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Androgendeprivation bei Prostatakrebs mit zahlreichen negativen Effekten behaftet

Die Androgendeprivationstherapie (ADT) nimmt bei fortgeschrittenem und metastasiertem Prostatakarzinom einen zentralen Stellenwert ein. Sie führt zu einer Stabilisierung der Krankheit und lindert Symptome in der metastasierten Situation. Ferner besteht das Potenzial zur Lebensverlängerung. Mit der verbreiteten Anwendung der ADT auch bei Patienten, deren Prostatakrebs-bedingtes Mortalitätsrisiko als eher gering einzustufen ist, sind in den letzten Jahren allerdings vermehrt auch die negativen Effekte der Androgendeprivation in den Blickpunkt gerückt. In solchen Fällen spielt die Beeinträchtigung der langfristigen Gesundheit durch ADT-verursachte Komplikationen wie die Abnahme der Muskelmasse, Kraftverlust, Zunahme des Fettgewebeanteils, Sexualstörungen, vasomotorischen Symptome, Anämie, Knochenmineralabbau, Insulinresistenz, Diabetes mellitus und kardiovaskuläre Krankheiten eine in die Therapieentscheidung einzubeziehende Rolle. Dies umso mehr, als die zum Teil noch beträchtliche Lebenserwartung der Prostatakrebs-Patienten nicht durch geminderte Lebensqualität getrübt sein sollte.


Adipositas und Verlust an Muskelmasse

    Androgene beeinflussen die Körperzusammensetzung positiv. Hingegen findet sich bei hypogonadalen Männern vermehrt Adipositas und ein verringerter Anteil an fettfreier Körpermasse (Sarkopenie). Bei Prostatakrebs-Patienten kommt es unter einer ADT zu vermehrter Einlagerung von abdominalem Fettgewebe in die viszeralen und subkutanen Depots [1]. Dieser Effekt macht sich bereits im ersten Behandlungsjahr deutlich bemerkbar. Damit verbunden kommt es zu rasch einsetzendem Verlust an Muskelmasse.

    Androgenrezeptoren sind in verschiedenen Zelltypen des Fettgewebes – so auch Präadipozyten unterschiedlicher Differenzierungsstufen – nachgewiesen worden. Die Aktivierung der Androgenrezeptoren in den Vorläuferzellen des viszeralen Fettgewebes führt zu myogener Differenzierung, während ein Testosterondefizit die Differenzierung umgekehrt in Richtung Adipozyten lenkt.

Metabolische Risiken
    Glukosestoffwechselstörungen: Für Männer mit niedrigem Testosteronspiegel besteht das erhöhte Risiko, Insulinresistenz und in der Folge einen Diabetes mellitus Typ 2 zu entwickeln. Unter einer ADT führt der drastisch erniedrigte Androgenspiegel binnen weniger Wochen zu einer deutlich verminderten Insulinsensitivität.
          Anhand von Daten der Surveillance, Epidemiology and End Results (SEER)-Datenbank (n=73.196) wurde bei Patienten (Alter ≥66 Jahre) mit lokoregionalem Prostatakrebs nach einer medianen Beobachtungszeit ein um 44% erhöhtes Risiko für einen neu diagnostizierten Diabetes mellitus registriert, sofern sie mit einem Gonadotropin-releasing Hormon (GnRH)-Agonisten behandelt wurden.

    Fettstoffwechselstörungen: Ein niedriger Testosteronspiegel steht im Zusammenhang mit einem ungünstigen Lipidprofil. Unter einer ADT mit GnRH-Agonisten ist von einem ca. 25%igen Anstieg der Triglyzeridspiegel und einer ca. 10%igen Erhöhung des Gesamtcholesterins auszugehen. Bemerkenswerterweise stieg zugleich der Spiegel des HDL-Cholesterins um ca. 10% an [2]. Hierbei ist allerdings zu bedenken, dass die Molekülstruktur des HDL-Cholesterins bei einem Mangel an Testosteron modifiziert ist [3].

