Hämospermie (Hämatospermie) ist wohl eines der wenigen Symptome, das Männer dazu bewegt, sich umgehend in urologische Behandlung zu begeben. Denn Blut in der Samenflüssigkeit hat für Männer etwas Beängstigendes. Je nach Alter des Betroffenen mag dabei die Furcht vor Fertilitäts- und Sexualstörungen im Vordergrund stehen, oder es ist der Gedanke an eine zugrunde liegende maligne Krankheit, der unwillkürlich aufkeimt. Generell braucht aber insbesondere der jüngere Patient keine übermäßigen Befürchtungen zu hegen, da es sich überwiegend um ein selbstlimitierendes, benignes Symptom handelt. Andererseits ist Hämospermie in einer geringen, aber nicht zu vernachlässigenden Anzahl der Fälle tatsächlich auf maligne Tumoren zurückzuführen, oder es liegt ihr eine schwerwiegende systemische Krankheit zugrunde. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit, insbesondere bei älteren Patienten und in Fällen persistierender bzw. rezidivierender Hämospermie eine sorgfältige Abklärung auch mit modernen bildgebenden Verfahren wie der Magnetresonanztomographie vorzunehmen.
In verschiedenen, meist einige Zeit zurückliegenden Untersuchungen wurde die Ätiologie von Hämospermie in 30 bis 70% der Fälle als idiopathisch eingestuft. Dieser Anteil hat sich mit zunehmendem Einsatz moderner bildgebender Verfahren zwar deutlich reduziert, doch auch damit lassen sich selbst bei sichtbaren pathologischen Veränderungen Ursache und Wirkung oft nicht mit Sicherheit zuordnen.
In der älteren Literatur wurde vielfach der Standpunkt vertreten, die Hämospermie sei als selbstlimitierendes benignes Geschehen nicht weiter
abzuklären, und das therapeutische Vorgehen könne sich im Wesentlichen auf die Beruhigung des Patienten beschränken. Diese Auffassung wird
aufgrund des breiten Spektrums möglicher Ätiologien von den meisten Autoren heute deutlich relativiert. Sofern nicht augenfällige Ursachen wie
beispielsweise iatrogene mechanische Manipulationen oder eine nachgewiesene Infektion vorliegen, sollte insbesondere bei zugleich auftretender
Hämaturie und hauptsächlich bei älteren Männern eine vollständige Abklärung anhand der entsprechenden Stufendiagnostik versucht werden.
Vielfach ist es üblich, ätiologische Faktoren für Hämospermie nach pathologischen Mechanismen zu kategorisieren. Dabei spielen insbesondere iatrogene, entzündliche und infektiöse Ursachen eine Rolle. Besonderes Gewicht wird stets auf maligne Krankheiten als mögliche Ursache gelegt. Darüber hinaus werden in Übersichtsartikeln auch zahlreiche eher seltene bzw. „exotische“ Ätiologien aufgezählt (Tabelle).
Entzündung und Infektion
Systemische Faktoren
Unter den systemischen Krankheiten, die als Ursache von Hämospermie in Frage kommen, wird stets Hypertonie in schwerer bzw. maligner Ausprägung
an erster Stelle genannt. Es sind sogar Fälle beschrieben, in denen Hämospermie als erstes und einziges Symptom auf das Vorliegen eines malignen
Hypertonus hinwies [6]. Schwere Leberkrankheiten können zu einer verminderten Produktion von Gerinnungsfaktoren führen und werden
diesbezüglich auch mit Hämospermie in Verbindung gebracht. Es wird ferner spekuliert, dass portaler Hochdruck über Verbindungen zwischen
hämorrhoidalem und prostatischem Plexus Blutungen auslösen könnte. Auch Blutdyskrasien wie Hämophilie und Von-Willebrand-Syndrom kommen als
Ursache für Hämospermie in Frage.
