älteren Männern findet die TRT zur Behandlung mit Hypogonadismus im Zusammenhang stehender Beschwerden zunehmend Akzeptanz. Häufigste Nebeneffekte sind Erhöhungen des Hb und des Hkt.

Eine Reihe von Formulierungen ermöglicht die Wahl zwischen unterschiedlichen Applikationsformen. Mit injizierbaren Präparaten werden am ehesten stärkere hämatologische Effekte hervorgerufen. Supraphysiologische Serum-Testosteronspiegel wurden mit erhöhtem Risiko für Erythrozytose und Polyzythämie in Verbindung gebracht. Bei Patienten mit Risikofaktoren für thrombo-embolische Ereignisse besteht die sicherste Option mit Applikationsformen, die die Blutparameter am geringsten beeinflussen.

   
Literatur:
[1] Jones Jr SD, Dukovac T, Sangkum P, et al. 2015. Erythrocytosis and polycythemia secondary to testosterone replacement therapy in the aging male. Sex Med Rev 3:101-112.
[2] Bachmann E, Travison TG, Basaria S, et al. 2014. Testosterone induces erythrocytosis via incre­ased erythropoietin and suppressed hepcidin: evidence for a new erythropoietin/hemoglobin set point. J Gerontol A Biol Sci Med Sci 69:725-735.
[3] Caldo RT, Yewdell WT, Wilkerson KL, et al. 2009. Sex hormones, acting on TERT gene, increase telomerase activity in human primary hematopoietic cells. Blood 114:2236-2243.
[4] Schreijer AJM, Reitsma PH, Cannegieter SC, 2010. High hematocrit as a risk factor for venous thrombosis. Cause or innocent bystander? Haematologica 95:182-184.
[5] Corona G, Maseroli E, Rastrelli G, et al. 2014. Cardiovascular risk associated with testosterone-boosting medications: a systematic review and meta-analysis. Expert Opin Drug Saf 13:1327-1351.

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