Kardiovaskuläres Risiko
    Kardiovaskuläre Risikofaktoren wie Adipositas, Hypertonie, Dyslipidämien und Glukosestoffwechselstörungen prädestinieren für kardiovaskuläre Krankheiten. Unter einer ADT wird vermehrt die Anhäufung dieser Faktoren in Form eines metabolischen Syndroms beobachtet [4]. Damit sind in verstärktem Maße kardiometabolische Risiken verbunden. Dementsprechend wird auch kardiovaskuläre Morbidität von verschiedenen Autoren zu den Komplikationen gestellt, die unter einer ADT zu gewärtigen sind [5]. Andererseits lässt sich anhand der zum Teil widersprüchlichen Daten zur Verbindung von kardiovaskulären Ereignissen bzw. kardiovaskulärer Mortalität und der Anwendung einer ADT bei Prostatakrebs-Patienten nicht zweifelsfrei auf einen Zusammenhang schließen.

    In einer großen bevölkerungsbasierten Untersuchung resultierten bei verschiedenen Formen der ADT unterschiedliche Risiken für Apoplex und vorübergehende ischämische Anfälle. Bei 22.310 Prostatakrebs-Patienten kam es im Verlauf von durchschnittlich 3,9 Jahren in 938 Fällen erstmalig zu einem zerebrovaskulären Ereignis (10,7 pro 1000 Jahre). Das Risiko war bei Anwendern von GnRH-Agonisten gegenüber Nichtanwendern einer ADT nur geringfügig erhöht und stieg bei Einnahme oraler Antiandrogene und darüber hinaus bei bilateraler Orchiektomie deutlich an [6].

Osteoporose und erhöhtes Risiko für Knochenfrakturen
    Hypogonadismus gehört bei Männern zu den häufigsten Ursachen für Osteoporose. Bei Prostatakrebs-Patienten beschleunigt sich unter einer ADT der Knochenumbau. In der Folge kommt es zur Abnahme der Knochenmineraldichte sowie in Verbindung mit dem Verlust an Muskelmasse zu gesteigerter Anfälligkeit für Knochenfrakturen.

    Mittels hochauflösender quantitativer Computer-Tomographie wurden im distalen Radius und der distalen Tibia Veränderungen des Knochengewebes bei Prostatakrebs-Patienten unter einer ADT nachgewiesen. Der Mangel an Sexualsteroiden verursachte Zerstörungen an der kortikalen und trabekulären Mikroarchitektur [7].

    Literatur:
    [1] Hamilton EJ, Gianatti E, Strauss BJ, et al. 2011. Increase in visceral and subcutaneous abdominal fat in men with prostate cancer treated with androgen deprivation therapy. Clin Endocrinol 74:377-383.
    [2] Saylor PJ, Smith MR, 2010. Adverse effects of androgen deprivation therapy: defining the problem and promoting health among men with prostate cancer. J Natl Compr Cancer Netw 8:211-223.
    [3] Rubinow KB, Vaisar T, Tang C, et al. 2012. Testosterone replacement in hypogonadal men alters the HDL proteome but not HDL cholesterol efflux capacity. J Lipid Res 53:1376-1383.
    [4] Collier A, Ghosh S, McGlynn B, Hollins G, 2011. Prostate cancer, androgen deprivation therapy, obesity, the metabolic syndrome, type 2 diabetes, and cardiovascular disease: a review. Am J Clin Oncol doi: 10.1097/COC.Ob013e318201a406
    [5] Collins L, Basaria S, 2012. Adverse effects of androgen deprivation therapy in men with prostate cancer: a focus on metabolic and cardiovascular complications. Asian J Androl 14:222.225.
    [6] Azoulay L, Yin H, Benayoun S, et al. 2011. Androgen-deprivation therapy and the risk of stroke in patients with prostate cancer. Eur Urol 60:1244-1250.
    [7] Hamilton EJ, Gianatti E, Ghasem-Zadeh A, et al. 2010. Structural decay of bone microarchitecture in men with prostate cancer treated with androgen deprivation therapy. J Clin Endocrinol Metab 95_E456-E463.


     September 2012 Drucken Autor: jfs