Gefäßanomalien
Saito (2008) berichtet aktuell über 20 Patienten (38 bis 82 Jahre) mit einem urethralen Hämangiom, von denen sechs Männer sowohl über
Hämospermie als auch Hämaturie und fünf lediglich über Hämaturie klagten. In 19 Fällen, in denen die Läsion endoskopisch resektiert wurde,
ergab der histologische Befund ein kavernöses Hämangiom. Obwohl über urethrale Hämangiome als Ursache von Hämospermie bislang nur vereinzelt
berichtet wurde, scheint diese Ätiologie offenbar doch häufiger vorzuliegen [7].
Maligne urologische Tumoren
Han et al. (2004) haben Männer untersucht, die sich einem Prostatakrebs-Screening unterzogen und zusätzlich Angaben zu Hämospermie machten.
Dabei trat Hämospermie im 26.126 Teilnehmer umfassenden Gesamtstudienkollektiv bei nur 139 Männern (0,5%) auf. Andererseits wurde bei 19
der 139 Patienten mit Hämospermie (13,7%) Prostatakrebs entdeckt [9].
Grundsätzlich kommen alle malignen urologischen Tumoren als seltene Ursache von Hämospermie in Frage. Aber auch Fälle von Hämospermie im
Zusammenhang mit entfernten, metastasieten Tumoren (Melanom) wurden berichtet.
Iatrogene Ursachen (Traumata)
Ferner wurde Hämospermie bei 17% der Patienten beobachtet, die sich einer prostatischen Brachytherapie unterzogen [13].
Entzündliche Prozesse in den akzessorischen Geschlechtsdrüsen sind insbesondere bei jüngeren Männen unter 40 Jahren die häufigste Ursache
von Hämospermie. Die Blutung entsteht dabei durch Reizung der Mukosa, Hyperämie oder Ödemen der Drüsen bzw. der Ausführungsgänge. In der
infektiösen Ätiologie solcher Prozesse spielen Viren, Bakterien, Mykobakterien und Parasiten eine Rolle. Sehr hoch ist der Anteil infektiös
verursachter Hämospermie unter Männern mit sexuell übertragbaren Krankheiten wie Syphilis oder Gonorrhoe. Häufig wurden zudem
Herpes-simplex-
Als Blutungsquelle wurden aberrante (nicht der Norm entsprechende) Blutgefäße, venöse Krampfadern in den Samenbläschen oder bei benigner
Prostatahyperplasie sowie arterio-venöse Fehlbildungen ausgemacht. In solchen seltenen Fällen mit direkter Beteiligung der Blutgefäße kann es
zu massiver Beimengung von Blut in der Samenflüssigkeit kommen. Zudem besteht das Risiko für Blutgerinsel, die im Extremfall zu Harnverhalt
führen können.
Krebserkrankungen sind eine mögliche, wenn auch verhältnismäßig seltene Ursache für Hämospermie. In einer Überprüfung der englischsprachigen
Literatur kamen Ahmad und Krishna (2007) auf 33 Fälle in elf Studien mit insgesamt 931 Fällen von Hämospermie (3,5%), in denen maligne Tumoren
als zugrunde liegende Ursache beschrieben worden sind [3]. Betrachtet man die Statistik genauer, fällt auf, dass allein in zwei Untersuchungen
von Papp et al. (2003) zusammen 25 Fälle maligner Tumoren bei 205 Männern mit Hämospermie registriert worden waren [8]. Das ergab Inzidenzen
von 11,6 bzw. 13,1%. Andererseits wurden in sechs Studien mit zusammen 477 Hämospermie-Patienten kein einziger zugrunde liegender maligner
Tumor identifiziert.
Als häufigste Ursache für Hämospermie bei älteren Männern gilt die durch transrektalen Ultraschall (TRUS)
geleitete Prostatabiopsie im Rahmen
der Abklärung eines Verdachts auf Prostatakrebs. In einer prospektiven Untersuchung von Manoharan et al. (2007) trat bei 84% der beobachteten
Männer im Mittel für dreieinhalb Wochen nach der Biopsie Hämospermie auf [10]. Zu völlig anderen Zahlen kommt eine japanische Studie: Hämospermie,
Hämaturie und rektale Blutungen traten lediglich bei 1,2%, 12% bzw. 5,9% der Patienten nach einer TRUS-geleiteten Prostatabiopsie auf [11].
