Sind Wettkämpfer in Rot "Testosteron-strotzende Siegertypen"?


Hintergrund und Zielsetzung

Im Tierreich ist rote Färbung bei zahlreichen Spezies ein Zeichen männlicher Dominanz. Hierdurch wird Konkurrenten Aggressivität und Gefährlichkeit signalisiert. Insbesondere bei Vögeln steht die Lebendigkeit des Rots, die von einzelnen männlichen Individuen zur Schau gestellt wird, mit deren hohen Testosteronspiegel im Zusammenhang und weist auf Gesundheit sowie meist auch auf Fortpflanzungserfolg hin. Andererseits scheint die Farbe Rot auch Menschen zu beflügeln und wurde als Trikotfarbe bereits als Markenzeichen von Gewinnern im Sportwettkampf ausgemacht.

In einer aktuellen Studie wurde der Fragestellung nachgegangen, ob Männer mit einem hohen Testosteronspiegel bei einem Gewinnspiel von sich aus – sofern die Möglichkeit dazu besteht – rote Stimuli wählen, um ihre kompetitiven Qualitäten zu unterstreichen [1].

Patienten und Methoden
Für den Test wurden 73 Männer rekrutiert, die mit dessen Zielsetzung nicht vertraut waren. Man sagte ihnen, dass sie an einem Wettbewerb teilnehmen würden, und sie dabei so viele Punkte wie möglich sammeln sollten, da sie bei gutem Abschneiden auf einer aushängenden Bestenliste erscheinen würden. Alle Männer wurden gebeten, sich einen Wettkampfnamen und ein Symbol auszuwählen. Letzteres war entweder rot oder blau. Vor dem Test und 15 Minuten danach wurden von den Probanden Speichelproben eingesammelt und darin der Testosteronspiegel bestimmt. Ganz zum Schluss wurden die Testpersonen gebeten, die von ihnen gewählte Farbe des Symbols anhand von acht vorgegebenen Eigenschaften zu charakterisieren.

Bisherige Befunde
Olympiasieger tragen vermehrt rote Trikots. Das fiel erstmals bei einer Analyse der Olympischen Sommerspiele 2004 in Athen auf. Wettkämpfer in den Sportarten Taekwondo, Boxen und Ringen, die ein rotes Trikot trugen, hatten eine höhere Gewinnchance als diejenigen mit einem blauen Trikot. Auch wenn der Effekt nicht sonderlich groß war, zeigte er sich doch zweifelsfrei bei der Mittelung über alle diese Sportarten [2]. Interessanterweise wurde im Judo keine Ungleichverteilung im Zusammenhang mit der Farbe des Judo Dresses ermittelt. In dieser Sportart sind die Farben Blau und Weiß. Bei der Interpretation dieser Ergebnisse ist allerdings zu berücksichtigen, dass die Trikots bei Großereignissen vor dem Kampf ausgelost werden.

Zwischenzeitlich wurde der Einfluss roter Trikots auch im Mannschaftssport nachgewiesen. Bei einer Revision der Ergebnisse in der englischen Premier League seit dem Zweiten Weltkrieg hatten rote Mannschaften öfter den Meister gestellt und hatten im Durchschnitt höhere Tabellenplätze belegt als andersfarbige Teams [3]. Darüber hinaus wurde ermittelt, dass Elfmeterschützen im roten Trikot am häufigsten ein Tor erzielen. Auf der anderen Seite sind "rote" Torwarte die erfolgreichsten Elfertöter.

Andererseits wurde von anderen Forschern die Vermutung geäußert, dass die Ursache des statistischen Vorteils von Rot bei den Schiedsrichtern liegt, die Rot als Signalfarbe wahrnehmen.

Aktuelle Ergebnisse
Die Teilnehmer mit der Wahl eines roten Symbols werteten ihre Farbe aus den acht zur Auswahl stehenden Eigenschaften jeweils signifikant dominanter, risikoreicher, prägnanter, kraftvoller und aggressiver als ihre Mitbewerber, die sich für ein blaues Symbol entschieden hatten. Kein Unterschied ergab sich für maskulin, attraktiv und erfolgreich. Die Hormonbestimmungen im Speichel ergaben, dass diejenigen Männer, die ein rotes Symbol gewählt hatten, höhere Testosteronspiegel aufwiesen als jene mit blauer Präferenz. Das zeigte sich sowohl vor als auch nach dem Test (Abb.).

Hinsichtlich des Abschneidens bei dem Test bestanden zwischen roten und blauen Teilnehmern keine signifikanten Unterschiede.


Schlussfolgerungen
Im Unterschied zu den zuvor im Sport ermittelten Befunden konnte erstmals gezeigt werden, dass höhere Testosteronspiegel mit der aktiven Auswahl der Farbe Rot als Repräsentationssymbol im Zusammenhang steht. Andererseits bestand keine Assoziation mit besserem Abschneiden beim Test. Die Autoren mutmaßen, dass erst die direkte Konfrontation, bei der der Konkurrent die roten Signale des Gegners vor Augen hat, zu Vorteilen durch das Rot beiträgt. Andererseits spricht im "sauberen" Sport nichts dafür, dass erfolgreiche Wettkämpfer im roten Dress – anders als ihre unterlegenen Kontrahenten im blauen Dress – vor Testosteron "strotzen".
   
Literatur:
[1] Ferrelly D, Slater R, Elliott HR, et al. 2014. Competitors who choose to be red have higher testosterone levels. Psychol Sci 24:2122-2124.
[2] Hill RA, Barton RA, 2005. Psychology: red enhances human performance in contests. Nature 435:293.
[3] Attrill MJ, Gresty KA, Hill RA, Barton RA, 2005. Red shirt colour is associated with long-term team success in English football. J Sports Sci 26:577-582.


 Dezember 2014 Drucken Autor: jfs