Überleben und kardiovaskuläre Ereignisse im Zusammenhang mit Testosteronsubstitution

Hintergrund

Sich widersprechende Ergebnisse aus verschiedenen Untersuchungen mit zum Teil erheblich voneinander abweichenden methodologischen Ansätzen haben eine gewisse Verunsicherung hinsichtlich der kardiovaskulären Sicherheit der Testosteronsubstitutionstherapie heraufbeschworen. Allerdings wurden hierzu bisher noch keine Studien publiziert, in denen die Effekte der Dauer einer Testosteron-Behandlung berücksichtigt worden sind.

Zielsetzung
Die aktuelle Studie beabsichtigte, anhand zeitveränderlicher Expositionsanalysen die Zusammenhänge zwischen langfristiger Testosteronsubstitution und Mortalität, kardiovaskulären Ereignissen sowie der Diagnose von Prostatakrebs zu ermitteln.

Teilnehmer und Methoden
Die bevölkerungsbasierte gepaarte Kohortenstudie wurde mit Männern 66 Jahre alt durchgeführt.


Die Therapie-Gruppe umfasste 10.311 Patienten, die neu auf eine Testosteron-Substitutionstherapie eingestellt waren, und 28.029 nach Alter, Wohngebiet, Komorbidität, Diabetes-Status und einem Index-Jahr von 2007 bis 2012 angepassten Kontrollen. Ihre Daten entstammten verschiedenen kanadischen Datenbanken. Um die mit Testosteron verbundenen Effekte besser herausstellen zu können, wurden die Männer anhand der Expositionsdosis in Form der Anwendungsdauer einer Testosteron-Therapie in Tertilen aufgeteilt (1. Tertile bis zu 120 Tage, 2.Tertile 120 bis 510 Tage und 3. Tertile länger als 519 Tage).

Ergebnisse
Die kumulierte Todesrate über fünf Jahre war bei den mit Testosteron behandelten Patienten mit 15,4% signifikant geringer als bei den Kontrollen mit 17,7% (p<0,0001). In einem Matched-Analyse-Verfahren stand die Testosteronbehandlung mit verringerter Gesamtmortalität im Zusammenhang (Hazard Ratio [HR] 0,88, 95% CI 0,84–0,93; p<0,0001). Nach Tertilen der Expositionsdosis mit Testosteron zeigte sich, dass eine kurze Therapiedauer von median zwei Monaten mit einer höheren Mortalitätsrate assoziiert war als bei den Kontrollen. Hingegen standen längere Anwendungsdauern von median 35 Monaten mit deutlich verringertem Mortalitätsrisiko im Zusammenhang (Abb 1.).

Die kumulative Inzidenz kardiovaskulärer Ereignisse unterschied sich in den Gruppen mit und ohne Testosteronsubstitution nicht signifikant (5,5 versus 5,2%; p=0,25). In einer Matched-Analyse mit Testosteronsubstitutionstherapie als dichotomer Variable für Exposition, war die Behandlung nicht mit höherem Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse behaftet, sondern es resultierte ein verringertes Risiko (p=0,05). Auf Basis der Expositionsdauer ergab sich für die Patienten in der obersten Tertile eine signifikant geringere Rate an kardiovaskulären Ereignissen als bei den Kontrollen (4,2% versus 5,2%; p=0,0002) (Abb. 2). Die Autoren sehen in der deutlichen Abhängigkeit der mit Testosteronsubstitution im Zusammenhang stehenden Effekte von der Expositionsdauer einen wesentlichen Grund für diskrepante Ergebnisse einiger Studien.

Ferner wurde die Rate an Prostatakrebs-Diagnosen zwischen Therapie- und Kontrollgruppe verglichen. Dabei ergab sich bei den mit Testosteron behandelten Männern gegenüber den nicht behandelten Kontrollen eine geringere kumulierte 5-Jahres-Inzidenz (2,8% versus 3,2%; p=0,04). Bei Berücksichtigung der Expositionsdosis war der Anteil Patienten mit einer neuen Prostatakrebs-Diagnose in der oberen Tertile signifikant geringer als bei den Männern der Kontrollgruppe wie auch den Patienten der unteren und mittleren Tertile. Zwischen letzteren drei Gruppen bestand kein wesentlicher Unterschied.

Schlussfolgerungen
Bei längerfristiger Behandlung mit einer Testosteronsubstitutionstherapie (median 35 Monate) hatten die Männer geringere Risiken für Mortalität, kardiovaskuläre Ereignisse und Prostatakrebs als die Männer ohne Testosteronbehandlung. Auch wenn die Ergebnisse dieser Beobachtungsstudie kein definitiver Beweis für die Prävention kardiovaskulärer Ereignisse bei einer Testosteronsubstitution sein kann, könnten sie zur Beratung älterer Männer über Nutzen und Risiken einer Testosteronsubstitutionstherapie nützlich sein.
   
Literatur:
Wallis CJD, Lo K, Lee Y, et al. 2016. Survival and cardiovascular events in men treated with testosterone replacement therapy: an intention-to-treat observational cohort study. Lancet Diabetes & Endocrinology 4:498-506.


 Juni 2016 Drucken Autor: jfs