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Gesundheitszustand HIV-infizierter Männer mit niedrigem Serum-Testosteronspiegel

Hintergrund

Die Infektion mit humanem Immundefizienz-Virus (HIV) steht bei Männern häufig mit Androgenmangel im Zusammenhang [1]. Als Erklärung für die Entwicklung eines Testosteronmangels bei HIV-Infektion wurden unter anderem Medikamenteneinflüsse, Fettumverteilung und ein schlechter Gesundheitszustand angeführt. Mit hochaktiver antiretroviraler Therapie lässt sich das Virus kontrollieren und die HIV-Infektion wird zur chronischen Krankheit. Dabei besteht das erhöhte Risiko nicht-AIDS-definierende Erkrankungen (HIV-associated non-acquired immunodeficiency syndrome; HANA) zu entwickeln, die zu einem schlechten Gesundheitszustand, Morbidität und Mortalität führen können [2, 3]. Zahlreiche chronische Krankheiten stehen für sich mit niedrigem Serum-Testosteron im Zusammenhang. Weniger bekannt ist allerdings, inwieweit sich der allgemeine Gesundheitszustand negativ auf die Testosteronsekretion auswirkt.

Zielsetzung
In der aktuellen Untersuchung war es beabsichtigt, den Zusammenhang zwischen Gesamttestosteron und HANA, Multimorbidität sowie Gebrechlichkeit aufzuklären [4].

Patienten und Methoden
Die retrospektive Auswertung von Patientenakten berücksichtigt 1 359 aufeinander folgende ambulante HIV-infizierte Männer, die die Abteilung für Infektionskrankheiten der Universität in Modena und Reggio nell‘Emilia (Italien) zwischen April 2005 und Dezember 2013 erstmalig aufgesucht haben.
Aktuelle Ergebnisse
Die Anzahl der Komorbiditäten bei den einzelnen hypogonadalen (T <3,0 ng/ml) Patienten war deutlich höher als bei den eugonadalen HIV-infizierten Männern. Bei mehr als jedem Dritten von ihnen lagen ≥5 Komorbiditäten und bei jeweils mehr als jedem Vierten drei oder vier Komorbiditäten vor. Damit waren 97,3% der HIV-infizierten Männer mit biochemischem Hypogonadismus zugleich multimorbid und 88,4% von ihnen hatte zumindest drei Komorbiditäten.



Bei hypogonadalen HIV-Patienten traten Hypertonie, Lipodystrophie, metabolisches Syndrom, Diabetes mellitus, Dyslipidämie und NAFLD signifikant häufiger als erwartet auf (Abb.).

Als Surrogat für den allgemeinen Gesundheitszustand des Patienten ist der Gebrechlichkeitsindex besonders aussagekräftig, da er auch Informationen zu verschiedenen nicht zu den Komorbiditäten zählenden Defiziten und Symptomen integriert. In der linearen Regressionsanalyse war der Gebrechlichkeitsindex umgekehrt proportional zum Spiegel an Gesamttestosteron. Das hatte auch nach der Korrektur für das Alter Bestand. Der Spiegel an freiem Trijodthyronin war bei hypogonadalen signifikant niedriger als bei eugonadalen Patienten.

Einer neuen amerikanischen Untersuchung zufolge wird ein hoher Prozentsatz HIV-infizierter Männer – insbesondere bei Verlust fettfreier Körpersubstanz – mit Testosteron behandelt. Dabei wurde jedoch auch festgestellt, dass die Einleitung der Therapie oft ohne adäquate Indikationsstellung erfolgt und es an der Einhaltung der Therapie­überwachung mangelt [5]. Doch auch oder gerade bei HIV-infizierten Männern sollte die Abklärung der Komorbidität, des allgemeinen Gesundheitszustandes und der Gebrechlichkeit die Grundlage für die Therapieentscheidung bilden.

Schlussfolgerungen
Bei HIV-infizierten Männern steht ein niedriger Serum-Testosteronspiegel mit nicht-AIDS definierenden Erkrankungen, Multimorbidität, und Gebrechlichkeit im vermutlich bidirektionalen Zusammenhang.

Bei Einleitung einer Testosteron-Substitutionstherapie bei HIV-infizierten Männern sollte eine Abwägung anhand des individuellen Gesundheits- und Gebrechlichkeitszustands erfolgen. Die strikte Einhaltung Follow-up-Untersuchungsprogramms ist mandatorisch.

   
Literatur:
[1] Rochira V, Guaraldi G, 2014. Hypogonadism in the HIV-infected man. Endocrinol Metab Clin North Am 43:709-730.
[2] Brothers TD, Kirkland S, Guaraldi G, et al. 2014. Frailty in people aging with human immunodeficiency virus (HIV) infection. J Infect Dis 210:1170-1179.
[3] Guaraldi G, Silva AR, Stentarelli C, 2014. Multimorbidity and functional status assessment. Curr Opin HIV AIDS 9:386-397.
[4] Rochira V, Diazzi C, Santi D, et al. 2015. Low testosterone is associated with poor health status in men with human immunodeficiency virus infection: a retrospective study. Andrology 3:298-308.
[5] Bhatia R, Murphy AB, Raper JL, et al. 2015. Testosterone replacement therapy among HIV-infected men in the CFAR Network of Integrated Clinical Systems. AIDS 29:77-81.

November 2015 Druckversion jfs
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