Die Einnahme von Aspirin erhöht nach einer TRUS-geleiteten Prostatabiopsie zwar das Risiko für Hämaturie und rektale Blutungen, nicht aber für
Hämospermie [12].
Die grundlegende körperliche Untersuchung umfasst die Messung des Blutdrucks und der Körpertemperatur sowie das Abtasten des Bauches nach raumfordernden Prozessen.
Die Bestimmung des Prostata-spezifischen Antigens (PSA) im Serum ist bei Männern von über 40 Jahren obligatorisch. Ferner ist ein Butbild anzufertigen.
Bei infektiöser Ätiologie ist die Urinanalyse (Urinsediment, Kultur) essenziell. Besteht der Verdacht auf eine Urethritis/Epididymitis, empfiehlt sich die Durchführung einer 2-Gläserprobe und bei Verdacht auf Prostatitis einer 4-Gläserprobe. Eine Samenanalyse wird zwar vielfach als nicht erforderlich erachtet, doch kann Oligospermie als wertvoller Hinweis auf eine obstruktive Ätiologie gewertet werden. Durch den Einsatz moderner bildgebender Verfahren lassen sich die diagnostischen Möglichkeiten erheblich erweitern. Mit transrektalem Ultraschall (TRUS) sind Prostataverkalkungen, Utrikuluszysten sowie Veränderungen der Samenblasen (Abb.) und der Samenausführungsgänge deutlich zu erkennen. Am deutlichsten lassen sich Anomalien der akzessorischen Geschlechtsdrüsen abermittels Magnetresonanztomographie (MRT) erkennen. Das Verfahren ermöglicht es sogar Blutungsherde zu identifizieren: Bei Untersuchungen der Samenbläschen mit MRT wurden hoch intensive Signale auf T1-gewichteten Bildern mit oder ohne niedrig intensiven Signalen auf T2-gewichteten Aufnahmen als Blutung interpretiert, ohne dass eine solche durch Aspirationsdiagnostik bestätigt wurde. Diese Bestätigung lieferte jetzt eine Untersuchung in der Arbeitsgruppe um Furuya [14].
In der klinischen Praxis stellt sich jedoch die Frage, inwieweit die diagnostischen Möglichkeitern in jedem einzelnen Fall ausgeschöpft werden sollten.
Hierbei wird vielfach die Meinung vertreten, dass das „volle Programm“ insbesondere bei Männern im Alter über 40 Jahren und in Fällen von persistierender
Hämospermie wie auch bei Beschwerden im Zusammenhang mit der Hämospermie gefahren werden sollte (diagnostischer Algorithmus).
Über eine transrektale, Ultraschall-geführte, transperineale, bilaterale Punktion der Samenbläschen und mehrtägige! antibiotische Dauerirrigation im Liegen bei hartnäckiger Hämospermie berichtet aktuell eine chinesische Arbeitsgruppe [15]. Die Autoren behandelten 63 Patienten (19 bis 69 Jahre alt), bei denen die Ursache der Hämospermie in einer chronischen Prostatitis oder Vesikulitis (33), der Obstruktion des Ductus ejaculatorius (7) bzw. einer Kombination beider (14) vermutet wurde. Bei neun Männern lagen keine Anhaltspunkte für die Ursache vor. Nach einer Behandlungsdauer von fünf bis sieben Tagen und einer Nachbeobachtungszeit von sechs bis 60 Monaten, waren fast alle hartnäckigen Fälle von makroskopischer Hämospermie behoben.
Wang et al. (2006) behandelten erfolgreich Männer mit einer arteriellen Fistel mit pelviner Angiographie und arterieller Embolisation über den Katheter [16].
In der Mehrheit der Fälle ist Hämospermie ein selbstlimitierendes Symptom. Als eine der wichtigsten Maßnahmen in idiopathischen Fällen, gilt nach wie vor,
den Patienten zu beruhigen.
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