Androgendeprivationstherapie (ADT)

Risiko negativer Beeinflussung metabolischer Parameter bei Prostatakrebs-Patienten

Hintergrund

Für Prostatakrebs-Patienten, die sich einer Androgendeprivationstherapie (ADT) unterziehen, besteht wie bei hypogonadalen älteren Männern das erhöhte Risiko für sexuelle Funktionsstörungen, Hitzewallungen, Knochenmineralverlust, Sarkopenie, Insulinresistenz, Dyslipidämien, Anämie, Fatigue und depressive Symptome. Zudem wurden ADT und Late-onset-Hypogonadismus mit erhöhter (kardiovaskulärer) Morbidität und Mortalität in Verbindung gebracht [1-3]. Da sich die Nebenwirkungen bei Androgendeprivation mit den Komponenten des metabolischen Syndroms teilweise überlappen, stellt sich die Frage, ob die Entwicklung eines metabolischen Syndroms durch eine ADT begünstigt wird. Das ist insbesondere klinisch relevant, da das Risiko für kardiovaskuläre Krankheiten bei Vorliegen eines metabolischen Syndroms drastisch erhöht ist [4].

Zielsetzung
Diesbezüglich wurden die Ausbildung eines metabolischen Syndroms sowie die seiner einzelnen Komponenten während des ersten Jahres einer ADT untersucht [5].

Patienten und Methoden
Die Patienten der multizentrischen, prospektiven Beobachtungstudie hatten histologisch nachgewiesenen Prostatakrebs (70% T3-4 N0 M0). Sie erhielten nach Maßgabe klinischer Kriterien länger als zwölf Monate ein 3-Monats-Depot eines (luteinisierendes Hormon Releasing-Hormon) LHRH-Agonisten. Vor der Behandlung sowie während des Follow-up nach sechs und zwölf Monaten wurden bei ihnen die Komponenten eines metabolischen Syndroms gemäß der Definition (Adult Treatment Panel) ATP III mit drei der folgenden Kriterien bestimmt:
  • Bauchumfang ≥102 cm,
  • HDL-Cholesterin ≤40 mg/dl,
  • Triglyceride ≥150 mg/dl,
  • Blutdruck ≥130/85 mmHg und
  • Nüchternglukose ≥110 mg/dl

    Die Analyse konnte mit 310 Patenten durchgeführt werden, von denen nach beendetem 12-monatigem Follow-up alle erforderlichen Daten vollständig vorlagen.

  • Aktuelle Ergebnisse
    Im Patientenkollektiv erfüllten 71 Männer (22,9%) die diagnostischen Kriterien eines metabolischen Syndroms gemäß ATP III. Nach sechs und zwölf Monaten waren es 79 Patienten (25,5%) bzw. 83 (26,8%). Die Unterschiede waren im Vergleich mit Baseline nicht signifikant (Abb.). Nach den ebenfalls häufig angewandten stringenteren Kriterien der International Diabetes Federation (IDF: obligatorisch Bauchumfang ≥94 cm plus ≥2 Kriterien, wobei Nüchternglukose ≥100 mg/dl) betrug die Rate der Patienten mit manifestem metabolischen Syndrom 50%. Nach beiden Definitionen erhöhte sich der Anteil betroffener Patienten nach zwölf Monaten ADT nicht signifikant.


    Die Parameter des metabolischen Syndroms, bei denen nach einem Jahr gegenüber den Baseline-Werten eine signifikant ausgeprägte Erhöhung registriert wurde, waren der Bauchumfang, der Nüchternblutzucker und die Triglyceride (Abb.). Der Anteil der Patienten mit einem Bauchumfang ≥102 cm erhöhte sich von 52,3% auf 56,5% (p=0,023), der Anteil der Männer mit Nüchternblutzucker ≥110 mg/dl von 36,8% auf 50,0% (p=0,006) und der mit Triglyceriden ≥150 mg/dl von 23,6% auf 30,7% (p=0,010). In Gegensatz dazu blieb der Anteil der Patienten mit erhöhtem Blutdruck und der mit erniedrigtem HDL-Cholesterin konstant.

    Schlussfolgerungen
    In den ersten zwölf Monaten einer Androgendeprivationstherapie (ADT) kam es bei Prostatakrebs-Patienten zur signifikanten Zunahme des Bauchumfangs, des Nüchternblutzuckers und der Triglyceride. Nach ATP-III- und IDF-Kriterien hatten 23% bzw. 50% der Patienten vor Beginn der ADT ein metabolisches Syndrom. Nach zwölf Behandlungsmonaten hatte sich der Anteil der Patienten nach beiden Definitionen nicht signifikant erhöht.
       
    Literatur:
    [1] O’Farrell S, Garmo H, Holmberg L, et al: 2015. Risk and timing of cardiovascular disease after androgen-deprivation therapy in men with prostate cancer. J Clin Oncol 33:1243-1251.
    [2] S. R. Pye, I. T. Huhtaniemi, J. D. Finn, et al. 2014. Late-onset hypogonadism and mortality in aging men. J Clin Endocrinol Metab 99:1357-6613.
    [3] Shores MM, Matsumoto AM, Sloan KL, et al. 2006. Low serum testosterone and mortality in male veterans. Arch Intern Med 166:1660-1665.
    [4] Galassi A, Reynolds K, He J, 2006. Metabolic syndrome and risk of cardiovascular disease: a meta-analysis. Am J Med.119:812-819.
    [5] Morote J, Gomez-Caama A, Alvarez-Ossorio L, et al. 2015. The metabolic syndrome and its compo­nents in patients with prostate cancer on androgen deprivation therapy. J Urol 193:1963-1969.

     September 2015 Drucken Autor: jfs