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Niedriger Testosteronspiegel und Diabetes mellitus
Bei diabetischen Patienten treten auch vermehrt andrologische und/oder urologische Gesundheitsstörungen auf. Hierzu zählen
in erster Linie Hypogonadismus, Adipositas, Sexualstörungen, Blasenentleerungsstörungen und Infektion des unteren Harntrakts [1, 2].
Darüber hinaus kommt es bei bis zu 30% der Patienten mit Glukoseverwertungsstörung zur Entwicklung einer diabetischen Nephropathie.
Andererseits kann insbesondere Hypogonadismus auch auf das Vorliegen eines bislang nicht diagnostizierten Diabetes hindeuten.
Diabetiker sind auffallend häufig hypogonadal
In einer Reihe bevölkerungsbasierter Studien stand ein niedriger Testosteronspiegel weitestgehend übereinstimmend im Zusammenhang mit
einem Diabetes mellitus vielfach auch in Verbindung mit einem metabolischen Syndrom [3-5]. Darüber hinaus wurde
ermittelt, dass zumindest 25% der Männer mit Diabetes mellitus einen subnormal niedrigen Spiegel an freiem Testosteron
bei unangemessen niedrigen Konzentrationen an gonadotropen Hormonen aufweisen [6]. Ein solcher meist idiopathischer hypogonadotroper
Hypogonadismus steht oft im Zusammenhang mit Adipositas und/oder einem metabolischen Syndrom – auch bei Patienten, die keinen
Diabetes mellitus aufweisen. In Kulturen neuronaler Zellen ließ sich durch Insulin die Sekretion von Gonadotropin-releasing Hormon
(GnRH) auslösen, so dass gonadotroper Hypogonadismus als Folge von Insulinresistenz auf der Ebene der GnRH-Neuronen diskutiert
wird [7]. Bei weiteren 4% der Diabetiker lässt sich ein niedriger Testosteronspiegel in Verbindung mit erhöhten Konzentrationen
an LH und FSH nachweisen.
Hypogonadismus ist vielfach Wegbereiter für Diabetes mellitus
Männlicher Hypogonadismus ist Wegbereiter einer Reihe kardiometabolischer Krankheiten wie Atherosklerose,
Hyperglykämie, Hyperlipidämie, Hypertonie bzw. ein metabolisches Syndrom.
Bei einer Meta-Analyse mehrerer prospektiver Studien zur Ermittlung einer kausalen Verknüpfung zwischen
niedrigen Testosteronspiegeln und erhöhtem Diabetesrisiko wurde für Männer mit einem hohen Testosteronspiegel
gegenüber Männern mit niedrigem Testosteronspiegel ein 42% geringeres Risiko errechnet, in der Folge einen Diabetes
mellitus zu entwickeln [8]. Dieser kausale Zusammenhang wird auch bei Prostatakrebs-Patienten
unter einer Androgendeprivationstherapie deutlich. Die Männer leiden an vegetativen Störungen, entwickeln rasch die
Symptome eines metabolischen Syndroms und es stellt sich eine diabetogene Stoffwechsellage ein. Folgerichtig sehen
die Richtlinien zu Altershypogonadismus bei solchen Patienten ein Diabetes-Screening vor.
Diabetes unabhängig von Adipositas mit niedrigen Testosteronspiegeln assoziiert
Adipositas – insbesondere die Anhäufung viszeraler Fettmasse – gilt vielfach als Vermittler zwischen niedrigen Testosteronspiegeln
und Insulinresistenz, die sich häufig zu einem manifesten Diabetes mellitus weiter entwickelt. So wurde bei Patienten, die sich einer
bariatrischen Operation unterzogen hatten, nicht nur ein signifikanter Gewichtsverlust registriert, sondern es erhöhte sich auch der Spiegel
an freiem Testosteron im Blut und parallel dazu verbesserte sich die Insulinsensitivität [9]. Andererseits wurde auch berichtet, dass
der Zusammenhang zwischen niedrigen Testosteronspiegeln und Insulinresistenz unabhängig von zentraler Adipositas sei [10].
In der großen bevölkerungsbasierten Tromsø-Studie wurde zwischen Diabetes mellitus und niedrigen Testosteronspiegeln ebenfalls eine
unabhängige Beziehung nachgewiesen [11]. Das bestätigte sich in der Third National Health and Nutrition Examination Survey (NHANES III):
Die Ergebnisse der Untersuchung ergaben, dass freies und bioverfügbares Testosteron unabhängig von Adipositas mit Diabetes assoziiert sind [12].
Problematisch zu behandelnde erektile Dysfunktion kann auf Diabetes hinweisen
Ergebnisse der Massachusetts Male Aging Study deuten bei Männern mit Diabetes mellitus auf ein bis zu 75%iges Risiko hin,
im Laufe ihres Lebens eine erektile Dysfunktion (ED) zu entwickeln. Bei ED-Patienten mit Diabetes mellitus finden sich sehr häufig niedrige
Konzentrationen an Androgenen im Serum. Bei einem Vergleich von Diabetikern mit und ohne ED hatten erstere die deutlich niedrigeren
Testosteronspiegel. Dieser Unterschied nivellierte sich allerdings, wenn Patienten mit Hypertonie und Dyslipidämie nicht in die
Analyse einbezogen wurden [13]. Das verdeutlicht, wie sehr sich eine Anhäufung von Stoffwechselstörungen zum metabolischen Syndrom
auf die Serum-Androgenspiegel auswirkt.
Bei diabetischen Patienten mit ED wird häufig ein schlechteres Ansprechen auf Phosphodiesrase 5 (PDE5)-Hemmer beobachtet. Oft lässt sich
die Wirkung der PDE5-Hemmer durch ein Anheben des Testosteronspiegels auf ein höheres Niveau im physiologischen Bereich verbessern.
Liegen bei ED-Patienten keine Angaben zur Glukose-Stoffwechsellage vor, empfiehlt es sich, diesen Männern entsprechend der
Richtlinien ein Diabetes-Screening anzuempfehlen.
Literatur:
[1] Goldstraw MA, Kirby MG, Bhardwa J, Kirby RS, 2006.
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[2] Brown JS, Wessels H, Chancellor MB, et al. 2005.
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